Verbot der Verpackungssteuer„Wir brauchen keine Gscheidhaferl aus München, die uns da reinschmatzen“

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Achtlos weggeworfen: Einweg-Kaffeebecher und Plastikschalen auf einem Gehweg.
Achtlos weggeworfen: Einweg-Kaffeebecher und Plastikschalen auf einem Gehweg. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Um der Flut an weggeworfenen Einwegverpackungen Herr zu werden, haben sich bayerische Städte einiges ausgedacht. Aber das ist jetzt verboten. So reagieren die Kommunen.

Von Linus Freymark, Florian Fuchs, Lisa Schnell und Max Weinhold

In Regensburg hatten sie die Idee mit der Verpackungssteuer schon vor gut einem Jahr und zwar nicht nur die Grünen, sondern nahezu der ganze Stadtrat fand die Idee gut – wenn die Gerichte sie denn billigen. Als das Bundesverfassungsgericht das im Januar 2025 dann tatsächlich tat, schien die Sache klar zu sein: „Ich gehe davon aus, dass eine Verpackungssteuer auch für Regensburg eine gute Möglichkeit sein könnte, den Abfall weiter zu reduzieren“, sagte der für Umweltfragen zuständige Dritte Bürgermeister, Ludwig Artinger von den Freien Wählern, damals. Jetzt sagt er: „Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt.“

Wobei Rom mit München zu ersetzen ist, wo die Staatsregierung es den Kommunen quasi verboten hat, eine Verpackungssteuer zu erlassen. Diese stünde im Widerspruch zu dem Versprechen, Bürokratie abzubauen, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann nach dem entsprechenden Kabinettsbeschluss. Einwegbecher, Essensschachteln – gerade in den wärmeren Monaten des Jahres hat so manche bayerische Kommune mit einer regelrechten Flut an Müll zu kämpfen. Eben dann, wenn sich die Freizeit im Freien abspielt und sich die Bürger für das leibliche Wohl mal schnell etwas auf die Hand kaufen. Eine Steuer auf solche Einwegverpackungen – nach dem Vorbild einer solchen in Tübingen – war für viele Städte ein passendes Mittel, um die Müll-Flut einzudämmen. Bei Art und Tempo der Umsetzung bahnte sich für Bayern ein Flickenteppich an und so fallen auch die Reaktionen auf das Verbot unterschiedlich aus.

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Allzu große Entrüstung etwa bei Artinger in Regensburg scheint das abrupte Ende der Verpackungssteuer nicht auszulösen. Sicher, er spüre schon Bedauern,  „weil es ein Instrument gewesen wäre, der Müllflut Herr zu werden“. Und, weil die kommunale Selbstverwaltung nun „ein bisschen eingeengt“ sei. Andererseits hätten sie auch in Regensburg gesehen, dass so eine Steuer für Bürger und Gastronomen eine Belastung sei.

Außerdem hat Artinger sich mal die Vollzugshinweise angesehen, die in Tübingen zur Verpackungssteuer erlassen wurden, an die 30 Seiten seien das, „ein kleines Bürokratiemonster“. Dazu hätten sie in Regensburg drei bis vier Vollzeitkräfte gebraucht, um die Steuer umzusetzen, ein Aufwand, findet Artinger. Dazu komme der „Flickerlteppich“, der in Bayern entstehe, wenn jede Kommune eine andere Regelung habe.  Die einzige wirklich sinnvolle Lösung ist für Artinger deshalb eine bundesweite Lösung, wie sie die Ampel geplant hatte, aber leider nicht mehr umsetzen konnte.

Ganz anders hört sich das an, wenn man mit Artingers Kollegen Daniel Gaittet spricht. Er ist Fraktionschef der Grünen im Stadtrat und bringt schon eine ganze Schippe mehr Empörung auf. Das Verbot der Staatsregierung für eine Verpackungssteuer nennt er „eine ziemliche Frechheit“. Bayerische Kommunen, egal ob mit einem CSU-Bürgermeister oder einem von den Grünen, wüssten am besten, was gut für ihre Stadt sei: „Wir brauchen keine Gscheidhaferl aus München, die uns da reinschmatzen.“ Fragwürdig sei das Handeln der Staatsregierung aber nicht nur politisch, sondern auch juristisch.

Die Grünen haben deshalb im Landtag eine schriftliche Anfrage an das Innenministerium eingereicht, die eine juristische Erklärung fordert. Eigentlich dürfte das Innenministerium eine solche Steuer nur untersagen, wenn diese höherem Recht, also Landes- oder Bundesrecht, widerspreche. Dass dies auf die Verpackungssteuer nicht zutreffe, habe ja aber das Bundesverfassungsgericht klargestellt, so Gaittet. Auch das sieht sein Kollege, Ludwig Artinger, übrigens anders. Rechtlich habe die Staatsregierung gemäß dem Kommunalabgabengesetz gehandelt. Bei der Ersterhebung von Steuern müsse das Innenministerium der Genehmigung durch die Bezirksregierung zustimmen. Und das habe es eben nicht getan.

Kommunen beklagen wegfallende Einnahmequelle

Im Umkreis von Augsburg etwa gibt es kleinere Gemeinden, die die Einführung einer Verpackungssteuer bereits diskutiert, aber dann wieder verworfen haben. Zu groß wäre der Aufwand, zum Beispiel um extra eine Stelle in der Verwaltung zu schaffen. In Augsburg wollte die Stadtregierung das Votum der Staatsregierung abwarten, insofern hat sich das Thema nun erledigt. Vor allem die Grünen, die als kleinerer Koalitionspartner mit der CSU die Geschäfte führen, sind wütend: „Diese Entscheidung ist ein politischer Offenbarungseid“, erklärt Sprecherin Hannah Judith.

