Verbraucherschutz:Tierquälerei und Ungeziefer auf niederbayerischem Schlachthof

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  • Im Landshuter Schlachthof Vion gibt es erhebliche Mängel beim Tierschutz, Schweine wurden nicht zuverlässig getötet.
  • Mitarbeiter überschreiten regelmäßig die Höchstarbeitszeit von zehn Stunden am Tag. Ebenso gibt es hygienische Mängel, wie etwa Schaben.
  • Die Stadt Landshut weiß von den Zuständen, auch das Landsratsamt und die Regierung von Niederbayern - die Bevölkerung wird aber nicht informiert.

Von Eva Achinger, Katrin Langhans und Kilian Neuwert, Landshut

Wenn das Schwein in die Gondel geht, ist das Ende nah. Es fährt in eine Gaskammer, die mit Kohlendioxid gefüllt ist. Atemnot tritt ein, das Tier verliert das Bewusstsein. Mit den Füßen zuerst wird das betäubte Schwein am Schlachtband aufgehängt und zum Schlachter gefahren. Der tötet es in den folgenden Sekunden mit einem Messerstich durch Hals und Brust. So stirbt es, bevor es das Bewusstsein zurückerlangt. So soll es sein auf dem letzten Weg. Sitzt der Messerstich aber nicht exakt, kann es passieren, dass das Tier in der Brühanlage wieder aufwacht und qualvoll stirbt.

Im Landshuter Schlachthof Vion, der zu den größten Betrieben seiner Art in Bayern zählt, kam es allein in diesem Jahr mindestens siebenmal vor, dass Schweine schlecht gestochen, also nicht zuverlässig getötet wurden. Eines wurde sogar überhaupt nicht gestochen. So etwas darf nicht passieren, da sind sich Verbraucher und Tierschützer einig.

"Jedes schlecht gestochene Schwein ist eines zu viel", sagt Katrin Pichl vom Deutschen Tierschutzbund. "Tiere müssen nach der Schlachtverordnung effizient betäubt und vor der Brühanlage tot sein." Auch Kai Braunmiller von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz fällt ein klares Urteil: "Wenn innerhalb weniger Monate mehrere Schweine nicht oder schlecht gestochen werden, deutet das darauf hin, dass das Management diese Themen nicht entsprechend ernst nimmt."

"Nach zehn Stunden passieren die meisten Arbeitsunfälle"

Mitarbeiter, die über einen Werkvertragspartner am Schlachtband arbeiten, berichten der Süddeutschen Zeitung und dem Bayerischen Rundfunk von einer hohen Arbeitsbelastung. Für das Töten eines Schweins hätten sie zehn Sekunden Zeit. "Das ist anstrengend. Akkordarbeit", sagt einer von ihnen. "Nach zehn Stunden passieren die meisten Arbeitsunfälle, da ist man nicht mehr so konzentriert."

Unterlagen, die dem BR und der SZ vorliegen, legen nahe, dass die gesetzliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden am Tag regelmäßig überschritten wurde. Der Landshuter Betrieb teilt auf Anfrage mit, dass man sich zu diesen Vorwürfen nicht äußern könne, da gerade ein juristisches Verfahren laufe. Der Werksvertragspartner äußerte sich bis Mittwochnachmittag ebenfalls nicht zu den Vorwürfen.

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Am Landshuter Schlachthof, der vom niederländischen Konzern Vion betrieben wird, wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Mängel im Tierschutz, der Hygiene und im Arbeitsrecht festgestellt. Das ist in Dutzenden Dokumenten beschrieben: Die Berichte befassen sich auch mit einem Schabenbefall, der mitunter als "nicht unerheblich" bezeichnet wurde und von 2009 bis 2015 in Unterlagen belegt ist. Auf Fotos sieht man Kakerlaken, die am Lichtschalter und auf Edelstahlplatten herumkrabbeln. Bei den Umbauarbeiten waren die Böden zeitweise mit deutlichen Spuren von Baustaub belegt, Förderbänder waren verschmutzt, auch mit Zigarettenasche. Die Waschbecken für die Mitarbeiter waren teilweise defekt.

Kurz: Am Landshuter Schlachthof sind die hygienischen Zustände mitunter eklig und Schweine sterben manchmal qualvoll. Vion bestreitet nicht, dass mehrmals Schweine schlecht gestochen wurden. Schriftlich teilt das Unternehmen mit: "Das sollte nicht vorkommen." Man habe Maßnahmen eingeleitet und werde solchen "erneuten Abweichungen" vorbeugen. Das Schabenproblem habe man durch den Wechsel des Schädlingsbekämpfers im vergangenen Jahr behoben, defekte Waschbecken seien repariert worden, und bei den Umbauten habe man die Hygienevorschriften eingehalten. Die "Lebensmittelsicherheit des in Verkehr gebrachten Fleisches" habe nie infrage gestanden.

