Süddeutsche Zeitung

Volksbegehren G 9:Der Schulstreit im Finale

Die Unterschriften für das Volksbegehren zu G 9 werden während der Fußball-WM gesammelt. Die Freien Wähler grübeln, ob das dem Votum schadet oder nützt. Und der Druck auf die Politik nimmt zu, von sich aus eine Schulreform auf die Beine zu stellen.

Von Frank Müller

Anfang Juli werden die Bayern nicht nur auf die Finalrunde der Fußball-WM in Brasilien blicken. Sondern auch auf die Zwischenrunde in einem anderen hitzigen Kampf: In den zwei ersten Juliwochen können die Wahlberechtigten beim Volksbegehren klarmachen, ob sie für ein Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten sind. Das Innenministerium erklärte die Initiative der Freien Wähler (FW) zur Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 in den Gymnasien nicht nur für rechtlich zulässig. Sondern legte am Mittwoch gleich noch die Eintragungsfrist auf die Zeit vom 3. bis 16. Juli fest. Und FW-Organisator Michael Piazolo grübelt schon, ob Fußballstimmung und beginnendes Feriengefühl seiner Kampagne eher schadet oder nützt.

Der Druck auf die Staatsregierung, von sich aus eine Schulreform zuwege zu bringen, verstärkt sich nun in jedem Fall noch einmal erheblich. Aber auch die Freien Wähler als Initiatoren kommen ins Schwitzen: Praktisch alle anderen politischen Kräfte legen ihnen nahe, auf ihr Volksbegehren zu verzichten. Dieses wäre erfolgreich, wenn sich in den zwei Juliwochen zehn Prozent der Wahlberechtigten - etwa eine Million Bayern - in den Rathäusern dafür eintragen. Darauf käme es im Herbst zum Volksentscheid. Außer, der Landtag nimmt das Gesetz von sich aus an.

Diese Variante gilt mittlerweile aber als völlig ausgeschlossen. Alle Landtagsfraktionen haben sich durch die Initiative der Freien zwar spürbar bewegt, lehnen aber die vorgeschlagene Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium vehement ab. "Dieses Volksbegehren ist der Totengräber der kleinen Landgymnasien", sagt Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Denn diese könnten die Wahlmöglichkeit schlicht nicht leisten. Ganz ähnlich formuliert es SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Kein einziger Verband und keine Partei unterstützten diese Position: "Jetzt rächt sich der Alleingang von Hubert Aiwanger und seinen Freien Wählern." Sie sollten sich "aus der Isolation herausbegeben", sagt Rinderspacher - eine kaum verklausulierte Aufforderung, das Volksbegehren zu stoppen. Auch Spaenle stänkert gegen das "handwerklich denkbar schlechte" Konzept.

CSU soll klares Signal geben

Dieses zurückzuziehen wäre noch möglich (im Gegensatz zu Änderungen am vorgeschlagenen Gesetzestext). Aber FW-Generalsekretär Piazolo dreht den Spieß um. Wenn die CSU den Zug noch stoppen wolle, "muss dafür einiges geleistet werden", fordert Piazolo. Dann müsse die CSU den Freien Wählern noch vor den Osterferien ein klares und verbindliches Signal geben, dass sie selbst reformbereit sei. "Dann muss man jetzt auch in die Pötte kommen."

Bei der CSU ist die Gymnasialpolitik durchaus in Bewegung - aber bislang in keine ganz klare Richtung. Intern gilt Ministerpräsident Horst Seehofer zwar als Befürworter einer wieder auf neun Jahre gestreckten Gymnasialzeit. Er betont aber stets, es handele sich um einen "offenen Diskussionsprozess".

In der Landtags-CSU wurde dagegen auch am Mittwoch deutlich, dass starke Kräfte eher an acht Jahren festhalten wollen. So klar, wie bisher noch nicht, positionierte sich Minister Spaenle selbst: "Ich will einen Lehrplan, der auf acht Jahre angelegt ist", sagte er der SZ. Eine Ausweitung des Stoffs werde es nicht geben. Wie das künftige Gymnasium aber genau aufgebaut sein solle, werde nun in einer offenen Debatte mit Verbändern, Eltern, Schülern und auch Wissenschaftlern geklärt. Diese Diskussion, so Spaenle, werde auch geführt, wenn das Volksbegehren mangels genügender Unterschriften scheitert.

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SZ vom 03.04.2014/ahem
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