Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:"Autofahren ist in und muss in bleiben"

Lesezeit: 3 min

Von Max Hägler und Wolfgang Wittl, München

Wie die Herren, die gleich über die wirtschaftliche Lebensader Deutschlands sprechen, generell zum Auto stehen, zeigt ein Blick in den Innenhof. Gut ein halbes Dutzend Dienstlimousinen parkt vor der Münchner Residenz, alle aus der Oberklasse bayerischer Hersteller. Doch der Blick soll sich ja nicht nach unten richten, sondern einzig "nach vorne", wie Markus Söder am Montag betont. Bayerns Ministerpräsident hat zum ersten "Zukunftsforum Automobil" eingeladen. Sein Stellvertreter Hubert Aiwanger macht klar, worum es geht, und zwar um nichts Geringeres als die Überschrift: "Wir retten das Auto."

Söder hat sie alle an einen Tisch geholt: Die Chefs von Audi, BMW und MAN sind gekommen. Die Gewerkschaft IG Metall hat einen Gesandten geschickt, die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft ihren Präsidenten Alfred Gaffal. Söders CSU-Parteikollege Andreas Scheuer, der Bundesverkehrsminister, darf natürlich nicht fehlen. Er hält ein Plädoyer für eine breite Palette an Antriebsformen: Ohne batteriebetriebene Elektroautos, ohne Wasserstoff und ohne synthetische Kraftstoffe sei eine Weiterentwicklung der Autoindustrie nicht denkbar. Aber man werde auch "weiterhin den Verbrenner haben müssen", sagt Scheuer: "Der Diesel muss Zukunft haben und der Diesel wird Zukunft haben."

Der Zeitpunkt für Söders Autoforum ist gut gewählt. Kaum eine Diskussion wurde intensiver geführt in den vergangenen Tagen als jene über Messwerte, Umweltbelastung und nicht zuletzt den Verkehrsminister persönlich. Er wolle die Dieseldebatte entkrampfen, sagt Söder, er wolle eine enge Zusammenarbeit bei der Luftreinhaltung, Bayern müsse Pionier sein bei der Erforschung alternativer Antriebsformen. Es brauche "mehr Ingenieure als Ideologen", und es brauche langfristig eine nationale Strategie, um alle Interessen zu bündeln: der Autoindustrie, der Verbraucher, der Klimaschützer, der Arbeitnehmer. BMW-Chef Harald Krüger spricht von "der größten Herausforderung der Geschichte", auf die seine Branche zusteuere.

Im Vergleich dazu ist das Ergebnis des Zukunftsforums gegenwärtig überschaubar. Fünf Arbeitsgruppen sollen bis Ende Mai Vorschläge liefern zu fünf großen Fragen: Welche alternative Antriebstechnologie benötigt man, welche setzt sich durch? Welche Rolle spielt die Digitalisierung, etwa beim autonomen und vernetzten Fahren? Wie gelingt der Automobilindustrie der Wandel, ohne Arbeitsplätze und Zulieferbetriebe zu schädigen? Welche Mobilitätsplattformen braucht es? Und können die Beschäftigten diesen Weg mitgehen? "Autofahren ist in und muss in bleiben", sagt Wirtschaftsminister Aiwanger.

Es geht "auch um die Show"

Aber was bringt so ein Treffen nun? Es lohnt der Blick nach Baden-Württemberg. Dort hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bereits vor zwei Jahren den Strategiedialog Automobilwirtschaft ausgerufen. Ungefähr dasselbe Format, nur sitzen noch ein paar mehr Weltkonzerne mit dabei, weil Baden-Württemberg mit Daimler, Porsche, Bosch, Mahle oder ZF noch etwas mehr Autoland ist als Bayern, wo am Montag nur BMW-Vorstandschef Krüger auf der Bühne sitzt. Die Zielsetzung war unter anderem: Der Staat sollte das Steuergeld richtig investieren in dieser sich so schnell verändernden Industrie: Mehr Förderung für Batterien? Oder gilt es auch Brennstoffzellen und vernetzte Fahrzeuge in den Blick zu nehmen? Für welche Steuervorteile sollte man sich einsetzen? Muss der Lehrplan schnell auf diese oder jene Technik angepasst werden?

Im Staatsministerium in Stuttgart wie auch in den Konzernen ist man zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. Es gehe bei solchen Formaten natürlich immer "auch um die Show", heißt es aus einem Unternehmen, aber auch die Besonderheit des Formats in Baden-Württemberg sei hilfreich dank der beteiligten Umweltverbände und Zivilgesellschaft. Diese Gesprächspartner helfen, um den Menschen klarzumachen, dass rasante Umbrüche im Gang sind. "Die Leute begegnen sich", hört man aus einem Dax-Konzern, alle Seiten verstünden einander eher. Der Vorteil solcher Runden sei, dass nicht wie sonst nur bilateral gesprochen werde, sondern mit allen, die damit zu tun haben. Man dürfe das ruhig ausweiten, das sei ja ein Thema für Deutschland und Europa. "Es wäre ein Anfang, wenn Bayern und Baden-Württemberg sich zusammentun, das hätte noch mehr Schlagkraft", sagt einer aus der Branche.

Genau so könnte es kommen. Mit seinem ersten Anlauf bei einer Ministerpräsidentenkonferenz ist Kretschmann gescheitert, es gab eine Pressekonferenz mit den Autobundesländern, aber es folgte nichts. Nun bekräftigt Söder am Montag: "Wir wollen eine Renaissance der Südschiene." Die politischen Interessen Bayerns und Baden-Württembergs gleichen sich nicht nur bei der Energie und Industrie. Mitte des Jahres ist eine gemeinsame Kabinettssitzung geplant. Nur Show? Man nehme das ernst und freue sich auf die Zusammenarbeit, sagen Politiker in Stuttgart.

Nationale Impulse erhofft Söder sich von seinem Autobündnis, alle Beteiligten versichern sich ihres guten Willens. Doch in manchen Nebensätzen klingt auch leise Misstrauen durch, zum Beispiel wenn Verkehrsminister Scheuer in Richtung Autohersteller sagt: "Da muss noch mehr kommen" - gemeint ist die Entwicklung neuer Technologien. 850 000 Arbeitsplätze hängen in Deutschland an der Autoindustrie, 400 Milliarden Euro beträgt laut Scheuer der Jahresumsatz. Johann Horn, Bayerns oberster Metall-Gewerkschafter, denkt das Automobilforum vor allem vom Menschen her. Ausreichend gute Arbeit müsse es in Zukunft geben. Und weil die Menschen "noch besser von A nach B kommen wollen", brauche es ein vernünftiges Mobilitätskonzept. Denn ob man nun mit einem Diesel oder mit einem Benziner im Stau feststecke, sei letztlich egal.

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SZ vom 05.02.2019
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