Naturkunde:Spatz oder Buchfink

Buchfink Studie Schüler Singvögel
(Foto: H. Pieper/Imago)
  • Knapp 2000 Schüler im Alter von zehn bis 19 Jahren haben sich an einer Studie beteiligt, in der es darum ging, welche Vögel sie erkennen können.
  • Nur fünf der 15 häufigen Singvogelarten konnten bayerische Gymnasiasten richtig benennen.
  • Seit der letzten Studie vor zehn Jahren haben sich die Kenntnisse verschlechtert.

Von Christian Sebald

Der Buchfink ist nicht nur der häufigste heimische Singvogel in Bayern. Sondern auch einfach zu erkennen. Vor allem die Männchen, die mit ihrer rotgefiederten Brust, den ebenfalls rotgefiederten Wangen und der blauen Kappe recht markant sind. Die olivgrau gefiederten Weibchen dagegen sind eher unauffällig. Aber auch sie kann man sehr gut an ihrem auffälligen weißen Schulterfleck, den weißen Flügelbinden und den ebenfalls weißen äußeren Steuerfedern bestimmen. Die meisten Kinder und Jugendlichen in Bayern scheitern jedoch, wenn sie einen Buchfink identifizieren sollen. "Gerade mal 14 Prozent der Gymnasiasten können einen Buchfink erkennen", sagt Thomas Gerl.

Gerl, 47, ist leidenschaftlicher Ornithologe und Biologielehrer am Ludwig-Thoma-Gymnasium in Prien am Chiemsee. Außerdem arbeitet er am Institut für Didaktik der Biologie der Ludwig-Maximilians-Universität in München und ist dort Mitglied der Bisa-Arbeitsgruppe. Das Kürzel steht für "Biodiversität im Schulalltag". Zusammen mit Kollegen hat Gerl jetzt eine Studie über die Vogel-Kenntnisse von Kindern und Jugendlichen veröffentlicht. Sie ist erst die zweite ihrer Art im deutschen Sprachraum. Die Vorgänger-Studie stammt ebenfalls aus Bayern. Sie ist zehn Jahre alt und wurde seinerzeit von Volker Zahner, Professor für Zoologie und Wildtierökologie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, publiziert.

In Gerls Studie schneidet nur der Erlenzeisig noch schlechter ab als der Buchfink. Der Erlenzeisig, der ebenfalls zu den Finkenvögeln zählt, ist zwar deutlich seltener anzutreffen als der Buchfink. Aber zu den wirklichen Raritäten zählt auch er nicht. Überhaupt haben Gerl und seine Mitarbeiter herausgefunden, dass es um die Vogel-Kenntnisse der bayerischen Kinder und Jugendlichen schlecht bestellt ist. Selbst einen Spatz, den Allerweltsvogel schlechthin, können nur noch ein Drittel der Kinder und Jugendlichen richtig bestimmen. "Im Schnitt können bayerische Gymnasiasten nur fünf der 15 häufigen Singvogelarten, die wir abgefragt haben, richtig benennen", sagt Gerl.

Knapp 2000 Schüler aller Schularten und im Alter von zehn bis 19 Jahren haben sich an der Studie beteiligt, die vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) unterstützt worden ist. Besonders aussagekräftig sind laut Gerl die Ergebnisse der 1400 Gymnasiasten unter den Teilnehmern. Sie besuchten alle das G 8 und schnitten deutlich schlechter ab als die Vergleichsgruppe zehn Jahre zuvor, die noch das G 9 besucht hat. "Die heutigen Gymnasiasten erkennen im Schnitt alle eine Vogelart weniger als die vor zehn Jahren", sagt Gerl.

Zugleich ist bei zwei Dritteln der Arten die Bekanntheit zurückgegangen. Bei den Elstern etwa um 15 Prozentpunkte, bei den Grünfinken sogar um 26 Prozentpunkte. Nur bei den Rotkehlchen und den Kleibern ist die Bekanntheit annähernd gleich geblieben. Mädchen schnitten grundsätzlich besser ab als Buben. Und inzwischen kennen sich Großstadt-Kinder und -Jugendliche in der Vogelwelt deutlich besser aus als ihre Altersgenossen auf dem Land. Früher war das mal anders herum. Für Gerl sind die Ergebnisse höchst alarmierend. "Nicht nur die Vogelwelt selbst muss dramatische Schwunde hinnehmen, sondern auch die Artenkenntnis ist vom Aussterben bedroht", sagt er. "Wenn wir so weitermachen, merkt bald keiner mehr, welche Arten alle verloren gehen."

Die Gründe für die schlechten Ergebnisse sind für Gerl klar. Im G 8 sei viel zu wenig auf die heimische Vogelwelt eingegangen worden. Im Biologie-Unterricht sei es den Lehrern freigestellt gewesen, ob sie die Vogelarten behandeln oder - zugunsten anderer Arten - weglassen. "Da braucht man sich nicht zu wundern, dass das schlimme Folgen für die Kenntnisse der Schüler hat", sagt Gerl. Aus der Sicht des Biologielehrers ist es deshalb sehr wichtig, dass die Artenkunde im neuen G 9 wieder aufgewertet wird.

Wintervögel

Der diesjährige Winter ist wieder ein sehr milder, zudem hängen durch den warmen Sommer noch besonders viele Früchte an Bäumen und Sträuchern. Deshalb dürfen sich Vogelfreunde dieses Jahr auf eine besonders ergiebige "Stunde der Wintervögel" freuen. Die traditionelle Vogelzähl-Aktion des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) findet heuer von Freitag, 4. Januar bis Sonntag, 6. Januar statt. Wer mitmachen will, sucht sich einen ruhigen Beobachtungsplatz in einem Park, auf einem Balkon oder in der freien Landschaft und achtet eine Stunde lang auf die Vögel, die sich um ihn herum tummeln. Dabei notiert er sich die höchste Anzahl jeder Vogelart, die er in dieser Zeit beobachtet hat. Die Ergebnisse sollen bis 15. Januar an den LBV gemeldet werden. Infos unter www.stunde-der-wintervoegel.de. cws

Das besonders schlechte Abschneiden der Schüler auf dem Land spiegelt laut Gerl "den dramatischen Rückgang der Vogelzahlen in den ländlichen Regionen wider". Die Schüler dort könnten inzwischen sehr viel weniger Vögel beobachten als ihre Altersgenossen in Ballungsräumen wie München oder Augsburg. Der bekannteste Vogel unter den bayerischen Schülern ist - wie in der Vorgängerstudie von 2008 - die Amsel. Drei Viertel der Gymnasiasten konnten sie richtig bestimmen. Danach folgen das Rotkehlchen und die Blaumeise.

Aus Sicht des LBV hat die Studie zumindest ein erfreuliches Ergebnis. "Gymnasiasten, die an der ,Stunde der Wintervögel' teilnehmen, erkennen durchschnittlich zwei Vogelarten mehr", sagt Gerl. Die Stunde der Wintervögel ist die große Vogelzählung des LBV, die zu Beginn eines jeden Jahres am Wochenende und um den Dreikönigstag stattfindet.

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