Volksbegehren Artenvielfalt:CSU startet Charmeoffensive für Bauern

Putzbrunn, Gaststätte RothmeyerâÄÖs âÄžZur EinkehrâÄœ, Putzbrunner Fischessen des CSU-Ortsverbands, Michaela Kaniber,

Michaela Kaniber will jetzt die "Faktenlage erklären".

(Foto: Angelika Bardehle)
  • Bei acht Regionalkonferenzen trifft sich Agrarministerin Michaela Kaniber mit den bayerischen Bauern.
  • Diese sind verärgert, dass Ministerpräsident Söder die Forderungen aus dem Artenschutz-Volksbegehren übernommen hat, die sie kritisieren.
  • "Wir wollen mit aller Kraft die bäuerlichen Familienbetriebe in eine gute Zukunft führen, in der ihre gesellschaftlichen Leistungen auch anerkannt und honoriert werden", sagt Kaniber.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl

Wenn Michaela Kaniber an diesem Montag in der Kulmbacher Stadthalle ans Mikrofon tritt, dürfte sie es ein bisschen schwerer haben als ein CSU-Kollege, der hier einen legendären Empfang bekam. Vor knapp zwei Jahren setzte der ehemalige CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg im Bundestagswahlkampf in Kulmbach zu seiner Comeback-Tour an. Guttenberg wohnt gleich um die Ecke, die Zuhörer jubelten ihm zu wie einem Popstar. Dass sich sein Rückkehrversuch im Nichts verlor, hat seinen alten Rivalen Markus Söder wohl nicht weiter gestört. Nun ist Söder Ministerpräsident und CSU-Chef - und hofft, dass Kanibers Tour erfolgreicher endet als die von Guttenberg. Denn davon hängt für die CSU ab, ob sie ein einst treues Stammpublikum wieder für sich gewinnen kann: die Landwirte.

In acht Regionalkonferenzen wendet sich die Agrarministerin persönlich an die Bauern im Land, im oberfränkischen Kulmbach geht es los. In jedem Regierungsbezirk will Kaniber erklären, was es mit dem "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" auf sich hat. Noch mehr will sie herausstellen, welche Zusatzleistungen die Staatsregierung in einem Begleitgesetz für die Landwirte auf den Weg bringen will. Kanibers größte Stärke sei ihr Auftreten im direkten Gespräch, sagen Parteifreunde. Kaum jemand in der CSU könne Menschen besser für sich einnehmen. Diese Nahkampfqualitäten wird die Ministerin brauchen. Frust und Zorn unter den Landwirten haben sich aufgestaut wie ein Speichersee nach der Schneeschmelze.

Die Bauern sind tief verärgert, dass Söder nicht nur das Volksbegehren eins zu eins übernommen hat, sondern auch alle Forderungen darin, die sie heftig kritisieren. Ein Beispiel dafür sind die Streuobstwiesen, die nun als Biotope unter gesetzlichen Schutz gestellt werden sollen. Die Bauern lehnen das weiter kategorisch ab. Vor allem die in der fränkischen Schweiz, wo es die meisten Streuobstwiesen gibt. Aus Wut darüber, dass Söder diese Forderung des Volksbegehrens dennoch übernommen hat, haben etliche bereits zahlreiche Obstbäume gefällt. Auch das Walzverbot auf Wiesen nach dem 15. März treibt die Bauern weiter um, obwohl Söders Leute an einer Ausnahmeregelung arbeiten.

Das ist aber nur die eine Seite des Frusts der Bauern. Die andere ist, dass Söders Begleitgesetz in einigen Punkten über die Forderungen des Volksbegehrens hinausgeht. So soll laut dem Gesetz auf 15 Prozent des Agrarlands ein Biotopverbund geschaffen werden. Im Volksbegehren ist nur von 13 Prozent die Rede. Allein durch diese zwei Prozentpunkte Unterschied gingen 80 000 Hektar Agrarland verloren, rechnen die Landwirte vor. Das entspreche der Fläche von mehr als 2300 Bauernhöfen. Auch die Ankündigung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2028 zu halbieren, bringt viele in Rage. Im Volksbegehren war davon überhaupt nicht die Rede.

