Süddeutsche Zeitung

Vorwürfe gegen Ministerin:Merk bestreitet jede Einflussnahme

  • Nach einem Bericht der Augsburger Allgemeine soll Europaministerin Beate Merk 2012 Einfluss auf ein Gerichtsverfahren genommen haben.
  • Konkret soll sie persönlich mit einer Oberstaatsanwältin telefoniert haben, um führende Mitarbeiter eines ihr bekannten Möbelhauses gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen.
  • Sowohl Merk als auch die Staatsanwaltschaft bestreiten dies.

Von Stefan Mayr und Wolfgang Wittl

Die Frage, ob und welchen Einfluss sie als Justizministerin auf ein laufendes Verfahren genommen hat, ist für Beate Merk am Montag erst einmal weit weg: Der frühe Nachmittag ist angebrochen, in der bayerischen Staatskanzlei laufen letzte Vorbereitungen für den Besuch des serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić. Merk betritt den Raum in einem cremefarbenen Kostüm und mit einem sorgenfreien Lächeln, dann nimmt sie neben Ministerpräsident Horst Seehofer Platz. Der normale Geschäftsbetrieb einer Europaministerin, so scheint es.

Doch während Merk die Gespräche begleitet, verschickt die Staatskanzlei eine Mitteilung zu den Vorwürfen, hinter denen die Opposition schon einen Skandal wittert. Weder habe sie mit der leitenden Staatsanwältin persönlich telefoniert, noch habe sie anderweitig Einfluss auf das Verfahren genommen, lässt Merk mitteilen. Ob ihr "im Rahmen des ordnungsgemäßen Berichtswesens des Justizministeriums ein Bericht über Ermittlungstätigkeiten und Maßnahmen in dieser Angelegenheit vorlag", sei ihr "nicht erinnerlich". In jedem Fall sei sie gegenüber den ermittelnden Stellen "bewusst nicht aktiv geworden".

Was Merk vorgeworfen wird

Die Augsburger Allgemeine hatte am Wochenende unter Berufung auf nicht genannte Zeugen berichtet, Merk habe 2012 bei einer Oberstaatsanwältin persönlich telefonisch interveniert, um führende Mitarbeiter eines ihr bekannten Möbelhauses gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen. Es sei "ganz klar und nachweislich", dass die Berichterstattung der Zeitung "falsch war, und sie ist widerlegt", sagt Merk später. Es ist das erste Mal, dass sie in dieser Sache spricht. Aber ist es auch das letzte Mal?

Die Landtagsgrünen haben bereits einen Fragenkatalog verfasst, in der sie die Ministerin zur Beantwortung mehrerer Fragen auffordern: Etwa wann die Ministerin genau von dem Verfahren gegen die Geschäftsleute aus ihrem Stimmkreis erfahren habe? Und weshalb diese so schnell aus der Untersuchungshaft freigelassen worden seien, obwohl die Staatsanwaltschaft Augsburg erst kurz zuvor Haftbefehl beantragt habe.

Merks Umfeld ist empört über die Art, wie mit der Ministerin umgegangen wird. Sowohl Merk als auch die Staatsanwaltschaft hätten jeden persönlichen Kontakt und jede Einflussnahme der Ministerin bestritten, heißt es. Und doch müsse sie sich gegen diffuse und noch nicht einmal belegte Vorwürfe verteidigen. Vom Ministerpräsidenten erhält sie demonstrativ Rückendeckung: Merk habe ihre Ansicht in einem persönlichen Gespräch bekräftigt, es handele sich um eine gemeinsame Erklärung der Staatsregierung. Damit sei alles gesagt, erklärt Horst Seehofer - und tätschelt Merk die Schulter.

Was ihre Partei über Merk denkt

In der CSU sprechen sie über die Europaministerin weniger freundlich. Zwar ist die große Mehrheit davon überzeugt, dass Merk aus dem Vorfall unbeschädigt hervorgehen wird. Richtig beliebt, so ist zu hören, ist die 57-Jährige indes nicht. Edmund Stoiber holte die damalige Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm 2003 als Justizministerin an seinen Kabinettstisch, doch den Status der Seiteneinsteigerin habe Merk nie abgelegt.

Obwohl die Schwäbin vorübergehend sogar stellvertretende CSU-Vorsitzende war, werde sie in Fraktion und Partei bis heute als "Exotin" wahrgenommen, als "isoliert" und "kontaktarm". Zehn Jahre lang stand Merk an der Spitze des Justizministeriums, doch Parteifreunde sagen, sie sei von ihren Beamten mehr geführt worden als dass sie selbst geführt habe. 2013 wurde sie von Seehofer auf den Posten der Europaministerin versetzt - nicht zuletzt wegen ihres Umgangs in dem Wiederaufnahmeverfahren um Gustl Mollath, wie es in der CSU heißt.

Die Hoffnungen von einst - junge Frau, kommunalpolitisch verankert, Juristin - hätten sich nie erfüllt. Daher sei, anders als in der Modellbau-Affäre um Christine Haderthauer, auch keine allzu große Solidarität zu erwarten. Der Mehrzahl der Abgeordneten sei es egal, ob Merk Ministerin bleibe oder nicht.

Was Merk zugibt

Einen Kontakt zu den Besitzern des Möbelhauses hat es gegeben, wie Merk am Montag mitteilt. Ein Mitglied der Familie habe versucht, sie im Dezember 2012 in der fraglichen Strafsache zu sprechen. Sie habe sich allerdings geweigert, "den Sachverhalt auch nur anzudiskutieren". Auch bei zwei späteren persönlichen Begegnungen habe sie darauf hingewiesen, dass sie "über den fraglichen Sachverhalt nicht sprechen kann und will", erklärt Merk.

Nur wenige Stunden zuvor hat am Landgericht Augsburg der Prozess - es geht um Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug - in besagter Sache begonnen. Wegen des erwarteten Andrangs hat die Wirtschaftskammer den ersten Verhandlungstag vom Saal 175 in den Schwurgerichtssaal verlegt. Dort tummeln sich mehrere Kamerateams, Pressefotografen und Journalisten. Der Name Beate Merk fällt während der dreistündigen Verhandlung kein einziges Mal.

Nur vor dem Saal werden die Anwälte zum Thema "Ministerinnen-Anruf" befragt. Aber keiner kann etwas Konkretes beisteuern. Auch der CSU-Abgeordnete Alfred Sauter nicht, der von 1998 bis 1999 selbst Justizminister war und als Rechtsanwalt auch jenes Möbelhaus vertritt. "Ich weiß von nichts", sagt Sauter. Unstrittig ist dagegen, dass sich Sauter bei der Staatsanwaltschaft für seinen Mandanten eingespreizt hat - allerdings erst nach der Entlassung der zwei Manager aus dem Gefängnis und ganz offiziell als Rechtsbeistand des Unternehmens. Sauter wollte das Verfahren elegant ohne öffentlichen Prozess per Strafbefehl zum Abschluss bringen. Doch die Staatsanwaltschaft hatte etwas dagegen.

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SZ vom 28.07.2015/axi
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