Verwaltungsgericht:Früherer OB fordert Geld von Landsberg

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Mathias Neuner (CSU) ist inzwischen Oberbürgermeister von Landsberg am Lech. Er traf vor dem Verwaltungsgericht auf seinen Vorgänger. Und dessen Anwalt wird sein Gegenkandidat. (Foto: Matthias Köpf)

Lehmann will Anwaltskosten erstattet haben. Vor Gericht kommt es zum Vergleich, aber nicht zum Ende der Derivate-Affäre

Von Matthias Köpf, München

Ob er der Stadt jetzt auch noch eine Rechnung für seine Anwaltstätigkeit in eigener Sache schicken wolle, fragte Landsbergs Oberbürgermeister Mathias Neuner (CSU) am Ende seinen Vorgänger Ingo Lehmann (SPD) mit mühsam unterdrückter Bitternis in der Stimme. Lehmann, der vor seiner Zeit als OB lange Jahre Richter war und inzwischen auch als Anwalt zugelassen ist, hatte sich am Dienstag im Verwaltungsgericht München in der Tat in eine Robe geworfen und sich selbst vertreten. Als Kläger und Klagevertreter in Personalunion erstritt er sich so von der Stadt das Geld, das er selber für einen Anwalt ausgeben muss in einer Angelegenheit, die in Landsberg als "Derivate-Affäre" in die Stadtgeschichte eingegangen ist.

Dabei ist diese Affäre noch längst nicht Geschichte: Erst 2034 laufen die letzten Verträge aus, die der einstige Landsberger Stadtkämmerer schon vor mehr als zehn Jahren abgeschlossen hatte, damals auf Anraten von Vertretern des Münchner Bankhauses Hauck & Aufhäuser. Die sogenannten Doppel-Swaps, die der offenkundig schlecht beratene Kämmerer eigenmächtig geordert hatte, sollten Zinsrisiken abfedern, erwiesen sich aber selbst als hochriskante Fehlspekulation. Wie hoch die Verluste für die Stadt am Ende sein werden, steht also erst in 15 Jahren endgültig fest. Das Landgericht und das Oberlandesgericht in München sowie der Bundesgerichtshof hatten in den durchweg verlorenen Prozessen der Stadt gegen die Bank als Streitwert aber rund 6,9 Millionen Euro angenommen, und genau das war vor dem Verwaltungsgericht Teil des Problems.

Denn der 2012 im Zuge der Derivate-Affäre schmählich abgewählte OB Lehmann hatte sich auf Bitten der Stadt ihrer Klage gegen die Bank angeschlossen und sich dafür einen Rechtsanwalt genommen - auch weil sich die Stadt zugleich an ihrem ehemaligen Kämmerer schadlos halten wollte und dieser Kämmerer wiederum auf die mögliche Mitverantwortung seines damaligen Vorgesetzten Lehmann verwiesen hatte. Der Landsberger Stadtrat hatte Lehmann damals zugesichert, "jegliche Kosten" für den nötigen Rechtsbeistand zu erstatten. Die Räte waren bei ihrem Beschluss aber davon ausgegangen, dass beim ehemaligen Kämmerer vielleicht 300 000 oder 400 000 Euro und allerhöchstens 600 000 Euro zu holen sein würden und dass Lehmanns Anwalt auf Basis eines solchen Streitwerts maximal ein paar Tausend Euro kosten werde.

Weil der Streitwert in den bisherigen Verfahren gegen die Bank dann aber bei 6,9 Millionen lag, kam der Anwalt laut Gebührenordnung auf ein Honorar von mehr als 140 000 Euro für die zwei Verfahren am Landgericht und am Oberlandesgericht - und so viel wollten die Landsberger Stadträte dem ehemaligen OB Lehmann dann doch nicht gleich erstatten, sondern erst einmal nur als zinsloses Darlehen leihen. Lehmann aber bestand auf der beschlossene Formulierung "jegliche Kosten" und klagte nun vor dem Verwaltungsgericht. Das ließ in der Verhandlung am Dienstag keinen Zweifel daran, dass es Lehmann das Geld für die erste Instanz zusprechen werde, das Geld für die zweite jedoch nicht, weil es dafür noch keine endgültige Rechnung gab. Läge diese aber erst einmal vor, so hätte Lehmann auch das Geld dafür nach gleichem Muster erklagen können.

Da schien es auch der Delegation um den amtieren OB Neuner ratsam, einem Vergleich zuzustimmen, der Lehman die tatsächlichen Anwaltskosten für die erste Instanz zubilligt. Für die zweite Instanz soll er die Kosten auf Basis eines reduzierten Streitwerts von 2,5 Millionen Euro erhalten. Denn die Stadt hat zwar ihre Verfahren gegen die Bank verloren, geht aber nachträglich noch gegen die Festsetzung des Streitwerts auf die besagten 6,9 Millionen Euro vor. Die 2,5 Millionen, die stattdessen nun zur Berechnung von Lehmanns Anwaltskosten dienen sollen, entsprechen der Summe, welche die Stadt in einem weiteren Prozess vom ehemaligen Kämmerer erstreiten will - ganz unabhängig von ihrer früheren Einschätzung, dass da so viel kaum zu holen sein wird.

Rein strafrechtlich ist die Derivate-Affäre auch noch nicht zu Ende: Das Landgericht Augsburg hat den Kämmerer zwar zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, doch der ging in Revision, der BGH hat den Fall inzwischen nach Augsburg zurückverwiesen. Und als wäre all das nicht kompliziert genug, kam ganz zum Schluss auch noch die Lokalpolitik ins Spiel: Denn der Anwalt, der Lehmann die ganze Zeit vertreten hatte und um dessen Rechnungen es nun ging, heißt Felix Bredschneijder, ist selbst Mitglied des Stadtrats und tritt im März für die SPD als OB-Kandidat gegen Amtsinhaber Neuner an. Dass es aus dem Rathaus zuletzt geheißen hatte, Lehmann und sein Anwalt, die zuvor stets Seite an Seite mit der Stadt gegen die Bank prozessiert hatten, hätten sich mit ihren Forderungen nun gegen die Stadt gewandt und damit womöglich Pflichten verletzt, will Lehmann nicht hinnehmen. Er bestand darauf, dass die Stadt per Vergleich auch drei Viertel der Kosten für diesen Honorarstreit übernimmt. Ob er als Anwalt nun sich selbst und damit der Stadt wirklich eine Rechnung stellen wird, verriet Lehmann am Dienstag nicht.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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