Söder und die CSU wiederum wähnten sich nach dem runden Tisch auf einem guten Weg. Unter Leitung des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück hatten die Initiatoren des Volksbegehrens und Walter Heidl, der Präsident des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Kompromisse gefunden, mit denen scheinbar alle leben konnten. Die größten Hindernisse galten als überwunden, ehe die Stimmung Anfang Mai schlagartig kippte. Auf der BBV-Frühjahrstagung in Herrsching wurde noch einmal ausführlich über das Volksbegehren gesprochen. Nicht aber über Söders sogenanntes Versöhnungsgesetz. Und auch nicht darüber, dass der Freistaat die Bauern mit bis zu 75 Millionen Euro im Jahr zusätzlich unterstützen will. Davon bekamen die 180 BBV-Funktionäre in Herrsching kaum etwas mit. So trugen sie ihren Ärger in alle Winkel des Freistaats. "Bauern schwer enttäuscht", heißt es auf der BBV-Homepage zur Frühjahrstagung.

Das Band, das Bauern und CSU verbindet, ist ohnehin schon länger nicht mehr so stark wie einst. Seit dem Volksbegehren jedoch fühlen sich die Landwirte an den Pranger gestellt und von ihrem politischen Anwalt nicht mehr geschützt. Auch umgekehrt gibt es Anzeichen der Entfremdung. Mancher CSU-Politiker fragt sich, warum man eine teils veränderungsunwillige Klientel noch derart hofieren solle. Ist es am Ende nur eine kühle Abwägungsfrage?

Etwa zwei Prozent der Bevölkerung entstammen der Landwirtschaft, rechnen CSU-Strategen vor. Die Wahlschlachten von heute würden in den Städten geschlagen. Also dort, wo das Volksbegehren besonders gut ankam. Die CSU kann und will es sich nicht leisten, den Zeitgeist zu ignorieren. Die Bauern will sie mit dem kostspieligen Begleitgesetz entschädigen. Genau das sei Aufgabe einer Volkspartei, argumentieren CSU-Leute: für alle Gruppen ein wärmendes Plätzchen zu finden.

"Wir wollen mit aller Kraft die bäuerlichen Familienbetriebe in eine gute Zukunft führen"

Anführerin der Charmeoffensive ist Michaela Kaniber. Kürzlich hat sie einen Brief an alle Landwirte verschickt. Darin steht: "Wir wollen mit aller Kraft die bäuerlichen Familienbetriebe in eine gute Zukunft führen, in der ihre gesellschaftlichen Leistungen auch anerkannt und honoriert werden." Kaniber schreibt aber auch, dass sie den Kurs der Staatsregierung "mit voller Überzeugung" mittrage, obwohl sie dem Volksbegehren zunächst einen eigenen Entwurf entgegenstellen wollte. Es sei gelungen, im Begleitgesetz "viele unbeabsichtigte Härten zu vermeiden und gangbare Wege für die Praxis aufzuzeigen".

In Kulmbach will die Ministerin "erst einmal die Faktenlage erklären und Transparenz schaffen". Es gehe darum, Bedenken und Sorgen auszuräumen. Sie arbeite im Sinne der Bauern, betont Kaniber, "dabei müssen wir aber auch die Zeichen der Zeit erkennen". Im Klartext heißt das: Wer nicht bereit ist, die Chance zur Veränderung anzunehmen, dem werde eines Tages auch sie nicht mehr helfen können.

Damit steht Kaniber klar hinter der Linie von Ministerpräsident Söder, der seinen Kurs in der CSU-Landtagsfraktion brachial durchgesetzt hat. Nur eine Stunde ließ Söder in der Fraktion debattieren, dann verkündete er, dass er das Volksbegehren annehmen werde - garniert mit einem "Versöhnungsgesetz". Als die Fraktion einen Monat später darüber abstimmte, votierte eine Handvoll Mitglieder dagegen. Einer von ihnen war Martin Schöffel, Abgeordneter für Kulmbach.

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