Urteil:"Sie war ihm ausgeliefert"

Lebenslang für Mörder von Franziska

Stefan B. vor der Urteilsverkündung. Den Schuldspruch nimmt er regungslos zur Kenntnis.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Stefan B., der Vergewaltiger und Mörder der zwölfjährigen Franziska, muss lebenslang ins Gefängnis. Das Gericht stellt außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Selbst seine Verteidiger hatten auf die Höchststrafe plädiert

Von Sophie Burfeind, Ingolstadt

Nur an diesem letzten Tag, zur Urteilsverkündung, sind auch sie im Gerichtssaal erschienen: Franziskas Eltern. Zumindest einmal wollten sie jenen Mann sehen, der vor fast eineinhalb Jahren ihre zwölfjährige Tochter grausam vergewaltigte und erschlug. Die Mutter des Mädchens sitzt zur Linken ihrer Anwältin, der Vater zu ihrer Rechten. Franziskas Mutter hat eine Packung Taschentücher und eine Sonnenbrille vor sich auf den Tisch gelegt, ihr Gesicht sieht verheult aus. Wie erstarrt hört sie den Ausführungen des Richters zu, der Vater wirkt ein wenig gefasster. Nachdem der Vorsitzende Richter Jochen Bösl das Urteil gegen Mittag verkündet hat, verlassen sie den Saal.

Nach drei Monaten Verhandlung hat das Schwurgericht an diesem Montagmittag eine Entscheidung gefällt: Stefan B. wird zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Auch eine besondere Schwere der Schuld stellen die Richter fest. Das bedeutet, der 27-Jährige wird nicht nach 15 Jahren entlassen, sondern kann sich nach 19 Jahren einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen lassen - dann wird über die weitere Länge der Haft entschieden. Schon in ihren Plädoyers vergangenen Mittwoch hatten alle Prozessteilnehmer die Verhängung der Höchststrafe gefordert. Stefan B. nimmt das Urteil ohne erkennbare Gefühlsregungen hin.

Das Gedränge am Morgen im Landgericht ist groß, einige der Besucher, die erst um kurz vor neun kommen, werden abgewiesen, der Saal ist bereits voll. Die ersten Reihen sind besetzt von Journalisten, als der Angeklagte mit übergezogener Kapuze den Saal betritt, empfängt ihn ein Blitzlichtgewitter.

Um das Urteil zu begründen, schildert der Vorsitzende Richter erneut den grausamen Sexualmord an Franziska. So sei der heute 27-Jährige - zu dem Zeitpunkt arbeits- und obdachlos, er lebte vor allem in seinem Auto - an jenem 16. Februar wieder einmal ziellos durch die Gegend gefahren. Gegen 14.30 Uhr hält Stefan B . mit seinem Toyota an einem Skaterpark und beobachtet drei dort spielende Mädchen, eines von ihnen ist Franziska. Als diese den Park gegen 17.15 Uhr verlässt, verfolgt der 27-Jährige das Mädchen mit dem Auto, an einer Bergkuppe fängt er sie auf dem Fahrradweg ab und zwingt sie, einzusteigen.

Mittlerweile ist es dunkel. Stefan B. fährt mit dem Mädchen zu einem Weiher in Neuburg a. d. Donau. Franziska ist 1,60 Meter groß und wiegt 48 Kilogramm. Stefan B. ist 1,96 Meter groß und wiegt 120 Kilogramm. "Sie war ihm ausgeliefert, anders kann man es nicht beschreiben", summiert Bösl die Lage des hilflosen Mädchens. Sie muss die Vergewaltigungen über sich ergehen lassen, auch dass Stefan B. ihr schwerste körperliche Verletzungen zufügt. "Daraufhin beschloss der Angeklagte, Franziska zu töten, um die Tat zu verdecken", fährt der Vorsitzende Richter fort. Stefan B. erschlägt sie mit einem Holzscheit, die Leiche wirft er in den Weiher. Am nächsten Tag wird er gestellt.

Als Richter Bösl ausführt, welche unerträglichen Qualen das Mädchen erlitten haben muss, ist es vollkommen still im Saal. Nur seine Stimme ist zu hören. Auf den Gesichtern der Anwesenden spiegeln sich Fassungslosigkeit und Entsetzen wider. Stefan B., der seinen Blick wie immer nach unten auf die Anklagebank gerichtet hat, versinkt mit seinem Kopf immer tiefer zwischen den Armen.

Gegen Ende der Verhandlung kommt Jochen Bösl auf die Schuldfähigkeit des Verurteilten zu sprechen. Laut des psychiatrischen Gutachtens, das Friedemann Pfäfflin unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorgestellt hatte, gebe es keine Anhaltspunkte, dass Stefan B. die Tat unter "Bewusstseinsstörungen" oder dem Einfluss von Alkohol oder Drogen begangen habe. Eine Affekthandlung könne ebenfalls ausgeschlossen werden. Sprich: Der Täter habe die Tat bei vollem Bewusstsein geplant und ausgeführt. Diagnostiziert habe der psychiatrische Sachverständige jedoch eine "dissoziale Persönlichkeitsstörung": Die zeige sich unter anderem an der mangelnden Empathiefähigkeit und Gefühlskälte des Verurteilten. "Die Persönlichkeitsstörung kann die Tat mitausgelöst haben", so Bösl, "sie beeinträchtigt aber nicht seine Schuldfähigkeit." Pädophilie habe man dagegen nicht feststellen können. "Er war nicht eindeutig fixiert auf ganz junge Mädchen", erklärt der Richter.

Zwar halte das Schwurgericht Stefan B. zugute, dass er seine Tat in großen Teilen bereits zu Beginn des Prozesses gestanden habe, am Strafmaß ändere das jedoch nichts. Wegen der besonderen Grausamkeit der Vergewaltigung und des Mordes akzeptieren alle Prozessteilnehmer die Feststellung der besonderen Schwere der Tat. Es gebe kein Urteil, das dem Leid gerecht werden könne, das der Täter den Eltern zugefügt habe, sagt Bösl. "Dafür ist die Tat zu schrecklich. Aber letztlich ist es eine gerechte Strafe." Auch Staatsanwalt Jürgen Staudt ist zufrieden mit dem Urteil.

Nach einer Rücksprache mit seinem Verteidiger Adam Ahmed nimmt Stefan B. das Urteil an. Damit ist es rechtskräftig. Anwältin Petra Kerschner, die Franziskas Eltern als Nebenkläger vertritt, begrüßt den Ausgang des Prozesses ebenfalls. Für die Eltern, die ihr einziges Kind verloren haben, werde ein normales Leben nie wieder möglich sein. "Aber durch das Urteil ist für die Eltern zumindest vor Gericht ein Abschluss der Geschichte erreicht."

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