Süddeutsche Zeitung

V-Mann-Prozess:Zwei Zeugen mit merkwürdig identischer Erinnerung

  • Am zweiten Verhandlungstag sagen zwei Fahnder im Prozess gegen den ehemaligen V-Mann Mario F. des LKA aus.
  • Besonders ein Detail ihrer Aussagen ist brisant. Beide Beamte erinnern sich an einen Satz, den F. bei seiner Festnahme gesagt haben soll.

Von Olaf Przybilla und Wolfgang Wittl, Würzburg

Am 23. November 2011 war Mario F. auf dem Weg von Cheb nach Waldsassen. Kurz nach der Grenze wurde er von zwei Schleierfahndern der bayerischen Polizei angehalten. Sie fuhren in einem Zivilwagen 200 Meter hinter ihm her, dann sagte ihnen die Intuition, dass sie den Mann kontrollieren sollten.

An einer Turnhalle musste F. halten, er sagte, dass er ein V-Mann des Landeskriminalamts (LKA) sei. Das nahmen die beiden zur Kenntnis, fanden aber, dass sie das nicht zu kümmern braucht. Ein Schnelltest ergab einen Drogenverdacht gegen F. Sie nahmen ihn mit auf die Inspektion nach Waldsassen.

So erzählen das die Fahnder am zweiten Verhandlungstag gegen F. vor Gericht. Ein Allerweltsfall eigentlich, inzwischen aber sind alle Falldetails brisant, auch landespolitisch. F. war V-Mann, Spitzel fürs LKA, um die Rockergruppe Bandidos auszuspionieren. Ermittlungen der Kripo legen nahe, dass LKA-Leute wussten, dass ihr Mann bei den Bandidos Straftaten beging. Wäre das so, dann hätte das LKA ein Problem. Innenminister Joachim Herrmann auch.

In der Inspektion habe F. eine Tüte mit Drogen aus der Unterhose gefingert

Die Grünen drohten am Montag mit einem Untersuchungsausschuss. Es könne nicht sein, dass durch Medien "haarsträubende Details" ans Licht kämen, der Landtag aber nicht informiert werde, sagt Fraktionssprecherin Margarete Bause. Herrmann müsse noch vor Weihnachten umfassend informieren. Sollte ihm das nicht gelingen, werde man entscheiden, ob ein Untersuchungsausschuss notwendig sei. Herrmann müsse aufklären, ob und wann Regierungsmitglieder vom Fall wussten. Und falls ja: "Wurde das geduldet?"

Der Prozesstag in Würzburg scheint zunächst nicht gut zu laufen für F. Die beiden Fahnder werden vernommen und bedienen das Gericht mit einer identischen Version. Dass sie einen V-Mann festgesetzt haben, hätten sie realisiert, dies aber anfangs für eine "Räuberpistole" gehalten. In der Inspektion habe F. dann eine Tüte mit Drogen aus der Unterhose gefingert. Später sei der für F. zuständige LKA-Mann nach Waldsassen gekommen. Drei Stunden nach der Festnahme sei F. frei gewesen.

F. behauptet, dass er den Stoff für einen Bandidos-Boss besorgt hat

Auch an einen für den Fall brisanten Satz glauben sich die Beamten erinnern zu können. F. soll in der Inspektion gesagt haben: "Das hätte ich dem Norbert sagen sollen." Norbert ist der Mann beim LKA, der für den V-Mann zuständig war und gegen den die Staatsanwaltschaft inzwischen wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt ermittelt.

Merkwürdig, finden F.s Anwälte, auf einmal könnten sich die beiden an einen Satz erinnern, den sie vor zwei Jahren, als sie im ersten Prozess schon mal aussagten, nicht mal im Ansatz erwähnt hatten. Beide wissen nicht mehr, in welchem Kontext der Satz gefallen ist. Aber dass der Satz so gefallen ist, das wüssten sie genau.

Stimmt das, wäre es schlecht für F., dann würde seine Version wohl nicht stimmen. Er behauptet, dass er den Stoff für einen Bandidos-Boss besorgt hat und dass das LKA damit einverstanden war. Beweisen kann er das nicht, angeblich gibt es eine Mail, die findet er aber nicht mehr.

Die Grünen wollen Sondersitzung des Verfassungsausschusses beantragen

Der Satz der Fahnder würde anderes nahelegen. Aber es geht noch weiter in der Verhandlung. Nach den beiden Fahndern sagt ein Kriminalbeamter aus. Ob er den Norbert-Satz auch gehört habe, wird er gefragt. Nein, antwortet er. Aber soeben im Auto auf der Fahrt nach Würzburg habe er den Satz gehört, da war er mit den beiden Fahndern auf dem Weg nach Franken unterwegs.

Wer davon gesprochen habe? Einer der beiden, antwortet er. Der habe sich auf der Fahrt daran erinnert. Nicht beide? Nein, nur einer. Der andere habe gesagt, daran könne er sich nicht erinnern. In der Verhandlung hatte genau dieser Fahnder zuvor exakt das Gegenteil behauptet.

In ähnlichen Situationen kann es passieren, dass Staatsanwälte Zeugen in der Verhandlung festnehmen lassen. Wegen des Verdachts uneidlicher Falschaussage. In dieser Verhandlung aber passiert nichts. Außer dass F. und seine Anwälte siegreich lächeln. Mit womöglich zuvor abgesprochenen Aussagen bayerischer Beamter glauben sie Erfahrungen gemacht zu haben im ersten Prozess am Landgericht Würzburg.

Die Grünen kündigten an, noch vor Weihnachten eine Sondersitzung des Verfassungsausschusses zu beantragen.

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SZ vom 08.12.2015/mkro
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