Die Stadt Landshut schreibt auf Anfrage, die Verstöße seien "überwiegend" gering und mittelgradig. Sie hätten auf die Lebensmittelsicherheit keine Auswirkung gehabt. Die hygienischen Zustände im Betrieb bewerte man "grundsätzlich als gut".

Die Regierung Niederbayerns und das Landratsamt aber kommen auf Anfrage der SZ und des BR zu einem schärferen Urteil: Es habe zwei gravierende Verstöße baulicher Art im vergangenen Jahr gegeben, bei dem man eine Verunreinigung nicht sicher ausschließen könne. Das Landratsamt schreibt: "Durch fehlende Trennung zum Produktions-/Schlachtbetrieb bestand die Gefahr von Kontamination."

Die Stadt Landshut weiß von den Zuständen, auch das Landsratsamt und die Regierung von Niederbayern. Nur die Öffentlichkeit, die wusste es bislang nicht, dass Schweine mutmaßlich qualvoll gestorben sind. Und damit nicht genug: Die Stadt Landshut hat allein in diesem Jahr 81 Verstöße gegen den Schlachthof festgestellt. Ein Jahr zuvor waren es - während des Umbaus auf eine Schlachtkapazität von bis zu 21 000 Schweinen pro Woche - sogar 233 Verstöße.

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Ulrich Gassner, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Augsburg, hat sich die Mängel, die der SZ und dem BR vorliegen, angesehen: "Das sind so viele Verstöße eines Gewerbebetriebes über so einen langen Zeitraum, dass die Stadt sagen könnte, die Geschäftsleitung ist nicht zuverlässig, wir ordnen an, dass sie ausgetauscht wird." Gassner geht sogar noch einen Schritt weiter: "In letzter Konsequenz könnte man dem Betreiber auch die Betriebsgenehmigung entziehen. Das wäre allerdings ein harter Schritt."

Der Landshuter Schlachthof Vion beliefert nach eigenen Angaben regionale Metzgereien sowie den Lebensmitteleinzelhandel, den Großhandel und die Gastronomie. Der Verbraucher - der in Deutschland pro Jahr im Schnitt etwa 37 Kilogramm Schweinefleisch isst - bekommt in der Regel wenig Einblick in die Orte, an denen das Fleisch produziert wird, das später auf dem eigenen Teller landet.

Wie der Landshuter Schlachthof mit Kritikern umgeht

Eine ÖDP-Stadträtin aus Landshut versuchte im Juni vor einem Jahr, die örtliche Bevölkerung über die Zustände am Landshuter Schlachthof in einem Lokalzeitungsinterview aufzuklären. Sie ist inzwischen vorsichtiger geworden mit dem, was sie sagt - denn am Ende war es vor allem ein Satz mit einem wertenden Adjektiv, der den Vion-Betrieb sogar rechtlich gegen sie aufbrachte. Falls Elke März-Granda diese Formulierung erneut verwendet, kann sie das ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro kosten. Oder sogar Haft. So steht es in einem Beschluss des Landgerichts.

Die Geschichte der Stadträtin zeigt, wie der Landshuter Schlachthof mit Kritikern umgeht. Sie zeigt aber auch, dass die Stadt Landshut die Bevölkerung nicht über alle Verstöße des Schlachthofes informiert. Die Stadträtin Elke März-Granda hatte sich - aufgrund des geplanten Ausbaus - in einer Plenaranfrage über die hygienischen und tierschutzrechtlichen Zustände am Landshuter Schlachthof erkundigt. Die Antwort, die ihr die Stadt gab und März-Granda zu ihrem kritischen Urteil bewog, ist bis heute nicht öffentlich.

Elke März-Granda sitzt auf einem Holzstuhl auf ihrer Veranda und blättert durch einen roten Ordner, der die Aufschrift "VION" trägt. Hier hat sie alles gesammelt: Dokumente der Anwaltskosten, Zeitungsartikel. Per einstweiliger Verfügung von Vion darf sie ihre Kritik nicht mehr äußern, sie darf aber über den Rechtsfall sprechen. "Das war ein Schlag gegen die Demokratie für mich, dass ich von einem Konzern wegen kritischer Äußerungen mundtot gemacht wurde", sagt Elke März-Granda. "Verbraucher sollten wissen, was in Schlachthöfen passiert."

Man kann der Stadt Landshut nicht vorwerfen, dass sie untätig geblieben sei. Die vorliegenden Dokumente zeigen: Sie hat in den vergangenen Jahren mehrmals Zwangsgelder verhängt. Die Frage ist nur: Wie hart sollten Behörden eingreifen, wenn ein Betrieb gehäuft mit Mängeln auffällt? Und ab wann sollten sie die Bevölkerung informieren?

Ihre Entscheidung, die Antwort auf die Plenaranfrage der Stadträtin März-Granda nicht zu veröffentlichen, begründet die Stadt so: Man sei dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit nicht "ohne begründeten Anlass zu verunsichern".

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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