Vorlage des Sozialberichts:Aufregung um Haderthauer

Christine Haderthauer hat im Landtag den Sozialbericht vorgestellt - und den Zorn der Opposition auf sich gezogen. Die Kritik der Abgeordneten: Haderthauer hätte ihnen zu wenig Zeit gelassen, den 240-seitigen Bericht zu lesen.

Dietrich Mittler

Es war 11.38 Uhr, da platzte Sozialministerin Christine Haderthauer im Sozialausschuss des Landtags der Kragen: "Ich lasse mir nicht per Pressemitteilung eine grobe Missachtung der Rechte des Parlaments vorwerfen", sagte sie am Donnerstag mit glühendem Blick auf die Vertreter der Opposition.

Christine Haderthauer in Starnberg

Im Kreuzfeuer: Sozialministerin Christine Haderthauer.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Aus Respekt vor dem Landtag habe sie den neuen Bericht zur sozialen Lage in Bayern quasi druckfrisch präsentieren wollen, und dann das: Noch während Haderthauer den Sozialbericht vorstellte, hatte die SPD bereits eine Stellungnahme auf den Weg gebracht. Der Tenor: "Christine Haderthauer brüskiert das Parlament." Die Freien Wähler folgten mit der Überschrift "Sozialministerium überrumpelte Ausschussmitglieder".

Den großen Eklat hatten Haderthauers CSU-Parteifreunde im Schulterschluss mit der FDP zu Beginn der Sitzung gerade noch verhindern können - mit der hauchdünnen Mehrheit von nur einer Stimme. Der SPD-Sozialexperte Hans-Ulrich Pfaffmann hatte den Antrag gestellt, Vorstellung und Aussprache des Sozialberichts zu vertagen und Haderthauer kurzfristig auszuladen. Es sei unmöglich, den Bericht mit 240 Seiten an detaillierten Informationen innerhalb eines Tages so durchzuarbeiten, dass man dazu fundiert Stellung nehmen könne. Und die Vorstellung des Berichts ohne eine Chance auf qualifizierte Gegenrede sei "nur eine öffentlich wirksame Aktion" für die Ministerin.

Es folgte ein halbstündiger Schlagabtausch, bei dem sich wechselweise "Ignoranz" und "künstliche Aufgeregtheit" vorgeworfen wurden. Kurzum: CSU und FDP setzten sich durch, die Sozialexperten der Opposition enthielten sich während der ganzen Sitzung zum Sozialbericht. Dieser - so die kurz darauf eingetroffene Sozialministerin - bestätige Bayerns "Spitzenposition bei Wohlstand, Arbeitsmarkt, sozialer Teilhabe, Sicherheit und Integration".

Der befürchtete Einbruch im Krisenjahr 2009 sei ausgeblieben - im Gegenteil, gerade die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen hätten 2009 und 2010 mehr Geld ins Portemonnaie bekommen als in den Jahren zuvor, das gelte insbesondere für die Niederbayern. "Das Wohlstandsniveau in Bayern liegt satte sieben Prozent über dem deutschen Schnitt", betonte die Ministerin.

Trotz der Wirtschaftskrise habe ein signifikanter Anstieg der Armut vermieden werden können, sagte Haderthauer. Dem Sozialbericht zufolge ist die Quote der von Armut bedrohten Menschen in Bayern gut 3,5 Prozentpunkte niedriger als im restlichen Deutschland. Dort, wo im Freistaat niedrigere Löhne gezahlt würden, werde das vielfach durch ein günstigeres Preisniveau ausgeglichen - letztlich "mit Wohlstandsvorteilen für ländliche Gebiete", wie Haderthauer sagte.

Die Opposition schweigt

Nach den Erhebungen sei in Bayern das Armutsrisiko von 2003 bis 2009 sowohl in den Haushalten von Alleinerziehenden als auch in jenen von Paaren mit Kindern prozentual gesunken. Doch auch das ist Realität: 2009 waren rund 1,64 Millionen Menschen im Freistaat armutsgefährdet, hart trifft es neben rund 560.000 Menschen mit Migrationshintergrund insbesondere 405.000 Menschen im Alter über 65 Jahre. Von 2003 bis 2009 wuchs die Anzahl der von Armut bedrohten Rentner um 35.000 Personen an.

Da die Opposition schwieg, übernahm Haderthauer deren Rolle. Sie nehme die Probleme "sehr ernst", man dürfe die Hände auch angesichts insgesamt positiver Zahlen nicht in den Schoß legen. Deutlicher wurden andere. Der Sozialverband VdK ließ wissen: "In Bayern gibt es bei der Bekämpfung von Altersarmut noch großen Nachholbedarf."

Die Arbeiterwohlfahrt wiederum forderte die Staatsregierung auf, "angesichts der sozialen Ungleichheit in Bayern nicht länger untätig zu bleiben". Der politische Schlagabtausch im Parlament steht indes noch bevor. Immerhin: Haderthauer versprach wiederzukommen, wenn die Mitglieder des Sozialausschusses den Bericht durchgearbeitet haben.

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