So also sieht eines der angeblich schlimmsten Hotels in Deutschland aus: ein mehr als hundert Jahre altes Haus in der Gemeinde Bayrischzell, geprägt von einer landestypischen Holzverkleidung vor Bergkulisse. Der Name "Alpenrose" prangt in altdeutscher Schrift an der weißen Fassade. Alles wirkt unauffällig. Glaubt man aber dem Internet-Portal "Holiday Check", so erwartet einen in der "Alpenrose" eine "Zumutung und ein Fall für die Gewerbeaufsicht", wie es in einer Hotel-Bewertung heißt. Solch vernichtende Urteile haben aber mittlerweile auch die Internet-Bewertungen ins Zwielicht gerückt.
"Holiday Check" veröffentlichte vor kurzem im Internet eine Liste der unbeliebtesten deutschen Hotels. Als Grundlage dienten die Bewertungen aus dem Jahr 2012. Die "Alpenrose" ist demnach das siebtschlechteste Gästehaus. Der Inhaber, Stefan Menig, findet das nicht so gut: "Das Problem ist doch, dass jeder in den Bewertungen schreiben kann, was er will, aber niemand nachprüft, ob derjenige jemals Gast im Hotel war."
Aber auch andere bayerische Hoteliers stehen auf der Negativ-Liste. Laut "Holiday Check" liegen ausgerechnet im beliebten Ferienland drei der zehn unbeliebtesten deutschen Hotels. Auf Platz neun ist das "Seehotel zur Post" am Tegernsee platziert. Den unrühmlichen ersten Platz belegt der Ferienpark Bischofsmais, laut "Holiday Check" das unbeliebteste Hotel Deutschlands.
Aus den Bewertungen geht hervor, dass die Ferienanlage in Bischofsmais veraltet sei. Ein Gast schreibt, die Küche sei nur dürftig ausgestattet. Ein anderer klagt über eine Bettdecke mit alten Blutflecken. Geschäftsführerin Nicole Stecher stellt zwar die Mängelliste nicht in Abrede, bezeichnet die Liste aber trotzdem als "rufschädigend". Sie macht für die schlechten Bewertungen jene All-Inclusive-Gäste verantwortlich, mit denen es Auseinandersetzungen gegeben habe: "Diese Klientel hat, um es vorsichtig zu sagen, einen sehr schlechten Ruf."
Mieser Service und eine Dose Margarine
Weitere Kritik trifft das Drei-Sterne-"Seehotel zur Post" am Tegernsee, dort sei der Service "mies", heißt es. Außerdem schreiben die Urlauber, "es steht eine Dose Margarine auf dem Buffet, in die dann jeder mal mit dem Messer reinlangen kann". Eduard Zech vom "Seehotel" sieht das locker: "Wir nehmen solche Kritik nur bedingt ernst, denn vieles wird nur aus Boshaftigkeit geschrieben. Außerdem bilden diese Portale nicht die Wirklichkeit ab, da sich hauptsächlich unzufriedene Gäste äußern, aber kaum zufriedene."
Im März gab das Landgericht Hamburg einer Hotelgruppe Recht, die gegen "Holiday Check" geklagt hatte. Zunächst hatte sich das Hotel an den Betreiber gewandt und darum gebeten, bestimmte Bewertungen zu entfernen. Dieser verlangte jedoch vom Hotel "substanziierte Darlegungen", warum die Behauptungen in den Nutzerbewertungen falsch seien.
Gericht rüffelt "Holiday Check"
Doch das Gericht stärkte den Hoteliers den Rücken: Die Beweislast für negative Tatsachenbehauptungen liegt demnach beim Portal. "Holiday Check" verstoße gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, da man dort nicht nur Bewertungen abgeben, sondern auch Hotels buchen könne. Laut Landgericht Hamburg darf "Holiday Check" nicht "geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen" verbreiten und sich dann "hinter der Meinungsfreiheit der Nutzer verstecken".
Die Gäste in der Bayrischzeller "Alpenrose" sind sich in einem Punkt einig: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt. Wer dort absteigt, wird kein "Vier Jahreszeiten" vorfinden. Aber was erwartet man bei einem Zimmer, das 35 Euro für eine Übernachtung mit Frühstück kostet?
Rita Zunker und Ottmar Habel aus München, die gerade einen Kurzurlaub machen, haben an der "Alpenrose" kaum etwas auszusetzen: "Die Zimmer sind sauber, der Wirt gibt sich auch Mühe. Natürlich haben wir die Bewertungen gelesen, aber wir haben uns davon nicht abschrecken lassen." Sie würden jederzeit wieder kommen, sagen sie. Ein anderer Gast beklagt dagegen, in seinem Zimmer seien die Vorhänge zerrissen. Außerdem gebe es keine Ablagemöglichkeiten im Bad. Jedoch habe der Hotelier nach einer Reklamation sofort reagiert.
Erpresserische Gäste und anonyme Drohungen
Dieser sieht sich vor allem als Opfer. Menig behauptet, es komme des öfteren vor, dass ihn Gäste erpressten. "Es gibt Leute, die buchen für 189 Euro fünf Tage All Inclusive und erwarten, dass ich sie in unserem Turm-Zimmer, also der besten Kategorie, unterbringe, sonst drohen sie mir mit schlechter Bewertung in den Online-Portalen." Diese Art der Erpressung ist jedoch noch harmlos.
Neben sogenannten Ghost-Writern, die bei den Hotels anrufen und gute Bewertungen für rund 500 Euro anbieten, erhält Menig mitunter auch anonyme Anrufe. "Die sagen, ich soll 1000 Euro auf ein niederländisches Konto überweisen, sonst werde ich derart schlechte Bewertungen bei "Holiday Check" bekommen, dass meine Weiterempfehlungsrate auf unter 60 Prozent sinkt."
Diese ist enorm wichtig für die Hotels, um weiterhin von den Reiseveranstaltern gebucht zu werden. Derzeit ist die Weiterempfehlungsrate der "Alpenrose" bei 55 Prozent. Darauf reagierten nicht nur die Reiseveranstalter verärgert, sondern auch die Gemeinde Bayrischzell, die von Menig nun verlangt, die angeblichen Missstände zu beseitigen.
"Soll ich etwa Schutzgeld zahlen?"
Um den Ruf seines Hotels wieder reinzuwaschen, überlegt Menig nun, "Holiday Check" auf Schadenersatz zu verklagen. Er fühlt sich vom Gerichtsurteil in Hamburg ermutigt und rechnet sich gute Chancen aus. "Dieses Portal öffnet Erpressungen Tür und Tor", glaubt er. "Soll ich etwa Schutzgeld zahlen, damit mich niemand in den Ruin treibt? Das sind Zustände wie bei der Mafia."
Eine Studie der FH Worms belegt, dass fünf Prozent der befragten Hoteliers schon einmal gefälschte Bewertungen angeboten wurden. "Holiday Check" weiß über diesen illegalen Markt Bescheid. Sprecher Claudius Moarefi betont: "Wir gehen aktiv gegen solche Fälscher vor und zeigen diese wegen Betruges an." Man habe sich bewusst für ein offenes Portal entschieden, wo niemand von der Bewertungsabgabe ausgeschlossen werde. Zudem können Hoteliers kostenlos unter jede Bewertung einen eigenen Kommentar schreiben. Die Liste der unbeliebtesten Hotels sei keineswegs geschäftsschädigend, findet Moarefi. "Geschäftsschädigend ist, wie ein Hotelier sein Hotel führt."