Versuch der Einflussnahme:Söder schießt gegen Berichterstattung des BR

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Der bayerische Finanzminister ist sauer auf den Bayerischen Rundfunk. Nach alter Sitte will er einen Beschwerdebrief schreiben, doch selbst in der CSU halten das viele für überzogen.

Von Lisa Schnell und Hans Kratzer, München

Finanzminister Markus Söder tobt. Seine Stimme ist laut, der Kopf tief rot. Söder prügelt in der CSU-Fraktionssitzung verbal nur so ein auf den Bayerischen Rundfunk (BR), so berichten Teilnehmer. Ihm passt nicht, wie der BR über neue Vorwürfe zum Verkauf der Wohnbaugesellschaft GBW berichtet hatte. Dass von einem Wirtschaftskrimi gesprochen werde, sei ein "Skandal", ereifert sich Söder im Landtag. Die als Exklusivgeschichte verkaufte Story sei ein "Plagiat", "Schafscheiße" sogar, sagt Ernst Weidenbusch (CSU).

Schön, wenn es im Parlament lebhafte Diskussionen gibt, da sagte noch niemand was. Aber dann kam die Sache mit diesem Brief. Offiziell beim BR beschweren wolle sich die Staatsregierung, hieß es. "Journalistische Qualität muss der höchste Maßstab sein. Wenn man den Eindruck hat, dass das nicht passiert, muss man es einfordern", sagt Staatskanzleichef Marcel Huber.

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Bayerns Heimatminister Söder bekommt in der BR-Soap "Dahoam is Dahoam" einen exklusiven Auftritt. Im Sender heißt es, das sei kein Problem, sondern Konzept. Der Minister selbst findet: "800 000 Zuschauer - dafür müssen Sie 800 Bierzelte füllen."

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Muss man das? Sich als Staatsregierung über die freien Medien beschweren? Inge Aures, die für die SPD im Rundfunkrat sitzt, erinnert das an Ungarn, andere denken da vielleicht eher an Bayern selbst. Denn allzu lange ist es nicht her, da bildeten die CSU und der BR in Bayern eine einzigartige Symbiose. Da konnte man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass sich die CSU als höchstes Beratungsgremium des BR begriff und beim BR, na ja, auch der Bayernkurier gerne als Inspiration zur Berichterstattung diente.

In seinen Anfangsjahren nach 1949 war der Bayerische Rundfunk noch frei wie der Wind. Die ersten Intendanten schalteten und walteten, wie es ihnen beliebte. Die Liberalität des Senders ging so weit, dass ein Fernsehdirektor in der hitzigen Debatte um Nato-Mitgliedschaft und Atomwaffenstationierung sogar dafür plädierte, das Bayernland lieber rot als tot werden zu lassen. Die politischen Kommentare waren damals ausgesprochen kontrovers.

Zu Beginn der 70er Jahre war an so etwas nicht mehr zu denken. Beim "Politischen Aschermittwoch" 1971 in Vilshofen schimpfte CSU-Chef Franz Josef Strauß über die "rote Unterwanderung bei Funk und Fernsehen" und über "kleine Spritzer roten Gifts", die er in den Sendungen des BR entdeckt hatte, des Rotfunks, wie er bisweilen auch genannt wurde. Im Februar 1972 beschloss die CSU-Mehrheit eine Änderung des Rundfunkgesetzes, der Rundfunkrat sollte vergrößert und der parteipolitische Einfluss gestärkt werden. Es gab ein großes Hickhack, sogar einen Volksentscheid, und man einigte sich letztlich darauf, dass der Rundfunk in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft blieb.

Der BR war, zumindest an der Spitze, obrigkeitshörig geworden, wobei sich dieser Gesinnungswandel bereits an jenem 17. Januar 1961 andeutete, an dem ganz Deutschland über Fritz Kortners Fernsehbearbeitung von Aristophanes "Lysistrata" staunte. Nicht zuletzt, weil Romy Schneider für wenige Sekunden mit einem halb entblößten Busen zu sehen war. Nur der Bayerische Rundfunk bewahrte seine Zuschauer vor diesem Sündenblick. Fernsehdirektor Clemens Münster verhinderte die Ausstrahlung aus sittlichen Gründen und berief sich auf die laut Fernsehvertrag gesetzlich verankerte Möglichkeit einzelner Sender, sich aus dem Gemeinschaftsprogramm der ARD ausblenden zu können.

Der nackte Busen dürfte nicht der einzige Grund für diese "Schutzmaßnahme" gewesen sein. Vermutlich war auch die politische Botschaft des Stücks nicht opportun, denn Kortner geißelte darin den Militarismus, womit er dem damaligen CSU-Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gerade recht kam. Von dieser Zeit an hatte der Bayerische Rundfunk keine Scheu mehr, sich aus dem Programm auszublenden oder gar Musiktitel zu zensieren, die nach Ansicht konservativer Kreise sexuelle oder gewalttätige Inhalte hatten. Der 1963 erschienene Schlager "Schuld war nur der Bossa Nova " der Sängerin Manuela, der mehrere Wochen lang den Spitzenplatz der deutschen Charts jenes Jahres belegte, wurde vom BR nicht gespielt.

