Wahl im bayerischen Landtag:Beckstein und das grüne Gift

Der Landtag als Becksteins Bühne: Wie der neue bayerische Ministerpräsident seinen großen Moment erlebt, wie Stoiber reagiert - und warum die Grünen verbale Giftpfeile abschießen.

Birgit Kruse

Die Anspannung ist Günther Beckstein ins Gesicht geschrieben. Kaum ein Lachen, nicht einmal ein Lächeln huscht an diesem Vormittag über sein sonst so fröhliches Gesicht.

Günther Beckstein, Getty Images

Günther Beckstein: Erst als das Wahlergebnis verkündet wird, löst sich seine Anspannung.

(Foto: Foto: Getty Images)

"Ein bisschen aufgeregt bin ich schon", gesteht er, als er als einer der Letzten zur Fraktionssitzung der CSU erscheint. Auch wenn er nicht mehr so nervös sei, wie noch vor knapp zwei Wochen auf dem CSU-Parteitag, auf dem die Delegierten ihn zum Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten nominiert hatten, hat die fast neunmonatige Übergangszeit an ihm gezehrt.

Selbst der vertraute Blick zu seiner Frau, die gemeinsam mit den drei Kindern auf der Ehrentribüne Platz genommen hat, und ihr aufmunterndes Lächeln, können ihn offenbar nur leicht beruhigen. Denn "es war eine lange Übergangszeit", bilanziert Beckstein, "lange, wie eine komplizierte Schwangerschaft."

Das sieht auch die Opposition so. SPD-Fraktionschef Franz Maget übt noch verhaltene Kritik, spricht von einem Makel, unter dem die Amtszeit Beckstein beginnt und beklagt die "quälende Hängepartie", die Bayern in den letzten Monaten sachpolitisch lahmglegt habe.

Und während Maget noch behutsam Forderungen an den neuen Ministerpräsidenten richtet - so wünscht er sich etwa einen neuen Regierungsstil und ein jüngeres Kabinett - zieht Margarete Bause von den Landtags-Grünen die Giftspritze auf.

Grüne Sticheleien

Vor allem das künftige Tandem bereitet der rothaarigen Fraktionschefin Sorge. "Ich hoffe, das ist nicht so zu verstehen, dass Sie jetzt zusammen mit Erwin Huber die Fehler machen, die Edmund Stoiber ganz alleine fertig gebracht hat", stichelt sie, um gleich einen guten Ratschlag für die Zusammenarbeit mit CSU-Chef Erwin Huber aus dem Hut zu zaubern.

Denn mit einer Doppelspitze, so Bause, würden sich vor allem die Grünen auskennen, haben sie doch selbst seit mindestens 20 Jahren ein Tandem an der Spitze ihrer Fraktion. Wenn es also Fragen gebe, könne man sich ja an die Grünen richten.

Sie weiß, dass Beckstein auf seinen Tandempartner Erwin Huber nichts kommen lässt. Mehr sogar: Bei jeder Gelegenheit betont der neue Ministerpräsident, wie gut die Zusammenarbeit mit dem CSU-Chef funktioniere und wie eng sie sich miteinander abstimmen würden. "Zwei Leute wissen mehr als einer und vier Augen sehen mehr als zwei", lautet in diesem Fall seine Devise.

Eine weitere Dosis Gift hat Bause für die Kabinettsbildung parat. "Wenn über 50-Jährge wie Franz Josef Pschierer noch als hoffnungsvolle Nachwuchstalente gehandelt werden, da weiß man, dass Alter ein völlig relativer Begriff ist", sagt die 48-jährige Münchnerin und schafft es an diesem Vormittag als einzige, Günther Beckstein ein Lachen abzuringen.

Indes wäre die Nervosität überhaupt nicht nötig gewesen - auch wenn es nicht Becksteins erster Anlauf ist, Ministerpräsident zu werden. Im Gegenteil: Heute hatte Beckstein ein Heimspiel im Landtag. Um 12.01 Uhr verkündet Landtagspräsident Alois Glück das Ergebnis: 122 der 178 anwesenden Abgeordneten haben für Beckstein gestimmt, 53 mit Nein, zwei haben sich enthalten und eine Stimme war ungültig.

