Verluste in der Bayerischen Geschichte:Verlegt, verschlampt, verschmissen

Gebiss verloren

Der Verlust eines Gebisses gehört zu den skurillsten Verlusten in Bayern - darin war der Schnupfer Balthasar Z. verwickelt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ein Schnupfer hat sein Gebiss verloren, ein Wiesnbesucher das Verdienstkreuz und der Freistaat die Verfassung. Über die kurze Geschichte des Verlusts in Bayern.

Von Hans Kratzer

Bierrekord verfehlt, Hendlrekord gescheitert, Besucherrekord in weiter Ferne. Die Mittelmäßigkeit der Wiesn 2014 spiegelt sich nicht nur in den Verzehr- und Gästezahlen, sondern auch in der Fundsachenbilanz wider. Es ist eine Litanei des Banalen: Verloren wurden unter anderem 900 Ausweise, 770 Kleidungsstücke, 530 Geldbörsen, 400 Schlüssel, 330 Smartphones, 230 Brillen und zwei Eheringe. Einen Ausreißer ins Kuriose hinein gab es freilich doch, denn im Wiesn-Fundbüro wurde auch ein Bundesverdienstkreuz als vermisst gemeldet.

Dieses Teil wirft natürlich eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage auf. Warum geht ein Mensch mit einem Orden auf die Wiesn? Darf er das überhaupt? Immerhin existiert eine Vorschrift für das Tragen der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Und diese schreibt unmissverständlich vor, das Ordenszeichen in der Öffentlichkeit so zu tragen, wie es seine Würde gebietet. Dass die Auszeichnung nach der vierten Mass im Wiesnzelt zu präsentieren ist, steht nirgends geschrieben. Man sollte den Träger mit dem Orden wider den tierischen Ernst trösten.

Geschichte Bayerns mit politisch brisanten Verlusten gepflastert

Doch Spaß beiseite. Der Verlust eines Ordens auf der Wiesn ist schlimm, aber noch erschreckender ist die Tatsache, dass die gesamte Geschichte Bayerns mit politisch brisanten Verlusten gepflastert ist.

Als der damalige Landtagspräsident Alois Glück 2006 eine Ausstellung zum 60-jährigen Bestehen der Verfassung des Freistaats eröffnete, da staunten die Gäste: Glück präsentierte nämlich anstelle des wichtigsten Objekts der Schau nur einen Steckbrief: "Bayerische Verfassung gesucht!" Tatsächlich ist die Originalurkunde der Verfassung verschwunden. Ministerpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) hatte das Dokument am 2. Dezember 1946 zwar rechtmäßig unterschrieben, aber seitdem ist das bedeutendste Dokument bayerischer Staatlichkeit unauffindbar.

Ein für Bayern vielleicht noch herberer Verlust ist der verschwundene "Blaue Wittelsbacher", einer der kostbarsten Diamanten der Welt. Von 1806 bis 1918 war der Diamant der Leitstein der bayerischen Krone und damit das Staatssymbol schlechthin. Nach dem Sturz der Monarchie verschwand der Stein in den Tresoren wechselnder Besitzer, unter anderem besaß ihn die Frau des Kaufhausmagnaten Horten. Heute gehört das Glanzobjekt wohl einem Scheich, der für den ehemaligen Leitstein der bayerischen Krone mindestens 80 Millionen US-Dollar hingeblättert haben soll.

In ähnliche Unkosten stürzte sich einst auch nach Belieben der bayerische Kurfürst Max Emanuel (1662-1726). Er führte ein Leben voller Verschwendung, Misswirtschaft und Frauengeschichten. So schaffte er es problemlos, das ganze Kurfürstentum Bayern zu verspielen. "Wir haben heute alles verloren", schrieb er nach dem Desaster bei der Schlacht von Höchstädt 1704. Als Herrscher ohne Land lebte der Größenwahnsinnige in Brüssel und Paris und kehrte gnadenhalber erst zehn Jahre später nach Bayern zurück, wo seine Untertanen unter der Schreckensherrschaft der Habsburger ebenfalls alles verloren hatten, viele sogar ihr Leben. Die Schulden Max Emanuels belasteten den bayerischen Staatshaushalt bis ins 19. Jahrhundert.

Kampfhubschrauber verliert während eines Flugs Waffenträger

Nur gut, dass wir heute keine Schlachten mehr schlagen müssen. Vielleicht ginge es uns wie dem Feldherrn Max Emanuel. Große Schnauze, nix dahinter. Vor wenigen Wochen hat ein Kampfhubschrauber vom Typ "Tiger" während eines Flugs auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr seinen Waffenträger verloren. Kein Problem, dort hingen ja nur Panzerabwehrraketen des Typs "Hot", zum Glück fehlten die Gefechtsköpfe.

Politische Sprengkraft entwickelte vor Jahren auch ein Verfahren gegen Max Strauß, den Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Er wurde 2007 wegen nicht ausreichender Beweise vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen. Bei einer Hausdurchsuchung im Januar 1996 war aber eine Festplatte sichergestellt worden, die dann auf mysteriöse Weise verloren ging und die staatlichen Verlustlisten um eine weitere Kuriosität bereicherte.

Auch Strauß senior erregte Aufsehen mit einem Verlust. Spät nachts war ihm in New York die Brieftasche abhanden gekommen, später wurde sie bei zwielichtigen Damen sichergestellt, was dem Politiker Strauß Häme und Spott eintrug.

Der lächerlichste Verlust der bayerischen Geschichte

Der aus politischer Sicht wohl lächerlichste Verlust der bayerischen Geschichte ereignete sich in den Münchner Wirren der Revolution von 1919. Damals meldete der Revolutionär Lipp, der zum Leiter für Auswärtige Angelegenheiten ernannt worden war, in einer Depesche an Lenin die glückliche Vereinigung des Proletariats Oberbayern. Übereifrig teilte er ihm außerdem noch mit, dass bei der Revolution einiges schief gelaufen war - Ministerpräsident Hoffmann habe bei seiner Flucht aus dem Ministerium den Abortschlüssel mitgenommen. "Schöne Sch . . ." wird Lenin geflucht haben.

Einer der skurrilsten Verluste in Bayern überhaupt hat sich ebenfalls auf dem Abort zugetragen. Darin verwickelt war der Schnupfer Balthasar Z., der an der Schnupf-Meisterschaft im oberbayerischen Sachsenkam teilgenommen hatte. Wie alle Kämpfer hatte er sich tüchtige Prisen Schmai in die Nase gezogen, weshalb er später auf der Toilette Gurgel und Nase von der klebrigen Masse befreite. Dabei spuckte er auch das Gebiss aus. Die Wirtin fand es am nächsten Morgen im Gebräu des Pissoirs. Im Ranking der kuriosesten bayerischen Fundstücke liegt das Gebiss ganz vorne, gleichauf mit verlorenen Buschtrommeln, aber deutlich vor Motorsägen, Brautkleidern und Unterhosen.

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