Landtagswahl:In Bayern sortieren sich die Parteien neu

Zerstörte Wahlplakate in München, 2017

Für die CSU war die Bundestagswahl wie ein Erdbeben. Bis zur Landtagswahl 2018 will sie die rechte Flanke schließen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Nach der Bundestagswahl ist vor der Landtagswahl in Bayern - die Parteien suchen nach den richtigen Strategien, um Wähler zu gewinnen.
  • "Die rechte Flanke schließen": Dieses Motto hat CSU-Chef Seehofer nach den Erfolgen der AfD ausgegeben.
  • Während FDP und Grüne wohl überwiegend in der politischen Mitte fischen, steht die Richtung der SPD noch nicht fest.

Von Lisa Schnell

Eine Bundestagswahl ist wie ein Erdbeben. In nur einem Moment zieht sie den einen den Boden unter den Füßen weg und katapultiert andere in den Himmel. Die Erdplatten, auf denen sich die Parteien bis jetzt niedergelassen hatten, verschieben sich.

Und am Ende, wenn genügend gejubelt und geweint wurde, wenn die Parteistrategen die Zahlen hoch und runter analysiert haben, setzt sich der Staub und der Blick wird frei auf eine neue politische Landschaft. Es ist der Zeitpunkt, an dem die Parteien ihren Kompass neu einstellen, vor allem im Hinblick auf die Landtagswahl 2018. Ein Überblick, wer wohin will und warum.

Der Berggipfel, auf dem einst die CSU residierte, ist durch das Wahlbeben zu einem Hügel geschrumpft. Wenn die Chefanalytiker von dort übers Land blicken, entdecken sie im Freistaat bedrohliche AfD-Massive, die ihnen die Aussicht auf eine absolute Mehrheit bei der Landtagswahl verstellen. Deswegen die klare Ansage von Horst Seehofer: Die rechte Flanke schließen. Im Bund muss Seehofer deshalb eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen durchsetzen (wie auch immer), in Bayern wird der Spitzenkandidat (wer auch immer) im Blick behalten, was die AfD macht.

Die Mutter aller Schlachten, wie Seehofer die Landtagswahl genannt hat, wird die CSU also eher mit einer Marschroute weiter rechts angehen.

Auf der anderen Seite will sich die SPD einreihen. Sie musste die Erkenntnis verdauen, dass es doch noch immer schlimmer werden kann. Damit es 2018 bei der Landtagswahl nicht noch weiter nach unten geht, müsse sich die Partei wieder an ihren Grundwerten orientieren, sagte Landeschefin Natascha Kohnen und kündigte einen Linksruck an.

Die Christsozialen also blinken rechts, die Sozialdemokraten links. Und in der Mitte? "Ich fühl mich in der Mitte ganz wohl", sagt Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag. Richtige Fundis haben die Grünen in Bayern kaum noch, dafür Pragmatiker wie Hartmann. Er will die Grünen auch in ländlichen Regionen erfolgreich machen, wo sie oft nah an den sechs Prozent kratzen.

Statt über die Ehe für alle redet er lieber vom Erhalt der Heimat, für den die Grünen mit einem Volksbegehren gegen Flächenfraß kämpfen. Um die Menschen auf dem Land zu erreichen, will er sich an Realo Winfried Kretschmann orientieren. "Wir müssen raus auf den Marktplatz und einfach zuhören", sagt Hartmann. Nur so könnten die Grünen ihr Image als reine Großstadtpartei loswerden.

Wie soll der Linksruck der SPD aussehen?

Auch in der Zuwanderungspolitik klingt er moderat. Dass Kriegsflüchtlinge in ihr Land zurückkehren, wenn dort wieder Frieden herrscht, sei eine Selbstverständlichkeit. Bei einem Einwanderungsgesetz könne es eine Obergrenze geben, im Asylrecht natürlich nicht. Auch die Liberalen hoffen die Wahlen in der Mitte zu gewinnen. Sie wollen nicht mehr als Klientelpartei wirken, die nur die Interessen weniger Menschen vertritt. Mit ihrem Kampf gegen Bürokratisierung und für Steuersenkungen bedienen sie bürgerliche Wähler.

Ihr früheres Image, nicht sozial genug zu sein, versuchen sie mit ihrem Einsatz für mehr Bildungschancen abzuschütteln. Eine angedachte Urwahl des Spitzenkandidaten soll ihre Basisnähe beweisen. Auch wenn sich die FDP siegessicher wähnt ist nicht ausgemacht, ob sie 2018 ähnlich gut abschneidet wie im Bund.

Bei der Bundestagswahl bekamen die Liberalen wohl auch Stimmen von enttäuschten CSU-Wählern, die Merkel nicht wollten, aber auch nicht die AfD. Die könnte die FDP 2018 verlieren. Dafür setzt sie auf konservative Wähler, denen die CSU oder die Freien Wähler zu rechtslastig sind. Gerade erst wechselte der FW-Abgeordnete Alexander Muthmann deshalb zur FDP. "Die einen blinken links, die anderen rechts und die Mitte ist frei für uns", sagte ein FDP-Mann.

Der Gedanke ist auch einem Genossen bei der SPD gekommen: Ewald Schurer. Der Bundestagsabgeordnete will nicht als Nörgler auftreten. Was er zu sagen habe, solle als eine "Relativierung im Nachdenkprozess" verstanden werden, nicht als Kritik. Und dann das Aber: Die SPD müsse ein linkes Gewerkschaftspublikum genauso erreichen wie die bürgerliche Mitte. Vor allem, weil man dort einige einsammeln könne, denen die CSU zu nahe an der AfD sei. "Mit einem Linksruck erschließt die SPD definitiv keine neuen Leute", sagt Schurer. Er verstehe auch nicht, von was man überhaupt wegrücken müsse und ist damit nicht ganz allein.

Wer in der Bayern-SPD nachfragt, worin der Linksruck bestehen soll, blickt meist in ratlose Gesichter. Man sei ja eh schon einer der linkesten Landesverbände, heißt es. Vor allem Bundestagsabgeordnete meinen, das Wahlprogramm sei richtig gewesen, man habe es nur nicht richtig vermittelt. Wo man noch weiter hätte gehen können, wissen außer den Parteilinken nur wenige.

Bei der Miete etwa oder der Rente, sagt Generalsekretär Uli Grötsch. Was das genau heißt, werde in einem Dialogprozess mit der Partei noch ausgearbeitet. Auch die Wähler in der Mitte wolle die Partei aber ansprechen, etwa durch die Forderung nach kostenlosen Kita-Plätzen. Von einem Linksruck möchten viele in der SPD deshalb nicht mehr reden. Die Orientierungsphase scheint bei den Sozialdemokraten noch nicht ganz abgeschlossen zu sein.

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