Versicherungen nach dem Hochwasser:Angst vor dem Ruin

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Völlig verwüstet: Die Einrichtung einer Bäckerei liegt zerstört und verschlammt vor dem Laden. In den meisten anderen Häusern sieht es ganz ähnlich aus. (Foto: Getty Images)
  • Die Flutwelle in Niederbayern hat nach einer neuen Schätzung einen Schaden von mehr als einer Milliarde Euro verursacht. Diese Zahl nannte der Landrat von Rottal-Inn am Samstag.
  • Von ihren Versicherungen können Hausbesitzer dagegen nur dann Geld erwarten, wenn ihre Gebäudeversicherung und ihre Hausratversicherung auch einen Schutz gegen "weitere Elementarschäden" umfassen.
  • Die Landesregierung hat deshalb zusätzliche Hilfsgelder für die Flutopfer angekündigt.

Von Christian Sebald, München

Noch steht nicht fest, wie hoch die Schäden durch die Flutkatastrophe in Niederbayern und in Mittelfranken sind. Sicher ist nur, dass sie immens sind. Das zeigt sich schon daran, dass allein am Freitag und Samstag etwa 2,6 Millionen Sofortgeld an die Flutopfer ausbezahlt hat. Jeder betroffene Haushalt bekommt 1500 Euro. Von dem Geld können sich die Flutopfer, die oft alles verloren haben, Kleidung, ein Handy, Windeln für ihre Babys und andere Dinge des täglichen Bedarfs kaufen.

Auch ansonsten will der Freistaat schnell und unbürokratisch helfen, wie Innenminister Joachim Herrmann betont. Finanzminister Markus Söder kündigte schon für die Kabinettssitzung am Dienstag eine Vorlage für ein Hilfsprogramm an. Alles in allem werden die Flutschäden in Niederbayern und in Mittelfranken eine dreistellige Millionensumme betragen.

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Von ihren Versicherungen können Hausbesitzer aber nur dann Geld erwarten, wenn ihre Gebäudeversicherung und ihre Hausratversicherung auch einen Schutz gegen "weitere Elementarschäden" umfassen - also gegen Hochwasser, Hangrutsche, Schneedruck und andere extreme Naturereignisse. Die Zahl solcher Kalamitäten steigt seit Jahren kontinuierlich an. Der Grund ist der Klimawandel. Versicherungen, Politiker und Verbraucherschützer raten Hausbesitzern deshalb eindringlich zu solchen Elementarschaden-Versicherungen. Aber die Nachfrage ist vergleichsweise gering. In Bayern haben dem Versicherer Munich Re zufolge nur 27 Prozent der Hausbesitzer solche Elementarschaden-Versicherungen.

Merten Larisch, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Bayern, kann das nicht verstehen. "Bei einer mittleren Risikostufe kostet eine Elementarschadenversicherung gegen Gebäudeschäden vielleicht 300 bis 800 Euro im Jahr", sagt er. "Das ist bei Schadenssummen von schnell mehreren Hunderttausend Euro pro Wohnhaus bei einer Überschwemmung oder einem anderen Extremereignis doch ein vertretbarer Betrag."

Auch Unternehmer sind nur mit einer Elementarschaden- oder einer All-Risk-Versicherung gegen Hochwasserschäden an ihren Firmengebäuden, Maschinen und sonstigem Inventar geschützt. All-Risk-Versicherungen ersetzen sogar Produktionsausfälle. Bei Autos springt die Kaskoversicherung ein, und zwar sowohl die Teil-, als auch die Vollkaskoversicherung - natürlich abzüglich der vereinbarten Eigenbeteiligung.

Die Grundzüge des Hilfsprogramms, das Söder und seine Beamten schnüren, stehen bereits fest. Zum einen umfasst es die 1500 Euro Sofortgeld, von denen die Flutopfer Dinge des täglichen Bedarfs anschaffen können. Die Mitarbeiter an den Landratsämtern der Hochwasserregionen haben mit der Auszahlung schon begonnen.

Bei dem Sofortgeld spielt es keine Rolle, ob die Schäden versicherbar gewesen wären oder nicht. Sollte aber später eine Versicherung den Opfern den Schaden ersetzen, muss das Sofortgeld laut einer Ministeriumssprecherin angerechnet werden - denn der Schadenersatz darf nicht den tatsächlichen Schaden übersteigen. Die Klausel gilt auch für die anderen Punkte des geplanten Hilfsprogramms.

Außerdem können die Flutopfer Soforthilfen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und die Beseitigung von Ölschäden beanspruchen. Gerade Schäden durch auslaufende Öltanks müssen schnell beseitigt werden, weil Heizöl-Reste in Kellern und am Mauerwerk nicht nur übel riechen und eine Gesundheitsgefahr sind. Sondern weil sie das Mauerwerk schnell und stark beschädigen. Die Soforthilfe für Ölschäden ist auf maximal 10 000 Euro je Haushalt gedeckelt, die für Hausrat auf 5000 Euro. Es gibt noch eine Einschränkung: Wären die Schäden versicherbar gewesen, gibt es Abschläge von 50 Prozent. Der Höchstbetrag der Soforthilfe reduziert sich dann auf 5000 Euro bei Ölschäden und 2500 Euro bei Hausrat.

Zugleich kündigte Söder einen "Härtefonds für existenzielle Notlagen" an. Er ist für Flutopfer gedacht, die vor dem Ruin stehen, wenn ihnen der Staat nicht hilft. "Solchen Opfern werden die entstandenen Schäden bis zu hundert Prozent ersetzt", erklärte die Sprecherin. "Aber sie müssen dafür nicht nur die Schäden genau belegen, sondern auch ihre existenzielle Notlage nachweisen." Wie auch immer, schon jetzt steht fest, dass sich die Abwicklung der Schäden und die Auszahlung der Hilfen lange hinziehen wird.

Am Freitag jährte sich die Hochwasserkatastrophe in Deggendorf zum dritten Mal. Am 3. Juni 2013 löste Landrat Christian Bernreiter in seinem Landkreis den Katastrophenalarm aus. Auch drei Jahre danach sind im Landratsamt Deggendorf sechs Mitarbeiter mit der Überprüfung der Hilfsanträge und der Auszahlung des Geldes aus dem staatlichen Aufbauhilfefonds beschäftigt, der im Jahr 2013 für die Opfer der bundesweiten Hochwasserkatastrophe eingerichtet worden ist. Und so wie es aussieht, haben die sechs Mitarbeiter noch drei weitere Jahre damit zu tun.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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