Im Blitzlichtgewitter

Erst jetzt wirkt auch Beckstein wieder gelöst, genießt den minutenlangen Applaus seiner Fraktionskollegen - und das Blitzlichtgewitter der Fotografen, die möglichst rasch die ersten Bilder des neuen Ministerpräsidenten ergattern wollen.

"Mit dieser Stunde stehe ich in der Verantwortung für ganz Bayern", sagt er mit fester Stimme und fügt hinzu: "Mein Herz schlägt für ganz Bayern". Mit jedem Wort, das er ans Plenum richtet, scheint sich die Erleichterung in ihm auszubreiten.

Für seine Amtszeit verspricht er, einiges anders zu machen. Er spricht von dem Austausch von Argumenten, den er pflegen will, und betont, wie sehr ihm die Integration der ausländischen Mitbürger am Herzen liege. Er trete "mit Demut und Mut" an, sagt er bescheiden protestantisch, denn er sei sich der Verantwortung vor Gott und den Menschen bewusst. Den Mut schöpfe er aus dem Wissen, "dass ich nicht allein bin". Denn nicht nur sein Tandempartner Huber steht an seiner Seite, auch die Fraktion steht hinter ihm. Selbst gegenüber der Opposition im Landtag zeigt sich Beckstein gesprächsbereit.

"Ich reiche der Opposition die Hand, um in einen fairen Wettbewerb für Bayern einzutreten", sagt Beckstein. Da kann auch seine Fraktion auf eine neue Gesprächskultur hoffen. Denn seine Devise sei der Dialog, der Austausch von Argumenten und Gegenargumenten, sagt Beckstein. Seinem Vorgänger war immer wieder vorgeworfen worden, Entscheidungen allein zu treffen.

Und auch seine Frau Marga scheint erleichtert. Auch wenn sie nicht klatscht - das zufriedene Lächeln, das über ihr Gesicht huscht, sagt mehr als tausend Worte.

Grimmiger Edmund Stoiber

Karin Stoiber steht ihrem Mann an diesem Tag nicht bei. Sie habe sich kurzfristig entschuldigen lassen, heißt es. Vielleicht ist ja das der Grund, warum Stoiber den ganze Sitzung über so grimmig dreinschaut, mit Beckstein kaum ein Wort wechselt und erst nach der Wahl des neuen Ministerpräsidenten zu Beifall bereit ist.

Die CSU-Abgeordneten sind jedenfalls euphorisch und gehen mit hohen Erwartungen in die neue Ära. Vor allem eine neue Gesprächskultur erhoffen sich viele von Beckstein. "Da wird sich manches ändern", prophezeit CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann. Und er wird sicherlich Recht behalten. Betont Beckstein selbst doch stets, dass er den Dialog und den Austausch von Argumenten sucht und auch dies in seiner Funktion als Ministerpräsident weiterhin so pflegen wird. "Er wird sich treu bleiben", meint Herrmann.

Und auch Becksteins alte Schulfreunde, die er zu seinem Ehrentag in den Landtag eingeladen hat, glauben nicht, dass sich ihr Klassenkamerad in seinem neuen Amt verändern wird. Über all die Jahre, sagt Dietrich Kappler, der Beckstein seit 1949 kennt, "ist er sich selbst treu geblieben".

Eine Verschnaufpause nach den neun Monaten des Übergangs wird sich der Stoiber-Nachfolger nicht gönnen. Jetzt heißt es für den 63-Jährigen, die Ärmel hochzukrämpeln. Bereits in einer Woche wird er sein neues Kabinett vorstellen, das Treffen der Ministerpräsidenten steht auf dem Plan, ebenso wie die erste Regierungserklärung und die Kommunal- und Landtagswahlen.

Und auch heute ist der Terminkalender schon voll. Nach der Amtsübergabe in der Staatskanzlei sollen bereits erste Gespräche mit potentiellen Kabinettskandidaten auf dem Programm stehen.

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