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Der Anruf beim ZDF durch CSU-Pressesprecher Hans Michael Strepp war nicht der erste Versuch, Einfluss auf deutsche Journalisten zu nehmen. Wie sich die Politik schon früher bei Medien eingemischt hat - in größeren und kleineren Affären, die ans Licht gelangten.

Der Sender enthielt seinen Zuschauern eine Reihe von Filmen und Sendungen vor, vor allem solche, in denen Homosexualität thematisiert wurde. Es begann 1973 mit Rosa von Praunheims Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt". Ebenso verabschiedete sich der BR Ende der 70er Jahre von der Ausstrahlung von Wolfgang Petersens Film "Die Konsequenz". Verteidigt wurden solche Entscheidungen des BR fast ausschließlich von der Staatsregierung und von der Kirche. 1986 blendete sich der BR aus der Kabarettsendung Scheibenwischer aus, da kurz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und nach der Pfingstschlacht an der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf in der Kabarettsendung ein atomkraftkritischer Sketch aufgeführt werden sollte.

Manchmal nahm die Verflechtung zwischen Sender und Partei höchst peinliche Züge an, etwa bei dem Interview des Fernsehdirektors Wolf Feller mit dem angetrunkenen Strauß in der Wahlnacht vom 25. Januar 1987, als Feller neben den Fragen gleich auch die Antworten mitlieferte und danach dem Spott der Kollegen ausgesetzt war, während ihn die CSU attackierte, weil er den Auftritt nicht verhindert hatte.

Für Verwunderung sorgte der Auftritt von BR-Chefredakteur Sigmund Gottlieb in der Bundestagswahlnacht 2013. Im BR live Sigmar Gabriel, der das Wahlergebnis vor der Parteibasis kommentiert, immerhin der SPD-Chef. Moderator Gottlieb aber dreht ihm mitten im Satz den Ton ab. Die Aussagen seien doch "sehr erwartbar". Der BR will lieber "ein bisschen für Abwechslung" sorgen. Statt dem aktuellen Kommentar des SPD-Chefs zur Wahl sendet er ein Porträt von CSU-Chef Horst Seehofer, des Mannes, der der CSU wieder ihren Stolz zurückgegeben hätte, sagt Gottlieb. Im nächsten Bild winkt Seehofer dem BR-Fernsehpublikum zu.

Heftig kritisiert wurde auch der Auftritt des CSU-Politikers Markus Söder in der Vorabendserie Dahoam is Dahoam im Januar 2015, in der Söder das eigene Regierungsprogramm loben durfte. Solche Auftritte sind nicht mehr erwünscht, hat Intendant Ulrich Wilhelm danach verfügt, womit er wieder einen Freund weniger hat in der Staatsregierung.

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Was den CSU-Sprecher Strepp geritten hat, beim ZDF darauf zu dringen, einen SPD-Parteitag zu ignorieren, weiß hoffentlich nur er selbst. Die Causa Ulrike Strauß, Sprecherin von CSU-Minister Söder, ist komplizierter. Aber auch interessanter.

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Söder lässt jetzt einen Brief aufsetzen. Früher wäre er im BR vielleicht mit zitternden Händen geöffnet worden. Und nun? Im Büro von Albrecht Hesse, Vize-Intendant des BR, liegt prompt der Bayernkurier, auf dem Tisch. Natürlich nur ausnahmsweise, weil Wilhelm darin gerade ein Interview hatte. Die Zeiten hätten sich geändert, heißt es. Ein Brief der Staatsregierung würde dem BR "keine schlaflosen Nächte bereiten", sagt Hesse. Ob sich Lieschen Müller beschwert oder die Staatsregierung, das mache keinen Unterschied. Vielleicht einen kleinen, denn heutzutage löst so ein Brief auch im BR Empörung aus. Vor allem weil es dazu noch diverse Anrufe von CSU-Leuten in der oberen Etage des BR gegeben haben soll. "Geht's noch?" so soll es durch die Redaktionen gehallt sein. Die Satire-Sendung Quer zeigte den empörten Söder und danach ein blökendes Schaf.

Doch selbst in der CSU gibt es Zweifel, ob ein Beschwerdebrief wegen einer möglicherweise missglückten Recherche wirklich sein muss. "Ziemlich überzogen", finden manche die Aktion. Es gebe elegantere Wege, Missverständnisse auszuräumen. Ob es gelingt, dem BR konkret etwas vorzuwerfen, wagen einige zu bezweifeln, ja sogar, ob es den Brief überhaupt noch geben wird. Doch, doch, heißt es aus dem Finanzministerium. Wann? Unbekannt.

Er soll aber mit der CSU-Fraktion abgestimmt werden und sich mit den Standards im Qualitätsjournalismus befassen. Auf keinen Fall handele es sich um eine Pauschalkritik. Schließlich sei der Minister ja selbst ein "Kind des BR". Söder hat als Redakteur für den Sender gearbeitet. Noch heute hat er das Recht, seine alte Stelle wieder einzufordern. Das aber können sich wohl beide Seiten nicht mehr vorstellen.

© SZ vom 31.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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