Süddeutsche Zeitung

Volksbegehren Artenvielfalt:Der Mann, dem Bienenschützer und Bauern vertrauen

Alois Glück ist einer der größten Söder-Skeptiker in der CSU. Genau deshalb soll er jetzt als Mittelsmann den Konflikt lösen, der in Bayern zum Volksbegehren Artenvielfalt geführt hat.

Von Wolfgang Wittl

Alois Glück hätte gewarnt sein können. Immer wieder hat Markus Söder bei CSU-Versammlungen in letzter Zeit beiläufig erwähnt, dass er mit Glück in Kontakt stehe. Wenn man weiß, dass bei Söder rein gar nichts beiläufig geschieht, sondern alles einem strengen Plan folgt, kam die Entscheidung also nicht überraschend. Ausgerechnet Alois Glück, einer der größten Söder-Skeptiker in der CSU, soll auf dessen Bitte hin die kniffligste Aufgabe lösen, die sich in Bayern gerade stellt. Er soll Gegner und Freunde des Volksbegehrens Artenvielfalt zusammenführen.

Von diesem Mittwoch an wird Glück, 79, die Treffen moderieren, Vorgespräche laufen bereits. Selbst Umweltschützer halten die Wahl des CSU-Mannes für exzellent. Glück wuchs auf einem oberbayerischen Bauernhof auf. Er war vier, als sein Vater im Zweiten Weltkrieg fiel, mit 17 Jahren übernahm er den Hof. Er ist aber nicht nur gelernter Landwirt, er ist auch einer der klügsten Denker seiner Partei. Bereits als junger Landtagsabgeordneter leitete Glück zwölf Jahre lang den Umweltausschuss, kein anderer Christsozialer steht glaubhafter für den Ausgleich zwischen Natur und Landwirtschaft.

Als ehrlichem Makler soll Glück gelingen, was der Ministerpräsident sich offenbar selbst nicht zutraut. Er soll Frieden herstellen in einer aufgeheizten Stimmung. Fast jeder fünfte wahlberechtigte Bayer hat das Volksbegehren unterschrieben, ein einzigartiger Erfolg. Auf der anderen Seite stehen Tausende Landwirte, die sich zu Unrecht angeklagt fühlen. Glück muss nun zum bayerischen Heiner Geißler werden - dem Schlichter im nicht weniger emotionalen Konflikt um den umstrittenen Bahnhof Stuttgart 21.

Seine Autorität bezieht Glück aus der Distanz zu Söder. Schon als Chef der CSU-Landtagsfraktion beäugte Glück den jungen Söder Mitte der Neunziger kritisch. Zu viel Show, zu viel Vorwärtsstreben warf er dem JU-Chef vor. Daran hat sich lange nichts geändert. Die Rollen in der CSU waren damals klar definiert: Edmund Stoiber war die Machtmaschine, effizienter Manager des Staatsapparats. Glück führte die selbstbewusste Fraktion und lieferte den geistigen Überbau. Er sah seine CSU-Abgeordneten gerne dort, wo sie heute viel zu selten zu finden sind: im vorpolitischen Raum bei Sozialverbänden, Kirchen, Umweltgruppen. Heute ist die Fraktion nur noch Machtinstrument.

Im Flüchtlingsstreit des vorigen Sommers verkörperte Glück so ziemlich alles, wofür das CSU-Spitzenpersonal nicht stand. Als früherer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken warnte er vor Verlusten im kirchlichen Milieu. Die Grünen und ihren Einsatz für die vernachlässigte Schöpfung sah er bereits als Gefahr für die CSU, als die noch einzig auf die AfD starrte. Mit scharfen Analysen meldete sich Glück intern als Mahner zu Wort. Vieles, was er in seinen Briefen forderte, greift Söder inzwischen auf.

Mit Glücks Berufung ist Söder ein cleverer Schachzug gelungen. Schon in der Endphase des Landtagswahlkampfs ist er mit Theo Waigel und Manfred Weber auf führende Köpfe des liberalen Parteiflügels zugegangen. Auch deshalb hat Söder das Desaster politisch überlebt. Nun bezieht er auch seinen größten Zweifler ein. Auf seinem langen Weg zum Landesvater, der Söder sein will, ist das eine wichtige Etappe. Und sollte sich beim Artenschutz kein gemeinsamer Nenner finden lassen, kann Söder darauf verweisen, dass nicht mal Alois Glück es hinbekommen habe.

Warum Glück das mitmacht? Er dürfte noch immer kein Söder-Fan sein. Aber er will seiner Partei die Hilfe nicht verwehren. Er erkennt an, dass Söder einen neuen Kurs einschlägt, womöglich sogar aus Einsicht. Vor allem will Glück gesellschaftliche Spannungen auflösen. Zu den Forderungen des Volksbegehrens zählen meterbreite Schutzstreifen entlang von Gewässern. Glücks Auftrag als Brückenbauer ist es jetzt, alle Gruppen zum jeweils anderen Ufer zu führen, ohne dass sie ihr Gesicht verlieren.

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SZ vom 18.02.2019/huy/sim
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