Süddeutsche Zeitung

Volksbegehren zum G9:Seehofer will den Schulfrieden herstellen

Die Freien Wähler reichen fast 27 000 Unterschriften für eine Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums ein. Bei der Gelegenheit sagt Ministerpräsident Seehofer zum ersten Mal offen, dass Thema nochmal neu diskutieren zu wollen.

Von Tina Baier und Frank Müller

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schaltet sich nun erstmals direkt in die Debatte um eine Abkehr vom reinen achtstufigen Gymnasium (G 8) ein. Das von den Freien Wählern mit der Abgabe von knapp 27 000 Unterschriften gestartete Volksbegehren sei seiner Ansicht nach zulässig, sagte Seehofer der Süddeutschen Zeitung. Nun gehe es darum, in Bayern "den Schulfrieden herzustellen".

Seehofer machte deutlich, dass er diesen derzeit nicht gegeben sieht. Im Freistaat gebe es eine Dauerdebatte, sagte er bezogen auf das vor zehn Jahren eingeführte G 8. Weil dies "immer noch ein Diskussionsthema ist", müsse sich die CSU damit beschäftigen.

Seehofer vermied es zwar, sich auf Details in der Debatte um G 8 und G 9 festzulegen. "So weit möchte ich nicht gehen." Er werde sich aber offen mit den angekündigten Reformvorschlägen des Philologenverbands beschäftigen, fügte der CSU-Chef hinzu. Dieser arbeitet gerade mit Hochdruck an einem G-9-Konzept. "Darüber werden wir reden", sagte Seehofer, auch mit Eltern und Schülern. Die CSU könne dann entweder "mit der Ist-Situation" werben. "Oder man stellt dem Volksbegehren eine Alternative gegenüber."

Seehofer gilt als Anhänger der zweiten Variante, in der Landtags-CSU warnen dagegen einflussreiche Kräfte vor einer Abkehr vom G 8. Der Bedarf dafür sei nicht zu erkennen, heißt es dort. Doch Seehofer sagte, er sehe kein Streitpotenzial. "Das wird ganz vernünftig mit der Partei und der Fraktion behandelt."

Fast 27 000 Unterschriften für das Volksbegehren

Zuvor hatten die Freien Wähler drei große Kartons mit Unterschriftenlisten für ihr Volksbegehren "Ja zur Wahlfreiheit zwischen G 9 und G 8 in Bayern" beim Innenministerium eingereicht. 26 953 Unterschriften, streng getrennt nach Gemeinden und von den Kommunen bestätigt, hat die Partei innerhalb von zehn Monaten gesammelt.

Damit hat das G8/G9-Volksbegehren die Hürde von mindestens 25 000 Unterschriften sogar einen Monat früher übersprungen als das ebenfalls von den Freien Wählern initiierte und am Ende erfolgreiche Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren. "Es war eine immense Arbeit", sagte Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, bei der Übergabe. "Wir haben beim Sammeln alle kalte Füße bekommen. Und jetzt bekommt wohl die Staatsregierung kalte Füße."

Innenministerium prüft

Schon im Juni oder im Juli dürfte die zweiwöchige Eintragungsfrist beginnen. "Auf jeden Fall noch vor der Sommerpause", sagte Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler und Initiator des Volksbegehrens. Wenn sich dann mindestens zehn Prozent - etwa 900 000 - der stimmberechtigten Bürger eintragen, muss es entweder vom Landtag angenommen oder dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden. Bis zum 11. April hat das Innenministerium jetzt Zeit, das Volksbegehren zu prüfen. Eine Ablehnung, etwa weil es in den Haushalt eingreife, gilt als unwahrscheinlich. Die Eintragungsfrist muss dann frühestens acht und spätestens zwölf Wochen später beginnen.

"Ich glaube aber, dass Seehofer es gar nicht so weit kommen lassen wird", sagte Aiwanger. Auch er geht davon aus, dass der Ministerpräsident ein eigenes G-9-Konzept noch vor der zweiwöchigen Unterschriftensammlung vorstellt. Auch das Kultusministerium scheint sich darauf einzustellen. "Ministerpräsident Horst Seehofer und Bildungsminister Dr. Ludwig Spaenle hatten bereits mehrfach angekündigt, dass sie den qualitätsorientierten Vorschlag des Bayerischen Philologenverbandes prüfen werden", heißt es explizit in einer Pressemitteilung.

Kinder sollen wieder mehr Freizeit haben

"Wenn der Vorschlag der Philologen wirklich besser ist, dann sind wir verhandlungsbereit", sagte Aiwanger. Es müsse aber schon einer sein, "der sich gewaschen hat". Keine Kompromisse will Aiwanger an einem Punkt machen: "Die Kinder sollen in einem neuen G 9 wieder mehr Freizeit haben." Seehofer selbst machte deutlich, dass er Aiwangers Konzept der Wahlfreiheit für die Schulen "sehr skeptisch" sieht.

Unterdessen sprach sich der Chef der Landtags-SPD, Markus Rinderspacher, für einen parteiübergreifenden Neustart der Debatte aus. "Da bringt es doch nichts, sich in Schützengräben zu verschanzen." Auch das sieht Seehofer skeptisch: "Die SPD in Bayern redet immer gern von Konsens, praktiziert aber jede Woche das Gegenteil."

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SZ vom 01.03.2014/infu
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