Volksbegehren Artenvielfalt:"Wir wollen gesellschaftlichen Frieden schaffen"

Ministerpräsident Markus Söder will als Reaktion auf den großen Zuspruch zum Volksbegehrens eine Konsensrunde einrichten.

Ministerpräsident Markus Söder will als Reaktion auf den großen Zuspruch zum Volksbegehrens eine Konsensrunde einrichten.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Das Volksbegehren für mehr Artenschutz hat schon knapp eine Woche vor Frist fast drei Viertel der nötigen Unterschriften gesammelt.
  • Ministerpräsident Söder wollte eigentlich das Ergebnis abwarten, wegen des großen Zuspruchs hat er sich nun schon früher geäußert.
  • Söder hat einen runden Tisch und ein weitreichendes Gesetz angekündigt. Die Grünen kritisieren: Das Volksbegehren lasse sich nicht einfach wegmoderieren.

Von Wolfgang Wittl

Der große Erfolg des Volksbegehrens für Artenvielfalt lässt die bayerische Staatsregierung umdenken. Mit einem runden Tisch und einem weitreichenden Gesetz für mehr Natur- und Artenschutz will Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine einvernehmliche Lösung herbeiführen.

"Es ist unser Ziel, einen gemeinsamen Entwurf hinzulegen", sagte Söder am Donnerstag der Süddeutschen Zeitung. Darin sollen sich die Unterstützer wie auch die Kritiker des Volksbegehrens wiederfinden. "Wir wollen gesellschaftlichen Frieden schaffen", sagte Söder. Auch der Flächenverbrauch ließe sich seiner Ansicht nach in so einem Gesetz regeln: "Das könnte ein epochaler Schritt sein."

Dass sich der Ministerpräsident an die Spitze der Debatte setzt, kommt zum jetzigen Zeitpunkt überraschend. Vor dem Start des Volksbegehrens hatte Söder angekündigt, aus Respekt vor dem demokratischen Verfahren abwarten zu wollen. Nun reagiert er bereits zur Halbzeit des bis zum 13. Februar laufenden Begehrens. Das dürfte auch dem enormen Zuspruch geschuldet sein. Nach Schätzungen der Initiatoren haben bis zum Donnerstagabend bereits 700 000 Bürger unter dem Motto "Rettet die Bienen" unterschrieben. Selbst in der Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern bestehen keine Zweifel mehr, dass die noch fehlenden 250 000 Unterschriften zusammenkommen.

Die außergewöhnlich hohe Resonanz hat in der Staatskanzlei Eindruck gemacht. Söder begründet seinen Strategiewechsel auch mit dem großen Rückhalt für den Artenschutz in der Bevölkerung. "Das Thema liegt mir persönlich und auch der CSU am Herzen", sagte Söder. Die Parlamentsdebatte am Dienstag im Landtag habe ihn darin bestärkt, schon jetzt aktiv zu werden. "Nach alten Schablonen" hätten die Parteien diskutiert. "Wir müssen raus aus den Schützengräben", fordert Söder.

Der Druck aus der Bevölkerung dürfte dem CSU-Chef in die Karten spielen. Er hatte nach den zweistelligen Verlusten bei der Landtagswahl erklärt, seine Partei müsse offener und grüner werden. Nicht alle teilten diese Einschätzung, vor allem in der Landtagsfraktion herrscht Skepsis gegen eine allzu umweltfreundliche Politik. Den Zweiflern bleibt nun aber gar nichts anderes übrig, als Söders Kurs zu folgen.

Auch in der CSU finden sich Befürworter

Das gleiche gilt für den Koalitionspartner Freie Wähler. Zudem bietet sich Söder die Gelegenheit, an seinem Bild als ausgleichender Landesvater zu arbeiten. Im Flüchtlingsstreit war er lange als Scharfmacher wahrgenommen worden, ehe er eine abrupte Kehrtwende hingelegt hatte. Dieses negative Image möchte er hinter sich lassen.

