Verlagerung von Behörden:Großes Zerren um Beamtenstellen

Markus Söder.

Markus Söder (CSU) will am Mittwoch seine Pläne zur Verlagerung von Behörden in den ländlichen Raum vorstellen.

(Foto: dpa)
  • Heimatminister Söder will Behörden in den ländlichen Raum verlegen. Am Mittwoch wird er seine Pläne öffentlich vorstellen.
  • Zahlreiche Gemeinden und Regionen haben sich beworben - allesamt mit guten Argumenten.
  • Minister Söder hüllt sich bislang in Schweigen, nicht einmal die Kabinettskollegen kennen sein Konzept.

Von S. Mayr, F. Müller, H. Effern, W. Wittl und K. Auer

In Bayern gibt es fast 260 000 Staatsbedienstete - da ist es keine große Sache, wenn 1500 von ihnen innerhalb von einem Jahrzehnt umziehen. Sollte man meinen.

In Wahrheit ist das dazugehörige Programm, das Heimatminister Markus Söder an diesem Mittwoch vorstellen will, eines der wichtigsten für die CSU in dieser Amtsperiode. Als Quasi-Staatspartei darf man sich vieles leisten, aber keinesfalls verärgerte Staatsdiener. Und wenn es für die CSU so wichtig ist, dann für Söder erst recht. Er hat schließlich noch etwas vor mit der Partei.

Entsprechend groß ist die Aufregung in den Tagen davor. Bei Söder. In der Partei. In der Regierung. Und überall im Land, wo man hofft zu profitieren. Söder will den ganz großen Aufschlag an diesem Mittwoch, und man weiß um seine Künste der Inszenierung. Deswegen darf ja nichts vorher durchsickern, deswegen jagt am Mittwoch ein Verkündungstermin den nächsten. Sondersitzung des Kabinetts. Dann Unterrichtung der Personalvertretungen der Ministerien. Sitzung der CSU-Fraktion. Schließlich die Pressekonferenz. Vorher ist alles geheim. Anders als sonst, bekommen nicht einmal die Kabinettskollegen Söders Papier ein oder zwei Tage vorab. Sondern erst am Mittwoch als Tischvorlage. Mittwoch ist Södertag. Und das Gefeilsche um die Staatsposten in der Region ist enorm. Zum Beispiel in...

Wunsiedel

Landrat Karl Döhler ist guten Mutes, dass Söder den Umzug einer Behörde von München nach Marktredwitz verkünden wird. Er meint sogar gelegentlich schon "leichte Andeutungen" des Finanzministers vernommen zu haben. Döhlers Ansicht nach wäre das nur logisch. Immerhin hätten sich alle Bürgermeister im Landkreis Wunsiedel auf Marktredwitz geeinigt und eine gemeinsame Bewerbung losgeschickt. Auf dem Landesgartenschau-Gelände, wo gerade noch eine alte Textilfabrik abgerissen werde, sei genug Platz für ein neues Amt. Der Bahn-Anschluss sei gut, die Wohn- und Lebensqualität ohnehin. Und außerdem seien alle anderen in Oberfranken schon bedient worden. Hof und Kronach, Bamberg, Bayreuth und Coburg ohnehin, alle hätten sie Universitäten, Hochschulen oder Behörden.

Doch Wunsiedel liegt in diesen Tagen praktisch überall. Seitdem das Umzugsprogramm angekündigt wurde, liegen die Bürgermeister aus ganz Bayern Söder in den Ohren. Ursprünglich war es gedacht als Hilfspaket für die strukturschwachen ehemaligen Grenzlandgebiete. Mittlerweile zeichnet sich jedoch ab, dass Söder den ganzen Freistaat beglücken will. Das weckt Hoffnungen, zum Beispiel auch in...

Kaufbeuren

Dort rechnet Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) fest damit, dass seine strukturschwache Stadt berücksichtigt wird. Jedenfalls hätten ihm dies sowohl Ministerpräsident Seehofer als auch Finanzminister Söder versprochen. "Wir sind die einzige kreisfreie Stadt Bayerns ohne Autobahnanschluss und haben mit die wenigsten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze." Zusätzlich geschwächt werde Kaufbeuren durch die Schließung des Bundeswehr-Fliegerhorstes. OB Bosse geht davon aus, dass eine Art "Behördenzentrum" kommen werde, mit diversen Ämtern. Die Anzahl der Dienstposten könne dann langfristig "aufwachsen" - analog zum Abbau der Stellen im Fliegerhorst.

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In Kaufbeuren hat man gute Argumente vorgebracht, die für die Verlagerung einer Behörde nach Schwaben sprechen würden.

(Foto: Westend61/imago)

Das Konzept des Behördenzentrums dürfte eine große Rolle spielen in Söders Programm. Er will offenbar nicht unbedingt komplette Ämter verlagern, sondern Stellen aus verschiedenen Behörden an einem neuen Standort zusammenführen. Da säßen dann zwei Kollegen aus der Schlösserverwaltung neben dreien aus dem Statistischen Amt. Das macht es leichter, auf Umzugswünsche des Personals einzugehen. Rolf Habermann, der Chef des mächtigen Beamtenbundes, hat schon klargemacht, dass er auf Mitsprache der Betroffenen extrem großen Wert legt. Das hat Söder zugesichert und nach Habermanns Eindruck auch beim Teilumzug seines eigenen Ministeriums nach Nürnberg eingehalten. Dort hat er nun einen zweiten Amtssitz. "Wir vertrauen darauf, was man uns gesagt hat", sagt Habermann.

