Verbraucherschutz:Achtung, Aluminium-Brezen

Groebenzell: Portrait 'Die Breze'

Einige der getesteten Brezen erhielten die fünfzehnfache Menge des erlaubten Aluminiumanteils.

(Foto: Johannes Simon)

Bayerns Nationalgebäck ist schwer belastet - mit Aluminium. Bei Lebensmittelkontrollen wurde in jeder fünften Breze der Höchstwert überschritten, manche seien "jenseits von Gut und Böse". Schuld sind offenbar die Bäcker.

Von Christian Sebald

Ausgerechnet die Breze, das bayerische Nationalgebäck, ist häufig mit einem Schadstoff belastet: "Brezen enthalten oft viel zu viel Aluminium", sagt Daniel Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. "Bei Lebensmittelkontrollen muss jede fünfte Breze aus dem Verkehr gezogen werden, weil sie den Höchstwert sprengt."

Schuld daran sind offenbar die Bäcker. Gut 2000 Proben haben die Lebensmittelkontrolleure seit 2003 bei Routinekontrollen in Bayern genommen. "Die Beanstandungsquote ist relativ hoch. Sie liegt im Durchschnitt bei 20,5 Prozent", bestätigt das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das Umwelt- und Verbraucherministerin Ulrike Scharf unterstellt ist. 2007 war es besonders schlimm: Damals betrug die Beanstandungsquote 29,6 Prozent. Die Kontrolleure wiesen also in fast jeder dritten Breze zu viel Aluminium nach.

Wie viel Aluminium erlaubt ist

Zehn Milligramm je Kilo Gebäck - mehr Aluminium dürfen Brezen nicht enthalten. Wenn doch, dann sind sie ein "nicht sicheres Lebensmittel und werden als nicht zum Verzehr geeignet beurteilt", sagt LGL-Chef Andreas Zapf. Die Kontrollen fördern jedoch zum Teil immense Werte zu Tage. Mal sind es 45 Milligramm Aluminium je Kilo Brezen, dann 33, dafür beim nächsten Mal 66 Milligramm. Den Rekord hält ein Bäcker mit 156 Milligramm Aluminium je Kilo Brezen. "Das ist mehr als das 15-Fache des zulässigen Höchstwertes", sagt Verbraucherschützerin Krehl. "So etwas ist jenseits von Gut und Böse."

Wo der Stoff enthalten ist

Die Zeiten sind vorbei, in denen Aluminium als harmlos galt. Immer mehr Experten warnen davor, dass von dem Leichtmetall Gefahren für die Gesundheit ausgehen könnten. Denn es wird nicht nur in Autos, Fahrrädern, Alufolie und anderen Metallgegenständen verbaut. Was viele Verbraucher nicht wissen: Es ist weit verbreitet in Kosmetika und Lebensmitteln. So enthalten Deoroller oft Aluminiumsalze.

Toxikologen wie der Brite Chris Exley, der seit 30 Jahren die Gefahren von Aluminium erforscht, hegen den Verdacht, dass solche Deos bei Frauen das Brustkrebs-Risiko erhöhen. Auch Alzheimer und andere Krankheiten werden in Verbindung mit Aluminium gebracht. Es gibt zwei Wege, wie Aluminium in Lebensmittel gelangt: Entweder natürlich, Gemüse zum Beispiel nimmt das Leichtmetall über den Ackerboden auf. Oder als künstlicher Zusatz, also als Farbstoff, Trennmittel oder Stabilisator.

Weil Unklarheit darüber herrscht, wie gefährlich Aluminium tatsächlich ist, empfiehlt die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit: Ein Milligramm je Kilo Körpergewicht und Woche soll der Mensch höchstens zu sich nehmen, mehr nicht. "Bei Werten wie in den bayerischen Brezen ist dieses Vorsorge-Maß schnell voll, vor allem bei Kindern", sagt Krehl. "Zumal Brezen nur eine von vielen Quellen sind, wie Aluminium in den Menschen gerät."

Wie das Aluminium in die Brezen kommt

Wie aber kommt das Aluminium in die Brezen? "Es sind die Backbleche der Bäcker", sagt LGL-Chef Zapf. "Sie sind zumeist aus Aluminium, weil es der beste Hitzeleiter ist." Es sind aber nicht die Backbleche allein. Die Brezenteiglinge werden mit einer Natronlauge besprüht oder in sie getaucht, bevor sie in den Ofen geschoben werden. Beim Backen gibt die Natronlauge den Brezen ihre resch-braune Farbe und macht sie knusprig.

Die Lauge ist aber auch so scharf, dass sie die Alu-Bleche angreift und Metallpartikel aus ihnen löst, die dann in die Brezen übergehen. Das Problem ist seit langem bekannt. Immer wieder sprechen es Zapf und seine Kollegen gegenüber den Bäckern an. Aber alles Drängen auf Abhilfe - auf die Verwendung von stabilen Edelstahlblechen zum Beispiel oder Backpapier zwischen den Alu-Blechen und Brezen - fruchtete nichts.

Zwar geben sich die Bäcker selbstkritisch: "Wir kennen das Problem", sagt Josef Magerl. Der 63-jährige Bäckermeister aus Obertraubling bei Regensburg hat seinen Betrieb kürzlich an seine Tochter übergeben. Nun konzentriert er sich auf seine Ehrenämter, zum Beispiel als Vizechef der Landesinnung. Aber: "Es ist schwer mit der Abhilfe. Alu-Bleche sind die besten Backbleche. Die Brezen werden nirgends so gut wie auf ihnen. Edelstahl und Backpapier sind zumindest bisher keine Alternative", sagt Magerl.

Warum der Höchstwert in Baden-Württemberg eingehalten wird

In Baden-Württemberg, wo Brezen genauso beliebt sind wie in Bayern, hatten die Verbraucherschützer jahrelang das gleiche Problem wie im Freistaat. "18 bis 20 Prozent unserer Brezen-Proben haben immer den Höchstwert überschritten, egal wie sehr wir auf die Bäcker eingeredet haben, dass das so nicht geht", heißt es dort im Ministerium für Ländlichen Raum in Stuttgart, das auch für die Sicherheit von Lebensmitteln verantwortlich ist. "Die Bäcker, die sind ein sehr robuster Berufsstand, die sind sehr schwer zu überzeugen, dass Höchstwerte auch für sie gelten."

Der grün-roten Landesregierung wurde es schließlich zu bunt. Sie verstärkte die Kontrollen und setzte Strafen durch - wenn es sein muss, drakonische. Unlängst erhielt ein Bäcker, der notorisch den Höchstwert ignorierte, Backverbot und 12 000 Euro Geldstrafe. Der neue Kurs wirkt. "Unsere Beanstandungsquote ist auf vier Prozent geschrumpft", verkündete der baden-württembergische Verbraucherminister Alexander Bonde, als er den neuen Bericht seiner Lebensmittelkontrolleure präsentierte.

In Bayern wünschen sich Zapf und seine Kollegen so einen Erfolg seit Jahren vergeblich. Das könnte sich nun aber ändern: Verbraucherministerin Scharf reagierte am Donnerstag auf die Recherchen der Süddeutschen Zeitung. Sie kündigte an, die Brezn-Kontrollen zu verschärfen. Auch Bußgelder für uneinsichtige Bäcker soll es in Zukunft geben.

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