Vogelschützer schlagen Alarm:Angst um die Amsel

Zur Vogelbestimmung am besten aufs Gefieder achten

Schwarzes Gefieder, gelber Schnabel, selten zu sehen: die Amsel.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa)

Landauf, landab beobachten Vogelschützer, dass die Zahl der Amseln rapide zurückgeht, dabei zählt Bayern weltweit zum Kernverbreitungsgebiet der Vögel. Nun sollen Forschungen Klarheit schaffen.

Von Christian Sebald

Der Raubwürger zum Beispiel. Als Ludwig Sothmann ein junger Vogelschützer war, war der amselgroße Vogel mit dem grau-schwarz-weißen Gefieder überall heimisch in Bayern. "Natürlich war er nie so häufig wie die Amsel oder der Spatz", sagt Sothmann, heute 73 und seit 35 Jahren Chef des Vogelschutzbundes LBV. "Aber wir haben bei unseren Zählungen regelmäßig welche angetroffen, die hier brüteten."

Dann kam die Zeit, da hatten die Vogelschützer das Gefühl, dass es von Jahr zu Jahr weniger Raubwürger gibt. "Einige von uns hatten gleich eine ganz ungute Ahnung", erinnert sich Sothmann: "Aber passiert ist nichts." Inzwischen gelten Raubwürger als ausgestorben in Bayern. Allenfalls überwintern hin und wieder welche im Freistaat.

Heute löst die Amsel bei Sothmann ähnlich ungute Gefühle aus wie seinerzeit der Raubwürger. Landauf, landab beobachten Vogelschützer, dass die Bestände des Allerweltsvogels rapide sinken. Auch bei der jüngsten "Stunde der Wintervögel", wie die größte Vogelzählung von Laien weit und breit heißt, kam die Amsel wieder nur auf Platz fünf. Dabei rangierte der schwarz gefiederte Vogel mit dem auffälligen gelben Schnabel jahrelang mit der Kohlmeise und dem Spatz auf den Plätzen eins bis drei.

Zwar bedeutet Rang fünf nicht, dass die Amsel auf einmal akut vom Aussterben bedroht wäre. "Aber wir haben beim Raubwürger auch immer gedacht, das ist so die übliche Fluktuation in der Population, der wird sich schon wieder erholen", sagt Sothmann: "Und dann war er plötzlich weg."

Es kommt immer wieder vor, dass eine Vogelart einen dramatischen Rückgang erlebt. Die Gründe dafür sind vielfältig: Infektionskrankheiten können binnen weniger Wochen viele tausend Vögel dahinraffen. Schon ein kaltes verregnetes Frühjahr kann so gut wie den gesamten Nachwuchs eines Jahres in den Nestern töten, bevor er flügge ist. Und natürlich fressen Katzen und andere Raubtiere Jahr für Jahr viele tausend Jungvögel - gerade in den Vorstädten und Reihenhaussiedlungen, wo sich in jedem zweiten Garten eine Katze tummelt.

Für viele Vogelfreunde steht deshalb fest, dass es die Katzen sind, die für den Amselschwund verantwortlich sind. Sothmann glaubt das nicht. "Allein deshalb nicht, weil Katzen ja nicht speziell Amselnester ausnehmen", sagt er: "Die holen sich alles, was sie kriegen können."

"Uns Fachleuten noch vieles unklar"

Wie auch immer, der LBV will es jetzt wissen. Sothmann will eine Forschungsarbeit in Auftrag geben, damit endlich klar wird, wie es wirklich steht um die Amsel. Das fängt bei ganz grundsätzlichen Fragen an: Sind es nun 700.000 Amseln, die in Bayern leben, wie die eine der Hälfte der Experten sagt? Oder doch zwei Millionen, wie die andere Hälfte behauptet? Was hat es auf sich mit den Waldamseln, die in der freien Natur leben und angeblich über den Winter in südlichere Gefilde ziehen, und den Stadtamseln, die als Zivilisationsfolger in der kalten Jahreszeit hier bleiben?

Kann man diese Unterscheidung überhaupt aufrecht erhalten? Und wenn ja, gibt es einen Austausch zwischen den Populationen draußen auf dem Land und drinnen in den Städten? "Auch wenn man es nicht für möglich hält", sagt Sothmann, "selbst bei dem Allerweltsvogel Amsel ist uns Fachleuten noch vieles unklar."

Nur in einem ist sich Sothmann ganz sicher. "Bei der Amsel darf es uns auf keinen Fall so gehen wie beim Raubwürger", sagt der LBV-Chef. Schließlich zähle Bayern weltweit zum Kernverbreitungsgebiet der Amsel. "Und das muss es unbedingt bleiben."

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