Süddeutsche Zeitung

Verwaltungsgericht:Berufsverbot für Suchtmediziner

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Sein Einsatz für Drogenabhängige ist ihm zum Verhängnis geworden: Das Verwaltungsgericht bestätigte den Approbationsentzug für einen Kaufbeurer Arzt. Doch der will sich mit dem Urteil nicht abfinden - und hat zahlreiche Mitstreiter.

Von Dietrich Mittler

Zwei Wörter reichen dem Kaufbeurer Hausarzt und Suchtmediziner Thomas Melcher aus, um zu beschreiben, was ihm derzeit widerfährt: "Unverhältnismäßige Härte", sagt er. Nach dem Willen der Regierung von Schwaben darf Melcher seinen Beruf künftig nicht mehr ausüben. Die Regierung hat ihm per Bescheid die Approbation entzogen, als Reaktion auf eine Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2012 wegen mehrmaliger Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Der Hauptvorwurf: Melcher habe seinen Patienten im Rahmen der Substitutionstherapie die Heroin-Ersatzstoffe Methadon und Polamidon mitgegeben, obwohl sie erkennbar für ihn weitere Betäubungsmittel konsumierten. Und das ist verboten. Auch habe er zu wenig überprüft, ob ein "Beigebrauch" anderer Betäubungsmittel vorliege.

Methadon und andere Betäubungsmittel

Das Verwaltungsgericht in Augsburg hat nun den Approbationsentzug für rechtens erklärt. Melcher kündigte am Wochenende an, in Berufung zu gehen. "Die Behauptung der Regierung, ich hätte gegen meine Hauptaufgabe als Arzt verstoßen, nämlich das Leben meiner Patienten zu erhalten und ihre Gesundheit zu schützen, entbehrt jeder Grundlage", sagt der 61-Jährige.

Das Gegenteil sei der Fall: "Erst nachdem ich die Substitutionsbehandlung im März 2011 beendet hatte, sind bei ehemaligen Substitutionspatienten schwere Gesundheitsschäden bis hin zu vermehrten Todesfällen aufgetreten", sagte Melcher kürzlich im Landtag bei einem Fachgespräch zum Thema Substitution. Fünf seiner ehemaligen Patienten seien in den zurückliegenden Jahren seit Einstellung der Substitution gestorben, sagte er mit bewegter Stimme. Aus medizinischer Sicht sei es erwiesenermaßen sinnvoller, Methadon auch bei Beigebrauch zu verordnen, als die Patienten wieder in die harte Drogenszene abgleiten zu lassen. Melcher ist in Bayern kein Einzelfall. Mehreren Substitutionsärzten wurde ebenfalls die Approbation entzogen.

"Mit einem Bein im Gefängnis"

Einige Substitutionsärzte in Niederbayern haben aus Protest gegen die harte Linie der Gesundheitsbehörden, der Justiz und der Bezirksregierung ihre Tätigkeit eingestellt. Ein Arzt, der noch nicht aufgab, sagte im Landtag: "Ich bin einer der letzten Substitutionsärzte hier, inzwischen kommen Patienten aus 80 Kilometern Entfernung zu mir." Der Tenor der Ärzte, die sich aus Angst vor juristischen Konsequenzen aus der Methadonbehandlung zurückziehen, ist nahezu gleichlautend: "Wir stehen mit einem Bein im Gefängnis." In Bayern würde das Betäubungsmittelgesetz äußerst restriktiv umgesetzt.

Unverständnis löst nun auch die Vorgehensweise der Regierung von Schwaben aus. Diese hätte - entgegen ihrer Behauptung - anders vorgehen können, ist sich Heidemarie Lux, die Vizepräsidentin der Bayerischen Landesärztekammer, sicher. Während sich Ärzte-Organisationen, darunter die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, mit Solidaritätsadressen an den Kollegen Melcher wenden, sieht sich die Regierung von Schwaben als Hüterin der ärztlichen Reputation: "Die dem Urteil gegen Herr Dr. Melcher zugrunde liegenden Tatsachen" seien - so umfangreich und zahlreich - "mit dem Ansehen und dem Vertrauen nicht vereinbar, das der Berufsstand der Ärzte in der Öffentlichkeit genießt", wird der Approbationsentzug begründet. Melcher sei "unwürdig", als Arzt weiterzuarbeiten - ob nun sein eigenes Ansehen als Arzt unter dem Gerichtsurteil gelitten habe oder nicht, sei unerheblich.

Melcher ist seit 30 Jahren "ohne Beanstandungen" als Arzt tätig gewesen, davon fast 20 Jahre lang als Notarzt. Auch das Gericht hielt ihm zugute, dass er Patienten die Substitutionsmittel nicht aus Gewinnstreben mitgegeben habe, sondern um es ihnen zu ermöglichen, jeden Tag pünktlich zur Arbeit zu gehen.

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Quelle:
SZ vom 03.03.2014
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