In das Volksbegehren haben sich auch etliche CSU-Mitglieder eingetragen. Viele sind der Meinung, die Zeit sei reif für besseren Naturschutz - auch wenn sie nicht allen Details des Volksbegehrens zustimmen. Die Bedenken vor allem aus der Landwirtschaft will Söder aufgreifen. 90 Prozent des Volksbegehrens halte er für gut, zehn Prozent für schwierig. Sein Motto laute: Das Gute im Entwurf behalten, Schwächen beheben und die Landwirtschaft weiter fördern. "Wir wollen den Versuch unternehmen, eine parteiübergreifende Lösung zu finden", sagt Söder: "Wir wollen aber auch niemanden vereinnahmen."

Agrarministerin Kaniber stellt sich gegen das Volksbegehren

Zu dem runden Tisch will Söder unabhängig vom Ausgang des Volksbegehrens alle beteiligten Gruppen einladen: Naturschutzverbände, Verbraucher, Fischer, Jäger, Landschaftspfleger und den Bauernverband. Gerade Landwirte äußern Kritik am Volksbegehren, viele fühlen sich an den Pranger gestellt. Sie halten etwa geforderte Mindestflächen für ökologischen Anbau und strikte Vorgaben beim Mähen von Wiesen für existenzbedrohend.

Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) warnt, man dürfe die Landwirte nicht zu "Alleinschuldigen" stempeln. Ziel müsse es sein, Bienen und Bauern zu retten, sagt Söder. "Punkt für Punkt" wolle er das Volksbegehren mit allen durchgehen. Natur- und Artenschutz sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, jeder müsse sich fragen, was er beitragen könne - von den Kommunen mit der Nutzung der Straßenränder bis zum einzelnen Bürger mit Garten.

Bis zum Frühsommer will Söder im Konsens einen "unideologischen Gesetzentwurf" erarbeiten. Sollte das Volksbegehren durchgehen, kann der Landtag es in seiner jetzigen Form umsetzen. Sollte er es ablehnen, stimmt die Bevölkerung in einem Volksentscheid ab - dann vielleicht auch über einen neuen Gesetzentwurf, wie Söder ihn anstrebt. Vielen Unterstützern des Volksbegehrens gehe es um eine gute Sache, nicht um Streit, sagt Söder. Den Wunsch nach einem sorgsameren Umgang mit der Natur werde die Staatsregierung aufgreifen. Der Umweltschutz in Bayern werde eine neue Bedeutung bekommen.

Ludwig Hartmann, Chef der Grünen im Landtag, nimmt Söders Initiative reserviert zur Kenntnis. Das Volksbegehren lasse sich "nicht an einem runden Tisch wegmoderieren". Die Staatsregierung müsse vielmehr die geforderten Maßnahmen auf den Weg bringen, "statt weiter in wirkungslosen Konsensrunden an Freiwilligkeit zu appellieren". Hartmann fordert die Menschen auf, sich weiter in die Listen einzutragen. Nur durch Druck werde die Regierung zum Handeln gezwungen. "Diese historische Chance darf nicht knapp scheitern", sagt die stellvertretende ÖDP-Landesvorsitzende Agnes Becker.

Auch beim Landesbund für Vogelschutz konzentriert man sich trotz Söders Vorschlägen weiter darauf, das Volksbegehren zu einem großen Erfolg zu führen - "damit Worten tatsächlich auch Taten folgen", wie der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer sagt. Das Volksbegehren verstehe sich "explizit als Partner der Landwirte", teilen die Initiatoren mit. Seit 2010 hätten in Bayern mehr als 13 000 Landwirtschaftsbetriebe aufgeben müssen, sagt Richard Mergner, der Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern. "Wir haben nach wie vor ein massives Arten- und Höfesterben." Diese Entwicklung gelte es zu stoppen.

Der Bauernverband und die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft kritisierten in einer gemeinsamen Pressemitteilung das Volksbegehren. Der Schutz der biologischen Vielfalt müsse über vernünftige Anreize erreicht werden, nicht über Verbote. Nicht vorgeschriebene Quoten würden den Verkauf von Bio-Produkten erhöhen, sondern ein anderes Verhalten der Verbraucher. Das klingt ganz so, als gebe es an einem runden Tisch noch viel zu bereden.

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