Urteil:Wenn der Bestatter Werbung auf dem Friedhof macht

Kurioser Streit um Grab vor Verwaltungsgericht

Pietätvoll und diskrekt sollte eine Beerdigung sein.

(Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Ein Bestattungsunternehmer schickte seine Mitarbeiter in Berchtesgaden mit Firmenwerbung am Hemdkragen auf den Friedhof.
  • Sein Konkurrent verklagte ihn deswegen und bekam vor dem Oberlandesgericht München recht.

Von Andreas Salch, Berchtesgaden/München

Eigentlich ist es ein Ort der Ruhe, der 1685 angelegte Alte Friedhof in Berchtesgaden. Von Efeu umrankte Mauern, knorrige Bäume. Neben der Franziskanerkirche liegen die Gräber alteingesessener Bürgerfamilien. Gleich am Eingang des Friedhofs befindet sich die letzte Ruhestätte von Anton Adner (1705 - 1822). Mit 117 Lebensjahren war er der bislang älteste Bayer.

Doch seit geraumer Zeit ist es mit dem Frieden auf dem altehrwürdigen Gottesacker nicht mehr weit her. Der Grund ist ein Streit, bei dem es um Werbung und Wettbewerb geht, präsentiert auf der Arbeitskleidung. Ausgetragen wird der Zwist von den Geschäftsführern zweier lokaler Bestattungsunternehmen.

Der eine ist ein alteingesessener, der andere kommt aus den neuen Bundesländern. Sogar der Zeitung im benachbarten Salzburg war die Fehde schon eine Geschichte wert: "Skurriler Streit unter Bestattern", titelte das Blatt im August. Am Donnerstag befassten sich nun die Richter des 29. Senats am Oberlandesgericht München mit der Causa.

Auslöser für die Auseinandersetzung zwischen den Bestattern ist ein kleiner, wenige Zentimeter großer Schriftzug auf den Hemdkragen der Mitarbeiter des Beerdigungsinstituts von Hans L., 52. Er lautet: "TrauerHilfe", darunter ist der Nachname von Hans L. und der seiner Lebensgefährtin zu lesen.

Hans L. erstattete Anzeige gegen seinen Kollegen

Im Juni dieses Jahres hatte L.s Mitbewerber beim Landgericht Traunstein eine einstweilige Verfügung erwirkt. Damit wurde dem 52-Jährigen untersagt, seine Mitarbeiter auf dem Alten Friedhof mit "Arbeitskleidung" auszustatten oder solche tragen zu lassen, wenn darauf der Schriftzug seiner Firma zu lesen ist. Bei Zuwiderhandlung drohte ihm ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro.

Hans L. wehrte sich und erstattete im Gegenzug Anzeige wegen Betrugs gegen seinen Kollegen. Denn der habe schließlich auf dem Alten Friedhof von Berchtesgaden das Tragen beschrifteter Hemdkragen 2010 eingeführt. Es wurde ihm allerdings verboten, seitdem hat er es bleiben lassen.

Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Streit unter den Bestattern Mitte dieses Jahres. Hans L. hatte den Auftrag erhalten, am 16. Juni eine Trauerfeier auf dem Alten Friedhof auszurichten. Dabei trugen er und einer seiner Mitarbeiter, ein Kreuzträger, weiße Oberhemden mit dem Schriftzug seiner Firma. Das ist nicht erlaubt, das ist in Paragraf 16 der Friedhofssatzung des Marktes Berchtesgaden geregelt. Darin heißt es, dass es verboten sei, auf der Begräbnisstätte "Reklame irgendwelcher Art zu treiben".

Wer sich an das Verbot hält, hat einen Wettbewerbsnachteil

Die Anwältin von L.s Mitbewerber wertete den Schriftzug als "geschäftliche Handlung", die geeignet sei, die Leistungen eines Bestattungsinstituts herauszustellen und "den Teilnehmern der Trauerfeier namentlich bekannt zu machen". Durch das Tragen von Hemden mit Werbung am Kragen würden die Trauerenden spürbar beeinträchtigt.

Bei einer Trauerfeier auf einem Friedhof wollten sich die Angehörigen eines Toten nicht einer "Werbung ausgesetzt sehen", sagte die Anwältin. Außerdem monierte Hans L.s Kollege, der zu der Verhandlung vor dem OLG nicht erschienen war und sich durch seine Anwältin vertreten ließ, dass ein Verstoß nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorliege.

Hans L. indes meint, dass es den Leuten egal sei, ob auf seinem Hemdkragen oder dem seiner Mitarbeiter der Name seiner Firma steht, wie er am Rande der Verhandlung sagte. Deshalb hatte er Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung seines Kontrahenten eingelegt.

Allerdings vergeblich. In erster Instanz hatte das Landgericht Traunstein mit Urteil vom 16. August dieses Jahres dem Konkurrenten von Hans L. recht gegeben. "Firmenhinweise auf Beerdigungen", urteilte das Landgericht, "sind insgesamt zu untersagen." Und zwar sowohl im Hinblick auf die Friedhofssatzung des Marktes Berchtesgaden als auch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Auch die Richter am OLG teilen diese Meinung. Dabei bezog sich der Vorsitzende, Richter Andreas Müller, am Donnerstag ebenso auf die Friedhofsatzung, wie auch auf das UWG. Ein Gewerbe mache Werbung "mit dem Ziel, die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern". Wenn Trauergäste auf dem Hemdkragen eines Kreuzträgers einen Firmennamen lesen, dann nur, damit sie sich daran erinnern, sagte Richter Müller.

Trauernde hätten das Recht einer "pietätvollen Bestattung" beizuwohnen. Dabei dürften sie nicht durch Werbung gestört werden. Der Schriftzug auf den Hemden von Hans L.s Beerdigungsunternehmen sei aber "durchaus geeignet, Trauergäste zu stören". Zudem erlitten Mitbewerber der Branche, die sich an das Reklameverbot halten, "einen Wettbewerbsnachteil", so die OLG-Richter.

Daraufhin holte Hans L. wortgewaltig zum Gegenschlag aus: "Es geht um Habgier und Neid", polterte der Bestatter, sein Konkurrent, "der gehört so bitter bestraft, dass er sich vom Acker macht". Doch es nützte nichts. Das Gericht wies die Berufung gegen die Entscheidung aus der ersten Instanz zurück. Die Hemdkragen der Bestatter müssen künftig weiß bleiben.

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