Volksbegehren gegen Studiengebühren:"Ein Wahnsinn, dieser Endspurt"

Volksbegehren gegen Studiengebühren, München

Volksbegehren gegen Studiengebühren: Am letzten Tag wollten sich im Münchner Rathaus noch viele Münchner eintragen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Volksbegehren gegen Studiengebühren in Bayern hat die Zehn-Prozent-Hürde doch noch genommen: Noch vor Ende der Eintragungszeit meldeten die großen Städte alle Ergebnisse von mehr als zehn Prozent. Während sich Politiker der Opposition darüber freuen, ist die Stimmung bei der Koalition verhalten.

Von Martina Scherf

Das Volksbegehren gegen Studiengebühren ist am Mittwoch erfolgreich zu Ende gegangen. Zwar wird das amtliche Ergebnis erst Mitte Februar vorliegen, doch schon am Vormittag des letzten Eintragungstages zeichnete sich ab, dass alle größeren Städte in Bayern die Zehn-Prozent-Hürde locker genommen hatten. Zahlreiche Landkreise, vor allem in Nordbayern, hatten dies schon zu Wochenbeginn verkündet. Spitzenreiter war die Studentenstadt Erlangen: Dort hatten sich bis zum gestrigen Nachmittag mehr als 20 Prozent der Stimmberechtigten gegen Studiengebühren ausgesprochen.

Michael Piazolo, hochschulpolitischer Sprecher der Freien Wähler (FW) stand in den letzten Stunden der Abstimmungsfrist selbst noch einmal vor dem Münchner Rathaus und staunte über die Menschenschlange, die sich in Schleifen über den Marienplatz wand: "Es ist ein schönes Gefühl, zu sehen, dass die Menschen bereit sind, ihr Recht auf direkte Demokratie wahrzunehmen."

Dennoch hatten die 95 Aktionsbündnisse, die sich im ganzen Land aus Vertretern der Freien Wähler, von SPD, Grünen, ÖDP, Piratenpartei, Gewerkschaften, Kirchen, Jugend- und Rentnerverbänden gegründet hatten, noch bis zur Schließung der Abstimmungslokale um jede Stimme gekämpft.

"Wir sehen diese Abstimmung als Votum für ein sozialeres Bildungssystem, da zählt jeder Prozentpunkt", sagte Stefan Erhardt von der Studentenvertretung in Erlangen, der mit seinen Mitkämpfern wie jeden Tag in den vergangenen zwei Wochen am Infostand vor dem Rathaus stand. "Der Dauereinsatz trotz Kälte und Schnee hat sich gelohnt", sagte er. "Jetzt brauchen wir zügig Gewissheit, ob es die Staatsregierung auf einen Volksentscheid ankommen lässt, oder ob das nicht mehr nötig ist".

Die Studenten würden sich nun darum bemühen, dass beim Wegfall der Studiengebühren volle Kompensation aus dem Haushalt garantiert werde, "und zwar angepasst an die steigenden Studentenzahlen", sagte Erhardt, der auch einer der Sprecher der Landesvertretung der Studenten ist. Ebenso wie es in Baden-Württemberg gelungen sei, werde man auch in Bayern darauf drängen, dass Studenten weiterhin bei der Vergabe der zusätzlichen Haushaltgelder mitbestimmen dürften. "Schließlich weiß keiner so gut wie wir, wo das Geld in der Lehre fehlt." War das Volksbegehren zunächst sehr schleppend angelaufen, so drängten die Menschen in den beiden letzten Tagen plötzlich in die Rathäuser. "Ein Wahnsinn, dieser Endspurt", bemerkte Christian Ude, der ein Foto von seinem Amtszimmer aus dem Münchner Rathaus über Facebook verbreitete.

Zum Schluss der große Zulauf

Dies war allerdings auch schon bei früheren Volksbegehren so: Beim Antrag zum Nichtraucherschutz hatten sich bis zur Halbzeit gerade einmal 4,4 Prozent der Münchner Stimmberechtigten eingetragen, erst zum Schluss kam es zum großen Zulauf. Auf diesen Spätzünder-Effekt hatten die Bündnispartner des Volksbegehrens gesetzt - und doch bis zuletzt gebangt, ob genügend Menschen in Bayern ihr Anliegen für so wichtig halten, dass sie unterschreiben.

Bis Redaktionsschluss meldete die Landeshauptstadt 11 Prozent, Erlangen 21, Nürnberg 14, Würzburg 18, Augsburg 12. Dass München im Ergebnis hinterherhinkte, erklären sich die Bündnispartner mit einem Wohlstandsgefälle: "In Grünwald war der Zuspruch sehr gering", stellte Piazolo fest. Im Münchner Norden und Osten, den weniger wohlhabenden Stadtteilen, lagen die Zahlen um ein Vielfaches höher. Ähnliches gilt für ganz Bayern: Nordbayern hatte schon zur Halbzeit vielerorts die zehn Prozent erreicht und liegt landesweit vorne. Oberbayern und Schwaben waren weniger erfolgreich. Überall hatten sich auffällig viele ältere Menschen für eine Abschaffung der Studiengebühren eingetragen, offenbar geschickt von ihren Enkeln, so lautet die Einschätzung von Beobachtern in den Rathäusern.

In einer ersten Reaktion sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): "Dass die Unterschriften zusammenkommen, habe ich immer prognostiziert." Er hatte sich für die Abschaffung der Studiengebühren ausgesprochen, nachdem der Verfassungsgerichtshof das Volksbegehren für zulässig erklärt hatte. Hingegen hatte Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) wohl bis zuletzt gehofft, das Volksbegehren könnte am nötigen Zulauf der Studenten scheitern. In einer ersten Reaktion sagte er gestern, jetzt müsse man einen Volksentscheid abwarten.

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