Ulrich Maly galt immer schon als ein ungewöhnlicher Politiker. Der Oberbürgermeister von Nürnberg griff nie zu, wenn ihm seine Partei, die SPD, höhere Ämter in der Bundes- oder Europapolitik schmackhaft zu machen versuchte. Zu erklären war das kaum einem. Ein eloquenter und charismatischer Mann wie Maly könnte doch viel mehr werden als "lediglich" Oberhaupt einer Halbmillionenstadt in Mittelfranken, sagten viele. Maly hat das immer stoisch gekontert. Er sei eben ein überzeugter "Kommunaler", pflegte er auf Abwerbeversuche zu antworten. Dass Maly ein ungewöhnlicher Typus Politiker ist, konnte man daran schon ablesen. Dass er aber im Alter von 58 Jahren tatsächlich erklären würde, nicht erneut für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren, das haben ihm zum Teil nicht einmal engste politische Weggefährten zugetraut. Genau das ist nun aber eingetreten: Am Montagnachmittag hat Maly das Ende einer Ära angekündigt. 2020 müssen die Sozialdemokraten in Nürnberg mit einem anderen Spitzenkandidaten antreten.
Mit den üblichen Kategorien zu erklären wäre das noch, wenn Maly nun auf einen anderen politschen Job spekulieren würde. Bei den Sozialdemokraten kämen da ja einige in Frage. Vor allem die darbende Bayern-SPD könnte einen Spitzenkandidaten mit beachtlichem politischen Lebenswerk durchaus gebrauchen. Aber auch damit wird es nichts werden. Auf die Frage, ob er andere Ambitionen nach seinem Leben als Oberbürgermeister von Nürnberg hege, antwortet Maly unmissverständlich: "Das ist der Abschied aus der Berufspolitik." Natürlich werde er etwaige Ehrenämter übernehmen, so man sie ihm antrage. Und natürlich bringe er seine dritte Amtszeit bis 2020 ordentlich und mit vollem Einsatz zu Ende. Danach aber sei Schluss mit der Berufspolitik.
Das kann man nun eine kleine Sensation nennen, muss es wohl sogar. Maly spricht es vor Journalisten selbst an, dass die mit Abstand größte Zeitung in Nürnberg - die Nürnberger Nachrichten (NN) - noch vor wenigen Tagen neun Gründe veröffentlicht hat, warum Maly auf jeden Fall für eine vierte Amtszeit kandidieren wird. Diese neun genannten Gründe, sagt der scheidende OB, "die stimmen alle". Genannt wurde da etwa, dass Maly im Jahr 2020 erst 60 wird. Bei der Wahl im März wird er sogar erst 59 sein. "Kaum vorstellbar", schrieb die Zeitung, "dass der Vollblutpolitiker irgendeinem Verband vorsteht, und sei der Posten noch so gut und besser dotiert als der eines Oberbürgermeisters." Außerdem wolle Nürnberg im Jahr 2025 europäische Kulturhauptstadt werden. Und auch Maly wolle dieses Ziel noch erreichen. Auch die SZ hatte vor einiger Zeit so argumentiert. Und lag falsch, wie so viele im politischen Nürnberg. Bei der Pressekonferenz sieht man am Montag in eher bleiche Gesichter. Dass Malys Entscheidung "auf brüllende Begeisterung" in der SPD gestoßen sei, wäre nun wirklich "das falsche Wort", sagt die Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Anja Prölß-Kammerer. Und auch der Nürnberger Parteichef Thorsten Brehm ringt etwas mit den Worten. Zwar falle es ihm schwer, aber doch, er könne es schon "nachvollziehen", was Maly für sich entschieden habe. Lange wissen es die beiden wohl noch nicht.
Und was sind nun die Gründe, dass der laut einer Umfrage beliebteste Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt gewissermaßen mitten im politischen Leben aufhört? Viele, die ihn kennen, sagt Maly, hätten von ihm ja die Geschichte mit dem Zettel gekannt. Die hat der Sozialdemokrat tatsächlich ziemlich oft erzählt: Dass er auf diesen Zettel eine Art politisches Verfallsdatum geschrieben und besagten Zettel in einem Schrank hinterlegt habe. Allein er und seine Frau wüssten, welches Datum auf diesem Zettel stehe. Auch wenn der natürlich immer nur "virtuell" gewesen sei. Seit Montag wissen es nun also auch andere außer Petra Maly: Es ist das Jahr 2020.
Der scheidende OB argumentiert so: Er war seit 1990 Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion. Er war seit 1996 Kämmerer und seit 2002 Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg. Das werden 2020 exakt 30 Jahre in der aktiven Politik sein, und damit sein halbes bisheriges Leben. Er habe immer wieder beobachtet, wie Kollegen eben gerade nicht den richtigen Zeitpunkt für den Abschied gefunden hätten. Den nämlich, bei dem man noch vermisst wird anschließend. Das habe er immer vermeiden wollen. Und Lösungen wie eine halbe letzte Amtszeit seien für ihn nie in Frage gekommen. Aber auch das räumt Maly ein: Er wäre um ein Haar schwach geworden, trotz verbürgtem Zettel. Maly entschuldigt sich für das Bild, aber zuletzt sei er sich vorgekommen wie Odysseus, den man an den Mast haben binden müssen, um die Rufen der Sirenen nicht zu folgen. Deren Ruf ging so: "Sie müssen fei schon weitermachen."
Und was kommt nun danach? Erst mal nichts, sagt Maly. Er möchte nicht larmoyant klingen, aber 18 Jahre als OB entsprächen "etwa 25 Jahren" normaler Lebenszeit. Dass die Nürnberger SPD geschockt ist, muss sie nicht sagen. Man sieht es den Gesichtern ihrer Spitzenleute an. Die Zeit wird jetzt knapp bis zu Wahl. Natürlich gibt es in Frage kommende Kandidaten - Bürgermeister Christian Vogel etwa oder Parteichef Brehm -, aber entschieden darüber ist nichts. Wie auch, nach so einer Zäsur.