Zwei Kilometer trennen das Bayreuther Festspielhaus und die Innenstadt – doch wer in diesen Tagen durch die Stadt geht, kann Wagner und der Opernwelt auch hier nicht aus dem Weg gehen. Ein Antiquariat wirbt mit historischen Fotos und edler Abendgarderobe, ein Bäcker bietet Tristan-Krapfen mit Erdbeer-Champagner-Füllung an und ein Innenausstatter hat Festspielporzellan und edle Holzsouvenirs anfertigen lassen.
Ein paar Straßen weiter glänzen goldene Figuren im grün ausgelegten Schaufenster: „Wir haben unseren Kunden den grünen Teppich ausgerollt“, sagt Uli Herden. Er steht mit seiner Frau Andrea Karaman in einem kleinen Laden in der Bayreuther Innenstadt. Gemeinsam betreiben sie hier einen Pop-up-Store, in dem sie bunte Plastikfiguren des Künstlers Ottmar Hörl anbieten. Seine Wagner-Figuren haben sie im Schaufenster auf einen grünen Teppich drapiert.
Künstler Hörl ist gerade nicht da – er baue noch schnell seine diesjährige Installation vor dem Festspielhaus auf dem grünen Hügel auf, sagt Karaman. Am Nachmittag werde er aber in die Innenstadt kommen und seine Figuren in ihrem Laden signieren.
Im vergangenen Jahr wurden alle Figuren der Hörl-Installation vor dem Festspielhaus gestohlen, erinnert sich Karaman. Und auch in ihrem Laden finden die Figuren reißenden Absatz. Die Räumlichkeiten für den Pop-up-Store habe das Ehepaar von einem Bekannten zur Verfügung gestellt bekommen. Bis zum Ende der Festspiele werden die beiden Pensionäre hier die Figuren von Hörl verkaufen. „Mit der letzten Aufführung fällt dann hier der Vorhang“, fügt Herden hinzu. Fast wäre aber schon vor der Premiere Schluss gewesen. Denn die beiden kamen in Engpässe. „Es ist so irre“, sagt Karaman. Die Nachfrage sei am Eröffnungstag so groß gewesen, dass Hörl jetzt noch einmal nachproduzieren lasse.
Wer kommt zu ihnen in den Laden? „Vor allem Bayreuther, sehr viele Festspiel-Mitwirkende und natürlich die Operngäste der nächsten Wochen“, sagt Herden. Gefragt, ob er auch mit Größen aus Politik und Gesellschaft in seinem Geschäft rechnet, winkt Herden ab. „Die sind heute auf dem roten Teppich und nicht auf unserem grünen unterwegs.“
Claudia Roth wird mit Pfiffen begrüßt
Gut zwei Kilometer vom Festspiel-Laden entfernt, steht am Nachmittag Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger auf diesem roten Teppich und begrüßt unter anderem Kultur-Staatsministerin Claudia Roth (Grüne). Roth sorgte im Vorfeld der diesjährigen Festspiele für Aufsehen, nachdem sie im Januar mehr Diversität bei den Festspielen gefordert und in den vergangenen Tagen vorgeschlagen hatte, auch anderes als Wagner – beispielsweise die Humperdinck-Oper „Hänsel und Gretel“ – auf dem Grünen Hügel zu spielen. So ließe sich vielleicht auch ein jüngeres Publikum ansprechen, mutmaßte sie. Der Vorschlag stieß auf wenig Gegenliebe in der für die Festspiele mitverantwortlichen bayerischen Staatsregierung. Am Donnerstagmorgen ruderte Roth in einem Interview etwas zurück – doch die Schaulustigen am roten Teppich taten bei Roths Ankunft mit Pfiffen und Buh-Rufen ihren Unmut kund.
Auf dem roten Teppich und daneben sucht man die jüngere Generation aber tatsächlich vergebens. Vor allem die Politprominenz aus Bayern gibt sich die Ehre: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kommt ebenso wie sein Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Beide plaudern nach ihrer Ankunft zunächst mit den Zaungästen am roten Teppich, bevor sie sich ausgiebig dem Blitzlichtgewitter hingeben. Ebenso fährt ein Großteil des bayerischen Kabinetts vor.
Wegen eines Reißverschlusses muss die Sozialministerin erst einmal draußen warten
Darunter Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU), allerdings zwei Minuten zu spät. Die Tür in Bayreuth ist hart: Sie könne zum zweiten Akt wieder kommen, richtet man ihr aus. „Sie glauben nicht, weshalb ich zu spät bin“, sagt Scharf zur SZ. „Wir haben mit zwei Damen im Hotel eine Dreiviertelstunde versucht, den Reißverschluss meines Kleides zu schließen.“ Dann setzt sie sich wieder in ihre Limousine. Den ersten Akt höre sie sich jetzt auf Youtube an und komme zum zweiten wieder.
Aus Berlin reisen unter anderem die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang und die Bayreuther Bundestagsabgeordnete Silke Launert (CSU) an. Aus Sachsen-Anhalt kommt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Festspiel-Stammgast und Ex-Kanzlerin Angela Merkel ließ sich in diesem Jahr entschuldigen.
Besonderes Interesse zeigt die Regenbogenpresse an der CSU-Politikerin Dorothee Bär und ihrem Mann. Aber auch weitere Persönlichkeiten der bayerischen Gesellschaft posieren eifrig für die Fotografen: Franz Herzog von Bayern oder der neue Bamberger Erzbischof Herwig Gössl.
Rund um das Festspielhaus hat sich wie immer eine Vielzahl Schaulustiger versammelt, in der Hoffnung, einen Blick auf Fernsehkoch Alexander Herrmann oder die Sänger Roberto Blanco und Patrick Lindner zu erhaschen. Doch insgesamt ist die Promidichte in diesem Jahr geringer als in den vergangenen Jahren. Ob sich das auf die Wirtschaft in Bayreuth auswirkt? Wenn man Uli Herden aus dem Pop-up-Store glaubt: eher nicht.