Versteigerung eines "Führer"-Aquarells:Hitler unterm Hammer

Auktionshaus versteigert Aquarell von Adolf Hitler

130 000 Euro für das Bild eines bestenfalls fünfklassigen Kunstmalers: Ein echter "Führer" bringt immer noch viel ein.

(Foto: dpa)

Ausgerechnet in Nürnberg ist ein Aquarell Adolf Hitlers versteigert worden - für 130 000 Euro. Möglicherweise ist das Bild aber gar nicht echt.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Weidlers legen Wert auf große Namen, in den Schaukästen ihres Auktionshauses am Nürnberger Burgberg ist das eindrucksvoll dokumentiert: Die Weidlers mit Heiner Lauterbach. Die Weidlers mit Verona Pooth. Die Weidlers mit Robert Geiss, Heidi Klum, Jimi Blue Ochsenknecht.

Direkt vor der Tür steht Albrecht Dürer als Denkmal, überlebensgroß. Und im Keller des Auktionshauses kommt an diesem Samstagnachmittag ein echter Hitler unter den Hammer. Jedenfalls sind die Weidlers überzeugt davon, dass es ein echter ist: das Aquarell "Standesamt/Altes Rathaus", das die entsprechenden Gebäude in München zeigt, 28 mal 22 Zentimeter groß, Katalognummer 6649, Mindestgebot 4500 Euro.

Anfang des Jahres haben zwei Schwestern aus Hessen, denen das Bild bislang gehörte und die es kürzlich dem Nürnberger Haus zur Versteigerung angeboten haben, einer Journalistin ihr Leid geklagt.

Anonym, denn mit ihrem richtigen Namen wollten sie bitte nicht in der Zeitung stehen. Loshaben wollten sie das geerbte Aquarell, es aber wenn möglich nicht in die Hände von braunen Wirrköpfen fallen lassen. Man verstaute es erst mal im Safe.

Der Geschichte der beiden Schwestern zufolge soll es so gewesen sein: Die Großeltern der beiden haben das Bild 1916 im Münchner Gemälde-Salon Alois Baldauf erstanden. Wobei auf der ersten Rechnung noch "Gemälde von Hiller" zu lesen war, den entscheidenden Strich durch das erste "l" muss jemand nachträglich hinzugefügt haben.

Ein eigener Stil ist kaum auszumachen

Der dilettierende Kunstmaler Hitler war zu der Zeit eine ganz kleine Nummer, die Sache mit dem Strich würde also eher nicht gegen die Echtheit dieses Bildes sprechen. Wie auch immer: Die Großeltern wussten offenbar lange gar nicht, was sie sich da ins Haus geholt hatten. Erst ein Vierteljahrhundert nach dem Kauf in München entziffert jemand die Krakelsignatur am unteren Bildrand: A. Hitler.

Ein Bild vom "Führer"? Albert Bormann, der Leiter von Hitlers Privatkanzlei, soll die Echtheit des Aquarells noch während des Krieges attestiert haben: Jedenfalls, wenn jenes Schreiben echt ist, in dem Bormann bestätigt, dass es sich - soweit aus der damals eingesandten Kopie ersichtlich - "tatsächlich um eine der Arbeiten des Führers" handele.

Was deshalb trotzdem alles andere als sicher sein muss: Gerade solche angeblichen Zertifikate wurden nach dem Krieg gerne gefälscht, ein echter "Führer" versprach eben mehr einzubringen als das Kitschbild eines beliebigen anderen halbbegabten Standesamt-Abmalers. Hitler hatte oft einfach Postkarten mit dem Pinsel kopiert, ein eigener Stil ist kaum auszumachen, Fälschungen gab und gibt es zuhauf. Umso schwerer fällt die Expertise, ob ein Hitler echt ist oder nicht.

Zuschlag für einen Anonymus aus dem Nahen Osten

Die Weidlers vom Nürnberger Auktionshaus quälen diese Zweifel nicht. Es liege immerhin die Rechnung des Münchner Gemälde-Salons aus dem Jahr 1916 bei, so was, betont Juniorchefin Kathrin Weidler, habe es noch nie gegeben.

Ihre Kunden sehen das an diesem Nachmittag offenbar genauso: Zwölf Interessenten aus Amerika, Spanien, Asien und Deutschland bieten mit, schriftlich hat ein Privatier bereits ein Angebot über 85 000 Euro eingereicht.

Gesteigert wird vor allem am Telefon. Am Ende gewinnt ein Anonymus aus dem Nahen Osten, der einen adrett gekleideten Mann, offenbar seinen Statthalter, fernmündlich instruiert. Zeugen wollen gehört haben, dass der Mann am Telefon russisch gesprochen habe. Für 130 000 Euro geht das Bild über den Tisch, der Bieter flüchtet nach dem Zuschlag wortlos die Treppe hinauf.

130 000 Euro, ein stolzer Preis für das Bild eines bestenfalls fünfklassigen Kunstmalers. Vor fünf Jahren hat Seniorchef Herbert Weidler mal etwa 40 000 Euro ersteigert, damals allerdings für zwei Hitler-Werke. Es war "eben das erste Mal, dass eine Originalrechnung dabei lag", erklärt Weidler. 20 Prozent stehen ihm als Auktionator zu, einen Teil davon will er spenden.

Mit Hitler Geld machen? Hatten die Schwestern aus Hessen nicht Anfang des Jahres betont, sie wollten verhindern, dass ihr Erbstück in falsche Hände gerät? Und dann lassen sie einen vermeintlichen "Original-Führer" ausgerechnet in der Stadt der Reichsparteitage versteigern?

Kopfschütteln im Rathaus

Kathrin Weidler findet die Argumente der beiden Schwestern nachvollziehbar. Sie hätten ihr gesagt, auf die Stadt Nürnberg seien sie deshalb gekommen, weil dort 7o Millionen Euro investiert werden sollen, um die bröckelnde Zeppelintribüne zu erhalten.

Im Rathaus, einen Steinwurf vom Auktionshaus entfernt gelegen, löst das Kopfschütteln aus: "Völlig abstruse und lächerliche Argumentation", sagt einer aus der Rathausspitze, schließlich mache die Stadt Nürnberg kein Geld mit Hitler, sondern dokumentiere den NS-Größenwahn.

2005, als die Weidlers schon mal einen "original" Hitler unter dem Hammer brachten, hatte die Stadt Nürnberg sogar versucht, die Versteigerung verbieten zu lassen. Vergeblich. Diesmal wollte die Stadt vorab offenbar möglichst wenig Aufhebens machen, um eine zweifelhafte Aktion nicht noch zusätzlich zu bewerben. Allerdings mit übersichtlichem Erfolg: Ob New York Post, The Independent oder Malay Mail: Die Weltpresse zeigt sich höchst interessiert am Handel mit Hitler-Devotionalien in Nürnberg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: