Vogelgrippe in der Oberpfalz:"Für die Familie bricht eine kleine Welt zusammen"

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Um den befallenen Betrieb herum errichtete die Feuerwehr eine Sperrzone. Den Landwirt trifft keine Schuld am Ausbruch der Seuche. (Foto: Marc Müller/dpa)

In einem Geflügelhof nahe Roding ist die Vogelgrippe ausgebrochen. 12 900 Tiere mussten getötet werden - eine Katastrophe für den alteingesessenen Familienbetrieb.

Von Andreas Glas und Christian Sebald, Roding

Die Leute, sagt Martin Schmidbauer, die kämen von weit her, nur wegen der Gänse. Aus Regensburg sowieso, manche sogar aus Nürnberg. "Weil das korngefütterte Gänse sind, kein Mastvieh. Und jetzt ist alles weg, so kurz vor Weihnachten", sagt Schmidbauer, graues Haar, dicke Brille, sein Bauch spannt etwas unterm Wollpullover.

Der Rentner steht in seinem Garten und wenn er hinters Haus geht, dann kann er direkt runterschauen zum Geflügelhof. Als am Sonntagfrüh die ersten Feuerwehrautos und die ersten Lastwagen des Technischen Hilfswerks (THW) angerollt seien, da sei er schon ein bisschen erschrocken. Aber inzwischen, sagt Schmidbauer, "mache ich mir keine Sorgen mehr."

Schmidbauers Gelassenheit kommt nicht von ungefähr. Der Vogelgrippe-Ausbruch auf einem Geflügelhof in Roding (Landkreis Cham) nimmt offenbar einen glimpflicheren Ausgang als zunächst befürchtet. Am Montagnachmittag gab das Landratsamt Cham jedenfalls vorläufige Entwarnung. "Bei dem Erreger handelt es sich um die niedrig pathogene Variante des Typs H5N2", erklärte ein Sprecher. Das heißt, dass das Virus, das für Menschen ungefährlich ist, auch nicht so bedrohlich ist für Vögel und Geflügel.

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:Verdacht auf Geflügelpest - 12 900 Tiere getötet

Betroffen sind Hennen, Enten, Puten und Gänse. Inzwischen steht auch der Erreger fest.

Die infizierten Tiere zeigen oft nicht einmal die Anzeichen einer Erkrankung. Niedrig pathogene Vogelgrippe-Viren können aber sehr schnell zu hoch pathogenen, für Geflügel tödlichen Erregern mutieren, vor allem in Betrieben mit Tausenden Tieren. Deshalb wurden die 12 900 Legehennen, Enten, Gänse und Puten auf dem Familienbetrieb sofort gekeult. Die Tötungsaktion wurde am Montagnachmittag abgeschlossen.

Die Familie will ins Geschäft zurückkommen

Der Geflügelhof liegt in einem Gewerbegebiet am Rodinger Ortsrand. Vier Silotürme stehen auf dem Gelände, daneben der Stall und ein großes, eingezäuntes Feld. Auf dem Feld, sagt Nachbar Martin Schmidbauer, "da laufen die Gänse normalerweise frei rum". An diesem Montagnachmittag ist das Feld verwaist, dafür herrscht auf dem Hof Hochbetrieb. Rundherum hat die Feuerwehr rot-weiße Flatterbänder gespannt, der abgesperrte Bereich ist mehrere Fußballfelder groß. In ihm parken blaue THW-Lastwagen, dazwischen wuseln Feuerwehrleute und Männer in orangefarbenen Ganzkörper-Anzügen. Sie sind dafür da, die Tiere zu töten und zu beseitigen.

Der Vogelgrippe-Ausbruch ist eine Katastrophe für den alteingesessenen Familienbetrieb, bei dem viele Rodinger ihren Weihnachtsbraten kaufen. In deren Hofladen bekommt man nicht nur Geflügel, auch Eier und Nudeln werden dort angeboten.

"Für die Familie bricht eine kleine Welt zusammen", sagt der Chamer Landrat Franz Löffler (CSU). Die Betriebsführung sei "über all die Jahrzehnte korrekt" gewesen, bislang habe es "überhaupt keine nennenswerten Auffälligkeiten" gegeben. Nach dem ersten Schock gebe es bei der Familie aber schon wieder "den festen Willen, in das Geschäft zurückzukommen", sagt Landrat Löffler.

Vermutlich haben Wildvögel den Ausbruch ausgelöste

Derweil hat die Spekulation über die Ursachen des Ausbruchs begonnen. Eine Möglichkeit ist, dass ein Wildvogel das Geflügel angesteckt hat. "Das passiert vor allem in Freiland-Haltungen", sagt eine Sprecherin des Friedrich-Löffler-Instituts für Tiergesundheit (FLI), bei dem alle einschlägigen Untersuchungen zusammenlaufen. "Da kann es immer mal geschehen, dass das Geflügel Kontakt zu einem infizierten Wildvogel hat." Der Rodinger Geflügelhof war ein Freiland-Betrieb.

Das Geflügel kann sich aber auch über Futter oder Einstreu angesteckt haben. "Das ist dann möglich, wenn Wildvögel dazu Zugang haben", sagt die FLI-Sprecherin. "Vogelgrippe wird durch Kot, Speichel und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Ein infiziertes Tier kann also durchaus Futter oder Einstreu kontaminieren." Das ist auch der Grund, warum auf dem Familienbetrieb nun umfangreiche Reinigungen und Desinfektionen bevorstehen. Erst wenn sichergestellt ist, dass er frei vom Erreger ist, darf er wieder junges Geflügel einstallen.

Keine Geflügelprodukte dürfen die Sperrzone verlassen

Für die Geflügelbetriebe in der Umgebung gelten vergleichsweise moderate Vorsichtsmaßnahmen. So erließ das Landratsamt nur eine Sperrzone von 1000 Metern Radius und nicht von drei oder gar zehn Kilometern, wie es bei einem gefährlicheren Erreger der Fall hätte sein müssen.

"In der Sperrzone liegen ungefähr ein Dutzend Geflügelhaltungen", erklärte der Sprecher des Landratsamtes. "Aber allesamt sind kleinere, bäuerliche Betriebe." Für sie brechen nun harte Zeiten an. Denn aus der Sperrzone dürfen weder Geflügel noch Geflügelprodukte herausgebracht werden.

Die Halter und ihr Personal müssen Schutzkleidung anlegen und sie desinfizieren, wenn sie ihre Tiere versorgen. Und natürlich untersuchen die Veterinäre des Landkreises nun alle diese Bestände auf den Vogelgrippe-Virus. Das Sperrgebiet wird erst wieder aufgehoben, wenn feststeht, dass auch die Betriebe in ihr vogelgrippefrei sind.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels wurde der betroffene Betrieb als Bio-Betrieb bezeichnet. Die Öko-Kontrollbehörde hat inzwischen richtiggestellt, dass der betroffene Betrieb kein Bio-Betrieb ist.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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