Verdi:Verdi wirft Rettungsdiensten massive Rechtsverstöße vor

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  • Nach Angaben der Gewerkschaft läuft bei den Hilfsdiensten in Bayern einiges schief.
  • Anhaltende Missachtung von Pausenregeln, Verstöße gegen die Höchstarbeitszeit und das Missachten von gesetzlichen Ruhezeiten seien an der Tagesordnung.
  • Nicht nur die Mitarbeiter leiden darunter, auch Patienten könnten gefährdet werden.

Von Dietrich Mittler, München

Bei Bayerns Rettungsdiensten und im Bereich des Krankentransports ist aus Sicht der Gewerkschaft Verdi in den zurückliegenden Jahren massiv gegen geltendes Recht verstoßen worden. Die anhaltende Missachtung von Pausenregelungen, die Verstöße bezüglich der Höchstarbeitszeit sowie das Missachten von gesetzlichen Ruhezeiten gingen nicht nur zu Lasten der Mitarbeiter im Rettungsdienst und im Krankentransport.

"Dass hierdurch auch die vom Rettungsdienst zu versorgenden Patienten gefährdet werden könnten, kam meist erst gar nicht in den Blick", hält Robert Hinke, bei Verdi zuständig für die Bereiche Gesundheit und Soziales, den Hilfsdiensten im Freistaat vor. Die Hilfsorganisationen weisen die Kritik zurück. Ein Arbeitsgerichtsverfahren dazu habe man bereits gewonnen, heißt es.

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"Extrem belastend", so schildert ein erfahrener Rettungsassistent, der anonym bleiben will, seinen Berufsalltag. "In vielen Dienstbereichen ist es bei uns so, dass wir zwölf Stunden Dienst haben, davon werden aber nur etwa achteinhalb vergütet", sagt er. Die restliche Zeit gelte als "Bereitschaftszeit". Acht bis zwölf Rettungseinsätze in zwölf Stunden seien in seiner Rettungswache die Regel. Es laufe also meist darauf hinaus, dass er sich schnell mal an der Ecke ein belegtes Brötchen hole. "Das pfeift man sich halt rein, während man auf dem Weg zum nächsten Einsatz ist."

Rückhalt erfahren die Einsatzkräfte nun vom Arbeitsministerium. Dieses hat laut Hinke "eine unmissverständliche Handreichung" vorgelegt, die die Arbeitgeber nicht mehr ignorieren könnten. Darin heißt es: "Die Pausen sind so zu gestalten, dass hiervon keine Gefahren für die Sicherheit und die Gesundheit der Mitarbeiter ausgehen." Die Realität sei eine andere, heißt es bei Verdi. In "zig Fällen, etwa im Bereich Landshut oder Rosenheim", habe die Gewerbeaufsicht gegen Rettungsdienste harte Auflagen verhängt.

Einmal schaltete Verdi eigener Aussage zufolge im Vorjahr sogar die Staatsanwaltschaft ein. Auch die Hilfsorganisationen - etwa das Bayerische Rote Kreuz (BRK) - betonen, dass ihre Mitarbeiter erheblichen Belastungen ausgesetzt sind. Bedingt sei das durch "die extreme Leistungsverdichtung im Rettungsdienst". Dennoch ist auf den Chefetagen die Wut groß, dass "dieser Entwurf" einer Handreichung an die Öffentlichkeit, sprich in die Hand von Personalräten, gelangt sei. Diese nutzten das Papier, "um Stimmung gegen die Arbeitgeber zu machen".

Bereitschaftszeit ist Arbeitszeit

Aus Sicht des Arbeitsministeriums ist die Rechtslage allerdings eindeutig. Das bedeute unter anderem auch, dass Bereitschaftsdienste klipp und klar als Arbeitszeit zu werten seien. Folglich könne man sie auf Arbeitgeberseite nicht als "Ruhepausen" deklarieren. Zu dieser Einschätzung seien auch die an der Handreichung beteiligten Experten der Gewerbeaufsicht gelangt. Die Handreichung sei nichts anderes als ein Überblick über die geltende und daher einzuhaltende Rechtslage.

Mit einem Runden Tisch hatte das Ministerium versucht, mit allen Akteuren eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die gemeinsamen Gespräche sorgten allerdings für manches Überraschungselement. "Die Mitarbeiter des Ministeriums bekamen ganz große Augen, als ihnen von einem Vertreter der Hilfsorganisationen mitgeteilt wurde, noch nie eine Gefährdungsanalyse für ihre Rettungsdienst- und Krankentransport-Mitarbeiter gemacht zu haben", erinnert sich ein Teilnehmer der Runde. "Wie bitte, seit fünf Jahren ist das eine gesetzliche Auflage!", sei daraufhin in den Raum geworfen worden.

Seitens der Hilfsdienste wird entgegengehalten, die Einsatzkräfte würden permanent zu Notfällen gerufen. Schon deshalb sei es nahezu unmöglich, Pausenregelungen einzuhalten. Auch falle das letztlich nicht in die Verantwortung der Arbeitgeber, denn die Teams würden von den Rettungsleitstellen angefordert. Beide Argumente lässt das Sozialministerium indes nicht oder nur eingeschränkt gelten: Notsituationen seien das Alltagsgeschäft der Hilfsdienste - und damit folglich von der Leitung vorhersehbar.

Künftig müsse das in die Planung einfließen, um Erholungszeiten zu ermöglichen. Kritik übt das Sozialministerium indes auch an den vom Innenministerium beauftragten Gutachten über die Einsatzzeiten im Rettungs- und Krankentransport: "Die erforderlichen Pausenzeiten der Besatzungen werden in der Analyse nicht berücksichtigt."

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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