Vorfall im Jugendamt:Geiselnehmer zeigt sich reumütig

Wenn Fälle von vernachlässigten Kindern bekannt werden, wird schnell dem Jugendamt Untätigkeit vorgeworfen. Aber wenn die Behörde frühzeitig Kinder aus Familien holt, bekommen die Mitarbeiter oft die Wut der Eltern ab. Im oberbayerischen Pfaffenhofen ist im vergangenen November solch eine Situation eskaliert. Ein Vater, dessen Tochter in einer Pflegefamilie lebte, marschierte mit einem Messer in das Jugendamt und nahm die Sachbearbeiterin fünfeinhalb Stunden als Geisel.

Zum Auftakt des Prozesses am Mittwoch zeigte sich der 29-Jährige reumütig. "Es stimmt alles", sagte er. Das Landgericht Ingolstadt wird nun prüfen, ob der Mann aufgrund einer möglichen psychischen Erkrankung überhaupt schuldfähig ist und eventuell weiter in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wird.

Anfang 2016 brachte die damalige Freundin des Angeklagten eine Tochter zur Welt. Die junge Mutter ist psychisch krank und die kleine Tochter wurde bereits als Baby erstmals in einer Pflegefamilie untergebracht. Bis heute prüft das Familiengericht, ob das inzwischen zweieinhalb Jahre alte Mädchen zurück zur Mutter kann. Dem Vater wurde dieses Hin und Her irgendwann zu viel. Er habe sich rächen wollen, weil das Jugendamt die junge Familie "so mies behandelt" habe, sagte er vor Gericht. Er besorgte sich ein Taschenmesser mit einer 8,5 Zentimeter langen Klinge und plante den Überfall auf die Mitarbeiterin. Am 6. November 2017 setzte er den Plan in die Tat um. Es folgte ein stundenlanger Nervenkrieg. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei rückte an. Während der Verhandlungen verfolgte der Mann die Berichte im Internet, gab den knallharten Gangster und machte sogar ein Selfie mit dem verängstigten Opfer. "Ich wollte meinen Leuten beweisen, dass ich das durchziehen kann", sagte er im Prozess.

Die Frau versuchte zweimal zu fliehen. Es kam zum Gerangel, die 31-Jährige erlitt Schnittverletzungen am Hals und an einer Hand. Mehr als fünf Stunden nach Beginn der Geiselnahme ließ der Mann zwei vermeintliche Notärzte in den Raum. Es waren Polizisten, die ihn mit einem Elektroschocker außer Gefecht setzten. Die Mitarbeiterin ist durch den Vorfall so belastet, dass sie nicht mehr bei der Betreuung von Familien eingesetzt werden kann. Das Urteil ist für den 12. Oktober geplant.

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