Einen bis in diese Tage in der Tölzer Kurseelsorge tätigen Pfarrer hat seine Vergangenheit eingeholt. Die ihm vorgeworfenen sexuellen Übergriffe liegen weit zurück in den siebziger und achtziger Jahren. Sie waren bekannt, es wurden Therapien angeordnet, und der Pfarrer wurde 1986 auch wegen eines Falls verurteilt.
Dennoch gab es Versäumnisse. Das Erzbistum München und Freising räumte ein, dass der Pfarrer als Seelsorger in Grafing und später in Garching/Alz tätig war. Es kam in dieser Zeit wieder zu einem Vergehen.
Im Oktober 2008 wurde er nach Tölz geschickt, mit der Auflage, dass er dort "keine Kinder-, Jugend- und Ministrantenarbeit mehr" machen dürfe.
In 21 Jahren in Garching hatte er intensiv mit jungen Leuten gearbeitet und bei diesen auch großen Anklang gefunden. In Tölz hielt er zumindest zwei Mal einen Jugendgottesdienst. Mehr soll nicht gewesen sein. Der Pfarrverbandsvorsitzende, Pfarrer Rupert Frania, sagte auf SZ-Anfrage, ihm habe der Pfarrer dieser Tage im Vieraugengespräch glaubhaft versichert, dass in Tölz "nichts, absolut nichts passiert" sei. Es gebe dazu eine eidesstattliche Erklärung des Pfarrers.
Viele in der Pfarrei reagieren erschüttert auf den Fall. Frania sagte, ihm sei die Vorgeschichte des im Oktober 2008 nach Tölz versetzten Pfarrers bis zum Wochenende nicht bekannt gewesen. "Ich hätte das gerne früher gewusst." Die Nachricht sei ein "entsetzlicher Schock". Sie hinterlasse ein "miserables Gefühl". Kaplan Quirin Strobl sagte der SZ, er sei "schockiert". Er habe den besagten Pfarrer als "hilfsbereiten Kollegen" erlebt.
Die gesamte Pfarrgemeinde ist durch die Angelegenheit aufgewühlt. Als Frania im 11:30-Uhr-Gottesdienst am Sonntag den Fall vorsichtig ansprach und das Gleichnis vom "verlorenen Sohn" heranzog, protestierten Gottesdienstbesucher gegen eine Verharmlosung. Ein junges Paar, das in Kürze von dem jetzt belasteten Pfarrer getraut werden sollte, machte seiner Entrüstung Luft. "Ich kann das nicht hören", rief der Mann. "Sie können doch jetzt nicht mehr ablenken." Einige klatschen, andere rufen: "Halt den Mund."
"Man muss vergeben können"
Es folgte eine minutenlange Diskussion. Viele beklagten, auch später in Gesprächen vor der Kirche, dass jemand wegen so weit zurückliegender Taten erneut verurteilt werde. Kritik erntete das Erzbistum, das mit dem Fall zu offensiv an die Öffentlichkeit gegangen sei.
Jetzt sei Solidarität mit der Pfarrei gefragt. Viele weigern sich, sich von dem offenbar sehr beliebten Pfarrer abzuwenden. Strobl sagte, "man kann einen Menschen nicht immer nur verurteilen". Sabine Behrendt, Leiterin von Jugendgruppen in der Pfarrei, sagte der SZ, der Pfarrer sei nicht nur bei jungen Menschen angekommen, er "kam überall gut an". Die ihm vorgeworfenen Taten lägen weit zurück. "Man muss vergeben können."
Auch ihres Wissens sei der Seelsorger in Tölz nicht regulär in der Jugendarbeit tätig gewesen. Die zwei bekannten Fälle, in denen er Jugendgottesdienste hielt, widersprächen dem nicht. Im Jugendzeltlager im Sommer 2009 habe er nur kurz den Gottesdienst gehalten und sei nach einer Dreiviertelstunde wieder weg gewesen. Ähnlich sei es nach ihren Informationen bei einem Jugendaustausch der Pfarrei mit einer Mädchenrealschule in Freilassing gewesen. Frania sagte, der besagte Pfarrer habe die Gottesdienste in Vertretung für einen Kollegen gehalten.