Von Kraftwerk bis Auwald:Fluss im Stress

Zwischen Paradies und Ballermann: Wofür die Isar auf ihren 292 Kilometern zwischen Karwendel und Plattling herhalten muss.

Von Theresa Krinninger

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Flussregler Sylvensteinspeicher

Sylvensteinsicher - versunkenes Dorf

Quelle: Manfred Neubauer

Er sieht aus wie ein Fjord, dabei ist es erst knapp 60 Jahre her, dass der Stausee an der oberen Isar geflutet wurde und das Dorf Fall darin unterging. Seit 1959 schützt der Speicher das Isartal bis hinunter nach München vor Hochwasser. Das Staubecken kann inzwischen bis zu 124 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen - mehr als doppelt so viel wie der Schliersee. 1999 wurde der Damm um drei Meter erhöht, was sich beim Pfingsthochwasser im gleichen Jahr bewährte. Bei der noch stärkeren Augustflut 2005 hätte die Isar ohne den Sylvensteindamm Teile Münchens überschwemmt, das U- und S-Bahnnetz wäre vollgelaufen. Umgekehrt sorgt der Speicher in Trockenzeiten dafür, dass zumindest noch etwas Wasser im Flussbett verbleibt. Die Abgabe wird so gesteuert, dass in Bad Tölz im Sommerhalbjahr wenigstens 20 Kubikmeter pro Sekunde in der Isar fließen. Zum Vergleich: Sogar die beschauliche Altmühl führt mehr Wasser - 25 Kubikmeter pro Sekunde. Die Talsperre (Foto: Manfred Neubauer) greift auch auf andere Weise massiv in den Flusslauf ein. Jährlich schiebt der Fluss etwa 100 000 Kubikmeter Kies an die Sperren des Sees, der dann im Fluss unterhalb fehlt. Doch ohne Kiesnachschub gräbt sich die Isar immer tiefer ein. Es entstehen stellenweise Aushöhlungen, auch der Grundwasserstand sinkt. Die Folge: Auwälder entlang der Isar verschwinden. Deshalb transportieren Laster tonnenweise Kies an den Flusslauf unterhalb des Sylvensteinsees, um das Isarbett aufzufüllen.

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Schwindender Lebensraum

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Quelle: Landesfischereiverband Bayern e.V.

Forelle, Barbe, Nase - so heißen die Ureinwohner der Isar. Doch nur noch weit oben in den Bergen kann sich die Bachforelle natürlich vermehren. Weiter unten setzen den Fischen Stauwehre und Kormorane zu. Besonders in der Pupplinger Au bei Wolfratshausen, die auf den ersten Blick so naturnah wirkt, haben die Raubvögel die Isar regelrecht leer gefressen. Nur dort, wo die Kormorane konsequent vertrieben werden, wie etwa zwischen Oberföhring und Garching, erholen sich die Äschenbestände. In der unteren Isar, zwischen Moosburg und Deggendorf, leben vorwiegend Barbe und Nase. Vor allem die Nasen sind trotz Artenhilfsprogrammen vom Aussterben bedroht. Ab Landshut schränken Staustufen ihren natürlichen Lebensraum stark ein. In den zahlreichen Stauseen breiten sich Stillwasserarten wie Rotauge und Brachse aus. Die Wassertemperatur in den Seen ist höher als im Fluss, auch hier fehlt der Kiesnachschub. Die Folge: Fische, die im Kies laichen, und kälteliebende Arten verschwinden. Inzwischen ermöglichen immer mehr Fischaufstiegsleitern an Kraftwerken, dass Fische stromaufwärts wandern können. Umweltministerin Ulrike Scharf hat im April angekündigt, die Isar für alle Wassertiere vom Sylvensteinspeicher bis zur Mündung barrierefrei zu machen. Dafür nehme das Umweltministerium gemeinsam mit den Wasserkraftbetreibern mehr als 30 Millionen Euro in die Hand. Aber: Die Strömung abwärts führt die Fische immer noch direkt in die Turbinen der Kraftwerke.

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Paradies und Ballermann

Sommer an der Isar in München, 2015

Quelle: Stephan Rumpf

Elf Jahre lang wurde gebaut, damit die Isar in München wieder ein natürliches Gesicht bekommt (Foto: Florian Peljak). 2011 war es dann so weit. Zum ersten Mal seit mehr als hundert Jahren war der Fluss nicht mehr in ein kanalartiges Betonbett gezwängt. Seitdem können die Münchner die Isar wieder als Wildfluss erleben, und das mitten in der Millionenstadt. In die Renaturierung investierten der Freistaat und die Stadt München 35 Millionen Euro. Acht Kilometer lang - zwischen Großhesseloher Brücke und Deutschem Museum - fließt die Isar nun flach und breit dahin. Das Wechselspiel von Land und Wasser bringt auch wieder mehr Artenreichtum in die Stadt. Angeschwemmte Bäume dürfen liegen bleiben, unter ihren Ästen finden junge Fische Schutz. Mit jedem kleinen Hochwasser bilden sich Sand- und Kiesbänke neu. Genauso wie die Tiere haben sich auch die Städter den Fluss in kürzester Zeit zurückerobert. Sonnenanbeter, Partymacher und Grill-Liebhaber bevölkern das Freizeitgelände am Flaucher, das an heißen Tagen Tausende Münchner anzieht. Sie grillen teils an verbotenen Stellen und hinterlassen Abfallberge. Die Sommerbilanz des Jahres 2016: 150 Tonnen Müll an den Ufern, 240 000 Euro Kosten für die Beseitigung. Anwohner und Naturschützer beklagen "Ballermann-Verhältnisse", haben Petitionen gestartet, Anzeigen erstattet - mit wenig Erfolg.

