Süddeutsche Zeitung

Oberpfalz:Grundschullehrerin soll Kinder jahrelang drangsaliert haben

  • In Wackersdorf in der Oberpfalz soll eine Lehrerin Grundschulkinder drangsalieren - diesen Vorwurf erheben mehrere Familien.
  • Sie berichten von Drohungen, Beleidigungen und erniedrigenden Erziehungsmethoden, manche Schüler hätten deshalb auch gesundheitliche Probleme.
  • Seit Jahren soll das schon so gehen. Weil der Schulleiter ihrer Ansicht nach nichts dagegen unternimmt, haben die Eltern nun eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

Von Andreas Glas und Anna Günther, Wackersdorf

Die Homepage der Grund- und Mittelschule Wackersdorf ist in Grün, Gelb und Blau gehalten. Freundlich ist auch das Leitbild der Schule, darin heißt es: "Wir orientieren uns an gemeinsam getragenen erziehlichen Werten." Also alles bestens in Wackersdorf? Nein, sagen gleich neun Familien, die den Rektor und eine Grundschullehrerin öffentlich angreifen. Von "Drohungen" ist die Rede, von "Einschüchterung" der Schüler. Und davon, dass der Rektor seit Jahren nichts unternehme. Mehrere Eltern haben nach eigener Aussage Dienstaufsichtsbeschwerden gestellt. "Dazu sage ich gar nichts", sagt Schulleiter Gerhard Süß auf Nachfrage, das sei "ein laufendes Verfahren". Auch die beschuldigte Lehrerin wolle sich nicht äußern, sagt Süß.

Es ist ein brisantes Protokoll, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Auch die Bild-Zeitung hat darüber berichtet. In dem Protokoll schildern die Eltern, wie die Lehrerin ihre Kinder jahrelang erniedrigt haben soll. Von einer "Strafbank" berichtet etwa Alexandra Hein. Ihr achtjähriger Sohn sei im vergangenen Schuljahr in der Klasse der beschuldigten Lehrerin gewesen. Einem anderen Kind soll die Lehrerin verboten haben, während des Unterrichts auf die Toilette zu gehen, solange es kein Attest vorlege, das etwa eine Blasenentzündung beweise.

Weitere Eltern berichten über "Magenschmerzen" und "Übelkeit" ihrer Kinder. Eine Mutter schildert, dass ihre Tochter "aus Angst vor der Schule" wieder in die Hose mache. Ihr Sohn habe drei Wochen lang "den Pausenhof nicht mehr betreten" dürfen, berichtet wiederum die Mutter Sandra S. Zur Strafe, weil er einen Ball geholt habe, der in der Pause über den Zaun geflogen sei. Drei Wochen lang habe der Zweitklässler in den Pausen ganz allein auf dem Schulhof der älteren Mittelschüler stehen müssen. Dort habe er sich "extrem unwohl" gefühlt, sagt die Mutter.

Die im Protokoll der Eltern genannten Vorwürfe reichen zum Teil schon länger zurück. Allein im Schuljahr 2009/2010 seien neun Kinder aus der Klasse der Lehrerin in psychologischer Behandlung gewesen. Das sagt Susanne Jäger, die damals Vorsitzendes des Elternbeirats war. Insgesamt sei sie zehn Jahre lang im Beirat gewesen, sagt Jäger. Beschwerden über die Lehrerin habe es "immer wieder, alle Jahre" gegeben. Auch ihr Sohn sei betroffen gewesen. Er habe Sodbrennen und Bauchschmerzen gehabt "und keine Lust mehr, in die Schule zu gehen".

Susanne Jäger berichtet, dass die Lehrerin die Klasse ihres Sohnes in drei Reihen geteilt habe. "Die Reihe mit den guten Schülern, die Reihe mit den mittleren, und die Reihe mit den schlechten, störenden Schülern." Die Kinder in der Reihe der schlechten Schüler "waren entsprechend demotiviert und abgestempelt", heißt es im Protokoll der Eltern. Darin steht auch, dass die neun Familien, deren Kinder in Behandlung gewesen sein sollen, das Schulamt über Probleme mit der Lehrerin informiert hätten. Eine Antwort habe man nicht bekommen. Auf SZ-Nachfrage, ob dem Schulamt ein entsprechender Brief bekannt ist, hat die Behörde zunächst nicht geantwortet.

Auch Bürgermeister Thomas Falter (CSU) habe der Elternbeirat im November 2017 informiert, sagt Jäger. Der SZ liegt ein Schreiben vor, in dem die Eltern unter anderem den "Umgangston der Klassenlehrerin" beklagen. Das Schreiben endet mit der Bitte an den Bürgermeister, sich "mal mit dem Rektor zu besprechen, da wir als Elternbeirat etwas machtlos sind". Für Nachfragen zu diesem Schreiben war Bürgermeister Falter am Freitag und am Wochenende nicht erreichbar.

Einem der Kinder soll die Lehrerin gedroht haben, es zum Fenster rauszuwerfen. Einen Buben soll sie vor der ganzen Klasse "dumm" genannt haben. Und die Bastelarbeiten seiner Tochter habe die Lehrerin als "Scheiße" bezeichnet, berichtet Ricardo M. Sämtliche Beschwerden hätten Lehrerin und Rektor abgeblockt. "Der Grundtenor war immer, es gibt keine Probleme, es gibt keine Sachen, die verbessert werden könnten."

An der Grundschule Wackersdorf gibt es aber auch Eltern, die sich von den Müttern und Vätern distanzieren, die sich öffentlich beklagen. "Wir als große Schulfamilie können uns mit derartigen Vorwürfen nicht identifizieren und wollen davon gezielt Abstand nehmen", zitiert die Mittelbayerische Zeitung mehrere Vertreter des derzeitigen Elternbeirats. Ob das wirklich die Haltung aller Elternvertreter sei? Dazu die Beiratsvorsitzende Silvia Frankerl auf Nachfrage: "Ich werde nichts sagen." Steffi Mückl dagegen, auch Mitglied des Elternbeirats, bezeichnet die Erziehungsmethoden der Lehrerin so: "Das ist verletzend, erniedrigend und grenzt an seelischen Missbrauch."

Mückl gehört ebenfalls zu den Eltern, die im Protokoll über Missstände berichten. Der Umgang der Lehrerin habe ihr Kind "krank gemacht, seelisch krank". Was die übrigen Lehrer betrifft, sagt Mückl: "Das Schulklima ist gut." Das zu betonen, sei ihr wichtig. Die Beschwerden seien nur gegen den Rektor und die eine Lehrerin gerichtet.

"Wir prüfen derzeit sorgfältig die vielfältigen Vorwürfe", teilt die Regierung der Oberpfalz mit. Der zuständigen Behörde liege derzeit nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde vor, die sich gegen den Rektor richte, sagt ein Sprecher. Er bestätigt aber, dass es um Vorwürfe mehrerer Familien geht. Nach Aussagen der Eltern liegen die übrigen Beschwerden derzeit beim Kultusministerium.

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SZ vom 22.07.2019/infu
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