Verspätungen nach Fahrplanwechsel:Bahnchaos verärgert Pendler

Fahrplanwechsel Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV)

Chaos am Bahnhof: für Pendler nichts Neues.

(Foto: dpa)

Zugausfälle, Stellwerkprobleme, Wintereinbrüche, Personenschäden: Verspätungen gehören zum Leben eines Pendlers. Nach dem Fahrplanwechsel müssen die Bahnkunden einiges mitmachen. Bei den Betreibern ist man von den Störungen überrascht.

Von Martin Mühlfenzl und Simon Schramm

Eigentlich rauscht der Regionalexpress von Grafing Bahnhof im Landkreis Ebersberg bis zum Münchner Ostbahnhof in weniger als einer Viertelstunde durch. Ein verlockendes Angebot: Viele Pendler aus Rosenheim, Bad Aibling oder Bad Endorf nutzen die Verbindung, stellen ihr Auto auf dem Parkplatz ab und steigen dort in den Zug ein. Wenn er denn kommt.

"Wenn du auf dem Bahnsteig stehst, und das Signal will einfach nicht auf grün umspringen, kommst du ins Grübeln", sagt ein Pendler aus Ebersberg, der statt der S-Bahn stets mit dem Regionalzug fährt. "Dann kommt nicht mal eine Durchsage. Nichts. Dann kannst du nicht mehr anders, fluchst und steigst wieder ins Auto." So geschehen am Montagmorgen - allerdings nicht nur in Grafing Bahnhof, sondern auch in Kufstein, Brannenburg, Rosenheim, Großkarolinenfeld und anderen Haltestellen der Strecken Rosenheim - München sowie Kufstein - München. Mitten im Berufsverkehr, bei klirrender Kälte.

Der 15. Dezember sollte für den Regionalverkehr einen Neubeginn darstellen: Die Bayerische Oberlandbahn (BOB) ist seitdem mit ihrer Marke Meridian für das Nahverkehrsnetz von München nach Rosenheim und Kufstein verantwortlich - im Werdenfelser Land hat sich die Deutsche Bahn zum Ziel gesetzt, täglich bis zu 200 Züge und damit 30 Prozent mehr Verbindungen als bisher zu bedienen.

Der Start missglückte. Dies bestätigt auch ein Bahnsprecher, der die Unzufriedenheit der Kunden in Mittenwald, Weilheim oder Penzberg nachvollziehen kann: "Es gab in der Tat Probleme, die zu erheblichen Verzögerungen geführt haben." Auf der Meridian-Trasse im Osten Münchens kam es am Montag nicht nur zu Verspätungen der Züge; nach Ausfällen musste die BOB kurzfristig sogar Schienenersatzverkehr bereitstellen. Züge waren komplett überfüllt; an den letzten Haltestellen vor München - in Aßling und Grafing Bahnhof - konnten teils keine Pendler mehr zusteigen. "Das ist höchst unangenehm, aber auch die absolute Ausnahme", sagt Gabriela Wischeropp, Sprecherin der BOB. "Das sind Startschwierigkeiten."

Eugen Kirschhock aus Großkarolinenfeld hat den Meridian nach München am Montag trotzdem genommen - und chaotische Szene erlebt: "Die letzten Tage waren mehr als drastisch." Am Montag sei der Zug bei der Ankunft in Karolinenfeld so voll gewesen, dass es keine Sitz- und Stehplätze mehr gegeben habe. Und es gebe zu wenige Möglichkeiten zum Festhalten, sagt Kirschhock, der seit eineinhalb Jahren nach München pendelt. "Wenn man groß genug ist, kann man sich an den Gepäcknetzen festhalten."

Auch am Dienstagabend bei der Fahrt zurück waren wieder keine Sitzplätze zu haben. Am Mittwochmorgen sah die Situation erstmals anders aus. Der Zug kam zwar mit zehn Minuten Verspätung, dafür gab es Platz zum Sitzen: "Es war ein zweiter Wagon angekuppelt, und das Personal hat sich um die Fahrgäste bemüht und Schokoriegel und Gummibärchen verteilt", sagt Kirschhock. Er vermutet allerdings, dass einige Pendler einfach mit dem Auto gefahren sind, statt mit den neuen Zügen.

Von den Störungen überrascht

Im Werdenfelser Land setzt die Deutsche Bahn neue Schienenfahrzeuge des Typs Talent 2 des Herstellers Bombardier ein. Wagen, die auf zahlreichen Regionalstrecken in Deutschland unterwegs sind und auch im Werdenfelser Land bereits getestet wurden. "Erfolgreich", sagt der Bahn-Sprecher. "Deshalb waren wir von den Störungen auch so überrascht." Der Vorlauf, also das elektronische Hochfahren der Züge bereite unerwartet Probleme; dies habe zur Folge, dass die Zugführer die Wagen manuell hochfahren müssten. Das koste Zeit und verursache massive Verspätungen. "Wir haben jetzt einen zusätzlichen Mitarbeiter in Mittenwald eingestellt, der den Vorgang überwacht. Damit ist das Problem unter Kontrolle", sagt der Bahn-Sprecher. Die zweite Störung, die teils nicht funktionierende Kopplung zweier Züge, sei noch nicht behoben - der Hersteller arbeite an einer Lösung.

Auch die neuen Züge des Typs Flirt von Meridian haben mit Problemen zu kämpfen - etwa mit der Lüftung und dem Luftdruck. Der Ausfall eines Zuges ab Kufstein am Montag gegen 6 Uhr sorgte für "rattenschwanzartige" Verspätungen, sagte Sprecherin Wischeropp. Schlimmer aber wiegt die Tatsache, dass der schweizerisch-deutsche Hersteller noch nicht alle 35 neuen Schienenfahrzeuge geliefert hat; dieser Engpass belastet den ambitionierten Fahrplan von Meridian zusätzlich.

Den Kunden interessieren technische Details freilich nicht - sie wollen nicht frieren, warten, und dann im Zug stehen. Wie Michael Schnitker, 53, der seit sechs Jahren von Rosenheim nach München pendelt. Am Dienstag und Mittwoch habe sich die Situation aber ohnehin schon entspannt, sagt er - und spricht dennoch eine kleine Warnung aus: "Der wirkliche Ansturm kommt am 7. Januar." Also nach den Ferien. Bis dahin müsse die BOB alle Schwächen beseitigt haben: "Dann wird's chaotisch, wenn das so bleibt."

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Eigentlich sollte alles besser werden. Mehr Komfort, mehr Platz, schnellere Verbindungen und eine höhere Taktung - all das hatten sich die Deutsche Bahn und die Bayerische Oberlandbahn für ihre Strecken zwischen Rosenheim, Kufstein und der Landeshauptstadt sowie im Werdenfelser Land vorgenommen. Doch der Auftakt mit der Umstellung der Fahrpläne am Sonntag und insbesondere zum Wochenstart am Montag und Dienstag war für viele Pendler ernüchternd: Gestrichene Verbindungen, defekte Triebwagen der neuen Züge des Typs "Flirt" und "Talent 2", lange Wartezeiten und fehlende Durchsagen auf den Bahnsteigen. Wie haben Sie den Start der Verbindungen im Berufsverkehr erlebt? Schreiben Sie uns Ihre Eindrücke und Erlebnisse an folgende Adresse: bayernredaktion@sueddeutsche.de.

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