Lärm und Staub:Vilshofen: Anwohner ärgern sich über Holzfabrik

Aber nur jene, die weiter weg wohnen. Ein Ende des bizarren Streits in Vilshofen ist nicht in Sicht - die nächste Erweiterung der Holzwerke ist beschlossen.

Von Andreas Glas, Vilshofen

Er hält an, stellt den Motor ab, lässt die Fensterscheibe runter und horcht. "Wenn der Wind so weht wie heute, dann hört man nix", sagt Hans Weinzierl senior, und überhaupt sei das eher eine psychologische Sache: "Wenn es dich ärgert, was du hörst, dann hörst du es erst recht."

Er lässt die Fensterscheibe wieder hoch, schmeißt den Motor wieder an und fährt die schmale Straße den Hang hinauf. Links Wohnhäuser, rechts Fabrikgelände, beide Seiten wollen nur das eine: ihre Ruhe. Das ist ja das Problem.

Es ist früh am Morgen in Thannet, einem Ortsteil im niederbayerischen Vilshofen. Oben, am Hang, da qualmt der Kamin der Holzfabrik, unten, in der Stube eines Bauernhauses, da wettert Markus Gutmann.

Das Fenster hat er zugemacht, das Geräusch da draußen geht ihm auf die Nerven, deswegen wettert er ja so. Vorgestern sei es wieder besonders schlimm gewesen, da habe er ferngeschaut, aber verstanden habe er kaum ein Wort, sagt Gutmann. "Du denkst, da steht jemand im Garten und macht bummbummbumm."

Beide Seiten fühlen sich terrorisiert

Markus Gutmann hasst dieses Bummbummbumm, doch es gehört zum Soundtrack seines Alltags. Seit mehreren Jahren herrscht in Thannet Krieg zwischen den Anwohnern und den örtlichen Holzwerken Weinzierl. Beide Seiten fühlen sich terrorisiert: die Anwohner vom Lärm und vom Staub der Holzwerke, die Holzwerke-Chefs vom Ärger der Anwohner.

Mehrere Aktenordner füllt der Streit im Passauer Landratsamt - ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die nächste Erweiterung der Holzwerke ist beschlossen, der Stadtrat hat sein Okay gegeben, mit 21:3 Stimmen. "Egal, was wir machen, es wird immer zugunsten des Unternehmers entschieden", schimpft Markus Gutmann, der Vorsitzende der Anwohnergemeinschaft "Streusiedlung Thannet".

Er steht jetzt am Zaun des Werksgeländes und schaut auf die Wiese, die als nächstes zugepflastert werden soll, damit die Holzwerke weiter wachsen können. Vor 20 Jahren, sagt Gutmann, seien hier überall Wiesen und Maisfelder gewesen, damals waren die Holzwerke Weinzierl viel kleiner, damals haben sie acht Stunden am Tag produziert.

Heute ist die Firma mehrere Fußballfelder groß, von frühmorgens bis spätabends laufen die Maschinen, von sechs Uhr früh bis zehn Uhr nachts fühlen sich die Anwohner vom Krach der Säge belästigt, vom Poltern der Förderbänder, die Pelletieranlage brummt rund um die Uhr.

Ein Fall von rücksichtsloser Zersiedelungspolitik

"Wie kann man das alles in einem Wohngebiet genehmigen? Wahnsinn", sagt Markus Gutmann. Ein "klarer Fall" von Mauschelei sei das, Holzwerke-Chef Hans Weinzierl senior und Landrat Franz Meyer seien ja gute Freunde, noch dazu beide in der CSU.

Mehr als 20-mal hat das Passauer Landratsamt die Lärmbelastung gemessen, jedes Mal mit dem Ergebnis, dass der Krach schon auszuhalten sei für die Anwohner. Ein abgekartetes Spiel, vermutet Gutmann. Denn jedes Mal, wenn ein Beamter zum Messen kam, sei es plötzlich auffällig ruhig gewesen auf dem Werksgelände.

Die Anwohnergemeinschaft hält es für möglich, dass die Holzwerke-Chefs vor den Messungen aus dem Landratsamt gewarnt wurden. "Vielleicht gibt es undichte Stellen", sagt Gutmann, "die sind mit allen Wassern gewaschen."

Ist der Fall Thannet nur ein Fall von rücksichtsloser Zersiedelungspolitik? Einer Politik, die Landschaftsidylle als Romantik verlacht und mit der Planierraupe anrückt, sobald Gewerbesteuereinnahmen winken. Oder steckt tatsächlich Filz dahinter? Schmarrn, sagt Holzwerke-Chef Hans Weinzierl senior.

Ein sachlicher Dialog ist unmöglich

Der Landrat und er, "wir sind per Du, weil wir uns halt von früher her kennen, von der CSU". Aber Filz? "Im Gegenteil", sagt Weinzierl senior, das Landratsamt sei "übervorsichtig", wenn es um seine Holzwerke gehe. "Die trauen sich nicht, einen Fehler zu machen", weil sie genau wüssten, dass die Anwohnergemeinschaft besonders aufmerksam hinschaue.

In Thannet kämpfen aber nicht alle Anwohner gegen die Holzwerke. Was kurios ist: Umso näher ein Anwohner dran wohnt am Werksgelände, umso weniger scheint er ein Problem mit dem Lärm zu haben. Na gut, sagt Hans Weinzierl junior, ab und zu käme auch eine Beschwerde von den unmittelbaren Nachbarn, "aber die kommen dann auf uns zu, reden in Ruhe mit uns und dann schauen wir, wie wir das in Zukunft abstellen".

Mit den organisierten Holzwerke-Gegnern sei ein sachlicher Dialog dagegen unmöglich: "Es gibt einen Nachbarn, da wenn ich vorbeifahre und habe das Fenster offen, dann zeigt mir der den Mittelfinger und schreit mir Arschloch ins Auto. Dass wir uns für den nicht einsetzen, das braucht ihn nicht zu wundern."

Seltsam ist das ja wirklich: Manche Anwohner macht der Lärm krank, andere scheint er kaum zu stören. Sind Markus Gutmann und seine Mitstreiter vielleicht doch zu empfindlich? Nein, sagt Gutmann, nur eben nicht käuflich. Diejenigen, die sich still verhalten und nicht über den Lärm beschweren, "die kriegen alle ein Zuckerl", sagt Gutmann, Brennholz zum Beispiel, einem Nachbarn sollen die Weinzierls sogar einen neuen Dachstuhl spendiert haben.

Hundert mit Baumstämmen und Holzpellets beladene Lastwagen

Stimmt das wirklich? Weinzierl senior druckst ein bisschen herum, dann sagt er: "Wenn ein Nachbar Holz möchte, dann kriegt er halt einen Sonderpreis", das sei doch normal in einer guten Nachbarschaft - und bestimmt "nicht der ausschlaggebende Punkt, dass jemand seinen Mund hält", sagt Weinzierl junior.

Dann holt er eine vierseitige Liste raus, auf der alle Lärmschutzmaßnahmen stehen, die man in den vergangenen vier Jahren realisiert habe. "Freiwillig", wie Weinzierl junior betont, "uns hat keiner dazu gezwungen, weil wir ja keine Werte überschreiten. Aber wir wollen einfach keinen Krieg mehr."

Wenn die Weinzierls keinen Krieg wollen, sagt Markus Gutmann, dann verstehe er nicht, "warum sie keinen ordentlichen Lärmschutz bauen", und zwar rund um das Werksgelände, wo zurzeit "dünne Fichtenbretter stehen, die sich biegen und Löcher haben". Und dann ist da ja noch der Lieferverkehr, sagt Gutmann.

Mehrere hundert mit Baumstämmen und Holzpellets beladene Lastwagen fahren täglich die schmale Hangstraße rauf und runter, das mache die Lärmbelastung endgültig unerträglich. Absurd sei es, dass die Stadt als Lösung angeboten habe, die Straße zu verbreitern. "Dann wird ja alles noch schlimmer", sagt Gutmann, "dann fahren die Lastwagen noch schneller durch. Da kann ich ja gleich auf der Autobahn wohnen."

Die Weinzierls dagegen finden die Idee gut, die Straße breiter zu machen. "Jetzt ist das Angebot da, dass wir das Problem lösen, und die beschweren sich immer noch", sagt Weinzierl junior.

Eine neue Lärmschutzwand rund ums Werksgelände hält er für sinnlos, "das wird nichts ändern", weil die Firma auf einer Anhöhe liege und der Lärm über die Wand drübergehe. Ruhe, so viel scheint sicher zu sein, wird in Thannet so schnell nicht einkehren.

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