Volksbegehren "Mietenstopp":"Die Hütte brennt"

52 000 Unterschriften für Volksbegehren ´Mietenstopp"

Drei der neun Richter waren anderer Meinung als die Mehrheit ihrer Kollegen.

(Foto: Jennifer Weese/dpa)
  • In einem ersten Schritt haben die Initiatoren für ein Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp" rund 50 000 Unterschriften gesammelt.
  • Ihr Anliegen: Sechs Jahre lang sollen Altmieten eingefroren und Mieter vor Erhöhungen geschützt werden.
  • Neben dem Mieterbund unterstützen SPD, Grüne und ÖDP das Begehren, ebenso Sozialverbände und Gewerkschaften.

Von Maximilian Gerl

"Ich hatte mir gewünscht, dass es eine anschauliche Zahl wird", sagt Beatrix Zurek. Eine solche Zahl hat die Landesvorsitzende des Mieterbunds bekommen, rund 50 000 Unterschriften hat das von ihrem Verband mitinitiierte Volksbegehren "Sechs Jahre Mietenstopp" gesammelt. Phase Eins ist damit abgeschlossen. Phase Zwei soll bald folgen: Diejenigen zum Unterschreiben zu bewegen, die das beim ersten Mal noch nicht gemacht haben. "Man muss erklären, dass das Leid der einen nicht an der Stadtgrenze der anderen haltmacht", sagt Zurek. Damit steht allen Unterstützern des Volksbegehrens der vielleicht schwierigste Teil noch bevor.

Für sechs Jahre sollen Altmieten eingefroren und Mieter vor Erhöhungen geschützt werden, so lautet ihr Vorschlag. 25 000 Unterschriften waren dazu im ersten Schritt mindestens nötig. In den vergangenen Tagen erhielten die Behörden die Listen zur Überprüfung. Die meiste Arbeit dürfte das Münchner Kreisverwaltungsreferat haben, auf Fotos sind sieben vollgepackte Kisten zu sehen. Nicht zu sehen ist das Fragezeichen, das über allem schwebt: Interessiert das Volksbegehren die Bayern genug, damit es auch für die nächsten Hürden reicht?

Gemessen an den reinen Zahlen wirkten zuletzt andere Volksbegehren erfolgreicher. Zum Beispiel wollten mehr als 100 000 Menschen die Bienen retten. Ähnlich viele waren es beim später vom Verfassungsgerichtshof kassierten Begehren gegen den Pflegenotstand. So gesehen wäre der Mietenstopp doppelt so erfolgreich wie notwendig - und trotzdem halb so durchschlagend wie andere Themen. Die Initiatoren widersprechen. Man habe nur knapp drei Monate lang gesammelt und damit halb so lang wie das Bienen-Begehren, sagt Zurek. "Im Grunde sind wir auf Augenhöhe." Viele Stimmen seien im Privaten geworben worden, etwa bei Stammtischen. "Wenn man sieht, wie beschwerlich das ist, bin ich mit dem Erreichten sehr zufrieden." Außerdem habe man nicht länger warten und die Sache vorantreiben wollen.

Neben dem Mieterbund unterstützen SPD, Grüne und ÖDP das Begehren, ebenso Sozialverbände und Gewerkschaften. Ein breites Bündnis, das viele Menschen erreichen kann. Für das Mobilisierungspotenzial spricht auch, dass Wohnen alle angeht. 70 000 Wohnungen will die Staatsregierung jährlich bauen, 2018 reichte es nur für knapp 61 000. Gleichzeitig steigen die Miet- und Kaufpreise. Laut dem Immobilienportal Immowelt liegt die mittlere Angebotsmiete auch in Würzburg, Erlangen, Regensburg und Ingolstadt inzwischen über zehn Euro pro Quadratmeter.

Gegen das Mobilisierungspotenzial spricht das Ergebnis der Landtagswahl 2017. Bei der stand Wohnen ganz oben auf der Agenda der SPD. Es folgte ein historischer Absturz. Ein Zeichen, dass das Thema bei den Menschen nicht verfängt? Parteichefin Natascha Kohnen verneint. Vor der Wahl habe sich auch medial viel auf das Thema Migration konzentriert. Umfragen zeigten aber, dass das Thema Wohnen immer wichtiger werde. "Die Hütte brennt", sagt Kohnen. Hinter vorgehaltener Hand verweisen andere in der Partei auch darauf, dass die Landtagswahl nur bedingt als Gradmesser für das Thema tauge - und die SPD selbst das Problem gewesen sei.

Mit Bienen kann jeder etwas anfangen. Begriffe aus der Immobilienwirtschaft sind da sperriger. Im Gegensatz zu vielen anderen Begehren zielt der Mietenstopp zudem auf eine recht spitze Gruppe. Bundesweit liegt die Eigentümerquote bei 50 Prozent. Im ländlichen Raum leben deutlich mehr Menschen im eigenen Haus, während in Städten bis zu 80 Prozent zur Miete wohnen. Entsprechend "emotionslos" verfolgt der Bayerische Gemeindetag das Volksbegehren. Die Diskussion um Miethöhen konzentriere sich eher auf Großstädte, sagt ein Sprecher. "Wer wirklich Abhilfe schaffen will, muss für mehr Wohnungsneubau sorgen", heißt es dazu vom Verband der Wohnungswirtschaft. "Regulatorische Eingriffe bringen uns nicht weiter." Gegen Ursachenbekämpfung hätten auch die Initiatoren des Volksbegehrens nichts. Aus ihrer Sicht soll der Mietenstopp vor allem dem Bund Zeit verschaffen, um mit neuen Initiativen eine dauerhafte Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu erreichen.

Sollten die bisher gesammelten Unterschriften reichen und dem Begehren stattgegeben werden, könnte es im Frühsommer in die zweite Runde starten. Nötig wären dann mindestens zehn Prozent der Wahlbevölkerung, die in die Rathäuser gehen und dort unterschreiben. Zurek ist optimistisch. "Die Dinge verweben sich ja immer mehr", sagt sie und meint Stadt und Land. Auch Kohnen widerspricht dem Eindruck, es handle sich nur um ein Großstadtthema: Jeder könne nachvollziehen, was Wohnungsnot bedeute.

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