Kabinett:"Riesenschritt in die richtige Richtung"

Bewegung im Artenschutz-Streit

Umweltminister Glauber betont, dass sich das Kabinett darauf verständigt habe, "die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten und die Interessen des Naturschutzes".

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Die vier umstrittensten Punkte des Volksbegehrens aus Sicht der Staatsregierung sind offenbar vergleichsweise einfach zu befrieden.
  • Umweltminister Glauber betont, dass sich das Kabinett darauf verständigt habe, "die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten und die Interessen des Naturschutzes".
  • Es gibt freilich auch Lücken in den Plänen der Staatsregierung, zum Beispiel wie es der Freistaat in Zukunft mit dem Naturschutz in den Staatswäldern halten will.

Von Wolfgang Wittl und Christian Sebald

Dieser Dienstag ist abermals ein Tag der Genugtuung für die ÖDP-Politikerin Agnes Becker und die anderen Träger des "Volksbegehrens Artenvielfalt - Rettet die Bienen". "Das Paket der Staatsregierung für einen besseren Artenschutz ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung", sagt Becker. "Vor allem aber zeigt es, dass all die Ängste und Befürchtungen der Bauern ohne Grund sind. Unser Volksbegehren wird nicht zu ihren Lasten gehen." Der Grünen-Politiker Ludwig Hartmann, sonst eher nicht für Lobpreis der Staatsregierung bekannt, pflichtet Becker bei. "Natürlich erfinden Ministerpräsident Söder und sein Kabinett den Naturschutz nicht neu", sagt Hartmann. "Aber ihr Paket zu unserem Volksbegehren enthält einige ambitionierte Punkte, die ökologische Aufwertung öffentlicher Grünflächen etwa." Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) wünscht sich nun "feste Finanzierungszusagen für all die guten Ideen".

Tatsächlich sind die vier umstrittensten Punkte des Volksbegehrens aus Sicht der Staatsregierung offenbar vergleichsweise einfach zu befrieden. Das Walzverbot für Wiesen und Weiden ab dem 15. März etwa, gegen das sich der Bauernverband bis zuletzt massiv gewehrt hat, soll nun mit Hilfe einer Allgemeinverfügung so flexibel gestaltet werden, dass die Landwirte damit umgehen können. So steht es in der Kabinettsvorlage, die der SZ vorliegt. Und so haben es Becker und die anderen Sprecher des Volksbegehrens schon vor Wochen vorgeschlagen.

Auch die Vorgabe, dass zehn Prozent des Grünlands künftig erst nach dem 15. Juni gemäht werden dürfen, wird den Bauern keine neuen Einschränkungen bringen. "Es wird klar gestellt, dass es sich um eine bayerische Zielvorgabe und nicht um eine Vorgabe für den Einzelbetrieb handelt", steht in dem Papier der Staatsregierung. "Das bedeutet: kein Förderverlust für unsere Landwirte." Bei dem neuen Biotopverbund quer durchs Land und der Einstufung von Streuobstwiesen als Biotope - den beiden anderen heftig umstrittenen Punkten - wird die Staatsregierung ebenfalls nicht nur darauf achten, dass den Bauern keine Nachteile entstehen. Sondern sie sieht sogar neue Fördermöglichkeiten - also Chancen für zusätzliche Verdienste.

In der Pressekonferenz nach dem Kabinett halten sich Söder und die Minister Michaela Kaniber (CSU, Landwirtschaft) und Thorsten Glauber (Freie Wähler, Umwelt) aber nicht mit solchen Details auf. Stattdessen bekräftigt Söder einmal mehr, dass der Erfolg des Volksbegehrens "eindrucksvoll den Wunsch vieler Bürger nach einem verstärkten Arten- und Naturschutz belegt". Angesichts des Artenschwunds und des Klimawandels dürfe es "ein reines Weiter-so nicht geben". Allerdings dürfe dies auch nicht einseitig zu Lasten der Bauern gehen. Bayern brauche eine vitale Landwirtschaft - "gerade auch für den Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt".

Umweltminister Glauber betont, dass sich das Kabinett darauf verständigt habe, "die Zukunft der Landwirtschaft zu gestalten und die Interessen des Naturschutzes". Agrarministerin Kaniber verspricht, "dass wir die Landwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft holen". Die Staatsregierung werde "neue Wege gehen mit der Gesellschaft, also auch mit den Bauern". Die Stimmung in der Landwirtschaft sei "insgesamt nicht einfach". Deshalb sei es ihr sehr wichtig, mit dem neuen Naturschutzgesetz ein "Versöhnungsgesetz zu verabschieden".

Es gibt freilich auch Lücken in den Plänen der Staatsregierung. So hat sich das Kabinett offenkundig nicht damit befasst, wie es der Freistaat in Zukunft mit dem Naturschutz in den Staatswäldern halten will. Und zwar obwohl sich CSU und FW bereits im Koalitionsvertrag verständigt haben, zehn Prozent der Staatswälder unter Naturschutz zu stellen. Auch der runde Tisch zum Volksbegehren unter dem CSU-Politiker Alois Glück hat eine Arbeitsgruppe dazu berufen. LBV-Chef Schäffer fordert deshalb, "dass sich die Staatsregierung endlich zu wenigstens einem neuen Großschutzgebiet im Staatsforst bekennt".

Der Bund Naturschutz (BN) wirft der Staatsregierung derweil sogar Doppelzüngigkeit vor. "In München kündigt Agrarministerin Kaniber als Reaktion auf das Volksbegehren bis 2028 eine Halbierung des chemischen Pflanzenschutzes in der Landwirtschaft an", sagt BN-Chef Richard Mergner. "In der Agrarministerkonferenz ist sie gegen jede Verschärfung der Zulassung von Agrarchemie."

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