Podiumsdiskussion:Nix is fix

Podiumsdiskussion: Bestandsschutz für Clubs- und Livebühnen? Das Münchner Backstage hat in seinen 30 Jahren schon einige Male umziehen müssen, wenn nebenan Luxuswohnungen gebaut wurden.

Bestandsschutz für Clubs- und Livebühnen? Das Münchner Backstage hat in seinen 30 Jahren schon einige Male umziehen müssen, wenn nebenan Luxuswohnungen gebaut wurden.

(Foto: Catherina Hess)

Und alle Fragen offen: Bayerische Kulturverbände löchern Landtagsabgeordnete vor den Wahlen im Herbst.

Von Michael Zirnstein, München

Man kann es ja mal mit einem Spiel versuchen, findet die Moderatorin Christina Wolf. Also, alle Politiker bitte die Arme heben, wenn ihre Partei folgende Wünsche der bildenden Künstler in Bayern auf der Agenda hat: Faire Bezahlung bei Aufträgen! Kunst im Öffentlichen Raum fördern! Alle Arme hoch, immer. "Da kann man ja gleich La Ola" machen, ruft jemand. Nur gegen die Forderung nach "Stärkung der Selbstverwaltungsstrukturen" hat Helmut Kaltenhauser etwas einzuwenden: "Wenn ich ein Verband bin, bin ich doch keine freie Szene mehr", findet der FDP-Politiker und Präsident des Bayerischen Musikrats. Das sieht Sanne Kurz von den Grünen ganz anders: Es sei ja nicht verboten, dass sich die freie Szene zusammenschließt, Lobbyarbeit sei wichtig. Und auch zu fördern, findet SPD-Kollege Volkmar Halbleib. Andreas Jäckel von der CSU relativiert, dass das Geld eher "auf die Piste" müsse, also zu den Akteuren, aber dass auch die Geschäftsstellen ein wenig vom Kuchen abhaben sollten.

Da werden die Gastgeber der Podiumsdiskussion "Kultur fragt Politik" aufgeatmet haben, denn das waren sechs bayerische Kulturverbände. Sie hatten je einen Vertreter aller Parteien im Maximilianeum (bis auf die AfD) ins Münchner Theater Werk 7 eingeladen, um zu überprüfen, was die Wähler nach den Landtagswahlen im Herbst zu erwarten haben. Dabei sollte es nicht um den Verfall bayerischer Kulturbauten und auch nicht um den Neubau eines staatlichen Konzerttempels nebenan im Werksviertel gehen, jeder Verband hatte sich ein Thema überlegt, das seinen aktiven Mitgliedern wirklich auf den Nägeln brennt.

Der Wunsch von Bernd Strieder vom mitveranstaltenden bayerischen Pop-Verband VP.By nach "wenig Blabla" und "mehr konkreten Aussagen" wurde nicht erfüllt. Es ist ja auch alles sehr komplex. Zum Beispiel eine der wenigen umstrittenen Fragen, die der Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdmK) nach den für ihn verlustreichen "stillen Tagen" stellte: Ob es fair sei, dass Ministerpräsident Markus Söder am Volkstrauertag bei einem Football-Spiel feierte, Jugendliche aber nicht zum Tanzen in den Club gehen durften? Die Frage nach seinem Chef ignorierte Jäckel, sagte aber, dass er neun stille Tage in Bayern für "viel" hält, dass es vielleicht mal sechs oder sieben, aber nicht null oder drei würden, und dass das Thema "nicht vom Tisch" sei, aber nicht mehr in dieser Legislaturperiode gelöst werde. Die Grünen hatten schon in einem Gesetzentwurf gefordert, Kultur jeder Art an stillen Tagen genauso zu erlauben wie Sport; dem schloss sich Halbleib trotz eines "großen Meinungspektrums" dazu in seiner Fraktion an, während der Liberale Kaltenhauser alles erlauben würde, was niemanden stört, und sich Kerstin Radler von den Freien Wählern enthielt: "Kein Thema bei uns."

Nach der konkreten Frage der AG Filmfestivals nach mehr Förderung entspann sich eine Meta-Debatte über "Leitlinien der Kulturpolitik", die die Staatsregierung nicht habe, so Kurz und Halbleib, und die man auch gar nicht wolle, so Jäckel, weil sie zu einer Staatskultur führten. Ebenso führte die Forderung vom Schriftsteller-Verband, besser von der Schreibarbeit leben zu können, nur zu wenig konkreten Angeboten, höchstens bei Sanne Kurz, die "sehr schlechte Entlohnung" in digitalen Bibliotheken anzugehen, oder von Jäckel, generell mehr Künstler in der kulturellen Bildung und im Schuldienst unterzubringen, Autoren etwa für "Kreatives Schreiben"-Kurse. Die soziale Absicherung freier Künstler im Corona- oder Altersfall sei wichtig, aber auch wegen der Verzahnung mit dem Bund "ein dickes Brett" (Halbleib). Eine faire (Mindest-)Bezahlung bei staatlichen Aufträgen oder staatlich geförderten Institutionen fanden im Grunde alle gut. Generell müsse man aufstocken, befand immerhin CSU-Vertreter Jäckel, Geld müsse aber auch von den nutznießenden "großen Playern" in der Wirtschaft wie Siemens kommen.

Wieviel Lärm darf Kultur machen?

Der bayerische Pop-Verband VP.by und die Clubcommission Augsburg wollten wissen, ob die CSU und die Freien Wähler im Herbst im Bundesrat zustimmen würden, wenn Clubs- und Live-Spielstätten besser geschützt werden sollen. Als Juristin wollte Radler "erst mal nichts konkret dazu sagen"; so auch Jäckel: "Ich plädiere dafür, mal zu gucken, was kommt, der Ansatz muss sein: ermöglichen, was möglich ist." Das war vielen Kulturvertretern im Publikum viel zu wenig für ein Kreuz bei der Wahl: Bernhard Klassen aus Augsburg forderte, dass Bestandsschutz und Lärmgrenzen klipp und klar geregelt sein müssen: "Wer dahin zieht, hat sich damit abzufinden: In der Stadt wird Kultur gefeiert."

Blieb noch die einzige Publikumsfrage, warum die Metropolen München und Nürnberg bei der staatlichen Förderung der Freien Szene weitgehend ausgenommen seien. Der Kulturfonds sei vor allem geschaffen worden, um "in die Fläche zu investieren", erklärte Andreas Jäckel von der CSU, "aber das ist wie bei den Feiertage: Nix is fix."

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