Entgegen den Erwartungen stieg die Zahl der Polizeieinsätze in den Isarauen nicht unbedingt. Insgesamt hatte die Polizei im Sommer 2016 weniger Einsätze als im Jahr davor. Nur etwa 36 Mal rückte sie wegen Ruhestörung aus. Private Wachdienste meldeten nur 22 Verstöße wegen unerlaubten Grillens. Das heißt nicht, dass die Klagen der Anwohner aus der Luft gegriffen sind. Den Behörden fehlt aber bei Rauch- und Lärmbelästigung die Handhabe. Die Isarufer bleiben dem Partyvolk also vorerst erhalten.

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Sauberes Wasser

Isar Ist-Zustand

Quelle: OLIVER SOULAS

Die gute Nachricht: Wer in der Isar planscht, muss nicht mehr um seine Gesundheit bangen. Dafür sorgen seit einigen Jahren moderne Klärwerke, die mit ihren UV-Desinfektionsanlagen 99 Prozent der bedenklichen Keime abtöten. Laut Landesamt für Umwelt ist die Wasserqualität in der Isar durchgängig gut. Dennoch ist der Fluss kein offizielles Badegewässer, man badet also immer auf eigene Gefahr. Die schlechte Nachricht: An der unteren Isar, ab Landshut, wo sich das Wasser besonders oft staut (Foto: Oliver Soulas), ist es schlecht um den ökologischen Zustand bestellt. Weil in der Isar nur noch wenige Fische leben, bekommt der Fluss offiziell die Note "unbefriedigend".

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Kühlung für Isar 2

Kernkraftwerke Isar

Quelle: dpa

Was als Wolke aus dem Kühlturm des Atomkraftwerks Isar 2 in Ohu bei Landshut aufsteigt, ist kondensiertes Isar-Wasser. Zuvor wurde es aus dem Fluss abgezweigt, um den Turbinenkreislauf zu kühlen. Pro Sekunde verdampfen etwa 700 Liter, der Rest fließt zurück in die Isar. Im Kraftwerk (Foto: Weigel/dpa) erwärmt sich das Kühlwasser stark. Würde man es direkt in die Isar zurückleiten, brächte das den Sauerstoffhaushalt des Flusses aus dem Gleichgewicht. Für die Kernkraftbetreiber gelten deshalb strenge Vorschriften. Laut Umweltministerium wird das Isar-Wasser maximal nur um ein paar Zehntel Grad Celsius erwärmt. Im aktuellen Betrieb sogar deutlich unter 0,1 Grad Celsius.

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Der Auwald von Deggendorf

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Quelle: Wolfgang Willner

Knapp 300 Kilometer hat das Wasser vom Karwendelgebirge bis Deggendorf zurückgelegt. Im Mündungsgebiet, bevor die Isar in die Donau fließt, überrascht der Fluss noch einmal mit einem Naturschauspiel: Die Auenlandschaft zwischen Plattling und Deggendorf beherbergt etwa ein Drittel der außeralpinen Biotoptypen Bayerns. Hier leben geschützte Tierarten wie Blaukehlchen, Biber oder Pirol. Im Naturschutzgebiet wachsen zudem die größten zusammenhängenden Auwälder Bayerns (Foto: Wolfgang Willner). Weitere Auwaldreste gibt es an der Donau zwischen Ulm und Ingolstadt sowie an der mittleren Isar zwischen München und Landshut. Noch vor weniger als 200 Jahren waren die Auen wild und breit. Wie viele andere deutsche Flüsse ist auch die Isar heute eingedeicht, begradigt und mit Staustufen verbaut. Ackerland, Häuser und Straßen sind dicht an die Ufer herangerückt. Der Auwald gehört zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen Europas.

Dabei dienen Auwälder als natürlicher Hochwasserschutz. 2005 hat der Auwald zwischen München und Freising das Hochwasser spürbar verzögert. Die Überflutung von Auen belebt die Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Zwischen Freising und Moosburg wurden deshalb große Anstrengungen unternommen, um die Auwälder wieder zu renaturieren. Kleine Auwaldabschnitte gibt es an der Isar noch zwischen Bad Tölz und Schäftlarn, wo sich an Kiesbänke Weiden, Eichen und Ulmen anschließen.

© SZ.de/mkro
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