„Während wir Kommunen mit knappen Kassen kämpfen, um unsere Aufgaben im Klima-, Umwelt- und Bildungsbereich zu erfüllen, verweigert uns der Freistaat neue Einnahmemöglichkeiten“, kritisiert auch Peter Rauscher, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat. Gerade in Städten mit hohem Besucheraufkommen bedeute der Verzicht auf steuerliche Lenkungsinstrumente mehr Müll, mehr Kosten und weniger Einfluss vor Ort.

Der stellvertretende Bürgermeister der Stadt Bamberg, Jonas Glüsenkamp, bedauert die Entscheidung des Kabinetts. „Als touristisch geprägte Welterbestadt haben wir sehr stark mit Einwegmüll im Innenstadtbereich zu kämpfen“, sagt der Grünen-Politiker. „Es scheint vernünftig, hier nach dem Verursacherprinzip vorzugehen und nicht die Allgemeinheit die verheerenden Auswirkungen der To-go- und Wegwerfkultur zahlen zu lassen.“

Außerdem sei die Finanzlage in Bamberg wie in vielen Kommunen angespannt, sagt Glüsenkamp. „Wir haben als Auflage unseres Haushaltsvollzugs, dass wir alle Einnahmepotenziale voll ausschöpfen müssen. Nun ist uns eine weitere Einnahmemöglichkeit vorerst verwehrt.“

Im mittelfränkischen Schwabach strebten Glüsenkamps Parteifreunde ebenfalls eine Verpackungssteuer nach Tübinger Vorbild an, die Grünen-Fraktion brachte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Beginn des Jahres einen entsprechenden Antrag in den Stadtrat ein. Im Umweltausschuss fand sich dafür keine Mehrheit, weil der Antrag ein Vorpreschen Schwabachs vorsah, ohne das Vorgehen mit den Nachbarn in der Metropolregion Nürnberg abzustimmen, was für die Kommune einigen Aufwand bedeutet hätte. Aufgeben wollen die Schwabacher Grünen nicht. „Wir prüfen rechtliche Schritte“, sagt Co-Fraktions-Chef Klaus Neunhoeffer am Telefon. Diesmal nicht alleine, wie er betont, sondern gemeinsam mit „Nachbarkommunen und Nachbarorganisationen“. Ideal wäre auch aus seiner Sicht eine bundesweite Lösung.

18 neue und größere Abfalltonnen allein in Nürnberg

In Nürnberg, einem unmittelbaren Nachbarn Schwabachs, hält man eine „Insellösung“ ebenso wenig für adäquat. „Verpackungsmüll und seine Verursacher kennen keine Stadtgrenzen“, teilt ein Stadtsprecher mit. Bayerns zweitgrößte Stadt, in der es 2024 rund 7500 Tonnen „wilde Abfallmengen“ im öffentlichen Raum gegeben habe, sei „an einer einheitlichen Lösung gelegen“. Wenn dies auf kommunaler Ebene nicht möglich sei, dann müsse es auf Länder- oder besser noch auf Bundesebene für alle gleich geregelt werden. Gerhard Groh sieht in der Entscheidung gleich mehrere verpasste Chancen: jene, „die Verschmutzung unserer Städte und unserer Umwelt zu reduzieren“, wie der umweltpolitische Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion mitteilt. Und jene, „einen kulturellen Wandel weg von der Wegwerfgesellschaft“ auszulösen und den Umstieg auf Mehrweggeschirr zu fördern.

In Nürnberg stapelt sich bei gutem Wetter sowohl in Parks als auch in der Innenstadt regelmäßig der Müll. Im Zentrum stellt die Stadt deshalb heuer 18 neue, größere Abfalltonnen auf. Das Thema Sauberkeit „bewegt die Menschen dieser Stadt“, erklärte Bürgermeister Christian Vogel (SPD) dazu vor einiger Zeit.

Anders als in Nürnberg blickt man am Starnberger See auf die Diskussion zur Verpackungssteuer. Starnbergs Bürgermeister Patrick Janik fände es mit Blick auf die „kommunale Selbstverwaltung“ gut, wenn jede Stadt und jede Gemeinde selbst entscheiden könnte, ob sie die Steuer braucht oder nicht. „Wir wissen doch selbst am besten, was gut für uns ist“, findet Janik. Für Starnberg wäre die Abgabe laut Janik sinnvoll gewesen – vor allem wegen der vielen Tagestouristen, die gerade in den Sommermonaten zwar ein bisschen Geld, aber auch viel Müll hinterlassen. Dessen Entsorgung kostet die Stadt jedes Jahr einen Haufen Geld.

Der Stadtrat hatte die Verwaltung deshalb vor zweieinhalb Wochen damit beauftragt, eine Einführung der Abgabe zu prüfen – nun ist das Vorhaben vom Tisch. „Ich finde das bedauerlich“, sagt Bürgermeister Patrick Janik. Auch CSU-Stadtrat Thomas Beigel war „schon etwas verwundert“ über die Entscheidung aus München. Nachdem sich in Starnberg zunächst die Grünen für die Einführung der Verpackungssteuer starkgemacht hatten, war es Beigels Fraktion gewesen, die den Antrag für die Abgabe im Stadtrat eingebracht hatte. Nun machen die eigenen Parteikollegen der Starnberger CSU einen Strich durch die Rechnung.

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