Neues Konzept für das Personalmanagement

Das lässt sich auch als Drohung verstehen. Denn die CSU hat sich in der Stoiberzeit schon eine blutige Nase mit solchen Umzügen geholt. Als Musterbeispiel dafür, wie man es nicht macht, gilt bis heute der Teilumzug des Landesamts für Umwelt ins oberfränkische Hof, über die Betroffenen hinweg und ohne Diskussion. Söder hat aus dem Debakel gelernt. Sein Konzept werde zweigeteilt sein, sagte der Minister am Sonntag der SZ: Neben den konkreten Verlagerungsvorhaben plant Söder auch ein neues Konzept zum Personalmanagement. Das soll den Austausch von Beamten zwischen Ministerien erleichtern und viele Details regeln - von Mobilitätshilfen für Umziehende bis zu genau passenden Zeitplänen. Auf vielen Stellen gebe es in den nächsten Jahren Pensionierungen, sagt Söder. Die könnten also leichter an anderen Orten neu besetzt werden. Denn es gelte das Versprechen: "Keine Zwangsversetzungen." Alles soll besser laufen, etwa in...

Niederbayern

Dort blicken vor allem die Landkreise Regen und Freyung-Grafenau erwartungsvoll nach München. Sie haben in besonderem Maß mit Abwanderung, sinkenden Bevölkerungszahlen und schlechten Zukunftsprognosen zu kämpfen. Dass sie bei der Behördenverlagerung bedacht werden, gilt als sicher. In welchem Umfang, weiß allerdings niemand. In Regen schätzt man, dass bis zu hundert Beamte in großen Städten ihren Dienst versehen, die ursprünglich aus dem Bayerwald stammen. Personelles Potenzial für eine Rückkehr sei also vorhanden. Vorstellbar wäre eine Aufstockung des Landwirtschaftsamtes, schließlich ist Agrarminister Helmut Brunner zugleich der Stimmkreisabgeordnete von Regen.

Und auf die Abgeordneten kommt es ganz zentral an beim Großumzug. Viele wollen bedacht und in der Lokalpresse gefeiert werden als diejenigen, die aus dem Wasserkopf München ein Dutzend neuer Jobs herausverhandelt haben. "Normalerweise verkünden die Abgeordneten zuhause die große Politik aus München und Berlin", sagt einer aus der CSU-Fraktion. "Hier können sie einmal selber als Politikgestalter auftreten." Für Söder wiederum ist sehr wichtig, dass die Parlamentarier gut über ihn denken. Sie sind es schließlich, die irgendwann einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Womöglich ihn. Wohl auch deswegen streut Söder wahrscheinlich breit und bedenkt vielleicht auch unerwartete Bereiche wie den...

Alpenrand

Die CSU-Abgeordneten in Oberbayern gehen fest davon aus, dass auch ihre strukturschwachen Gebiete etwas vom Stellensegen abbekommen. Genannt werden in erster Linie das Berchtesgadener Land und der Kreis Garmisch-Partenkirchen. In beiden Regionen ist die Wirtschaftskraft niedrig, weil zwar viele Naturschutz-, dafür aber umso weniger Gewerbegebiete ausgewiesen sind. Der schwächelnde Tourismus kann diese Lücke nicht füllen. Die Berchtesgadener CSU-Abgeordnete Michaela Kaniber sagt, dass Heimatminister Söder ihren Stimmkreis mit gutem Grund als eine der "prioritären Regionen" für die Ansiedlung einer Behörde bezeichnet habe. Sie habe ihn nicht nur einmal daran erinnert in den vergangenen Wochen. "Sondern beinahe täglich." Hoffnungen macht sich auch ihr Garmisch-Partenkirchner CSU-Kollege Martin Bachhuber. In München sei sicher bekannt, dass die Region unter der Zugspitze dringend einer Förderung bedürfe. Dafür habe er schon mitgesorgt. Auch die Region Mühldorf kämpft mit schwachen Finanzen und einer relativ hohen Arbeitslosenquote. Dazu hätte der Standort noch zwei weitere Vorteile, heißt es. Er sei mit der Bahn gut öffentlich zu erreichen und habe einen Abgeordneten, der als Leiter der Staatskanzlei ein gewichtiges Wort in München mitspreche: Marcel Huber.

Verlagerung von Behörden: Auch die Gemeinden am Alpenrand wollen von Söders Plänen profitieren (im Bild: Garmisch-Partenkirchen).

Auch die Gemeinden am Alpenrand wollen von Söders Plänen profitieren (im Bild: Garmisch-Partenkirchen).

(Foto: imago)

In der Staatskanzlei waren Söders Pläne jedenfalls schon zur Begutachtung. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer will schließlich Frieden im Land. Dabei ist gar nicht so klar, was solche Umzüge für die jeweilige Region bringen. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Stamm ließ kürzlich bei allen Ministerien die Erfahrungen mit Umzügen aus den letzten fünf Jahren abfragen. Heraus kam ein sehr kleinteiliges Zahlenwerk. Stamm reagierte ernüchtert: "Es gibt keine positiven strukturpolitischen Effekte", resümierte sie. Der Begeisterung in möglichen Zielorten tut das keinen Abbruch. Zum Beispiel in...

Dinkelsbühl

In der Westmittelfränkischen Stadt hofft Oberbürgermeister Christoph Hammer (CSU) auf eine Entscheidung für seine Stadt, die er seit einiger Zeit als "schönste Altstadt Deutschlands" vermarktet. Er hat Söder das ehemalige Kloster der armen Schulschwestern angeboten, eine Immobilie in bester Lage. Dass der Landkreis Ansbach zu einem Raum mit besonderem Handlungsbedarf gehört, ist für ihn klar. Und Söder sollte es auch klar sein. Hammer sagt: "Wir haben ihn so genervt, dass er uns gar nicht vergessen kann."

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