Süddeutsche Zeitung

Untersuchungsausschuss zu Mollath:"Zahlreiche und gravierende Fehler"

Bayerns Opposition zieht nach dem Mollath-Untersuchungsausschuss eine vernichtende Bilanz und kritisiert vor allem die Staatsanwaltschaft. Die Regierungsparteien kommen zu einem ganz anderen Urteil.

Von Olaf Przybilla

Justizministerin Beate Merk (CSU) hat in ihrer Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht in Zweifel gezogen, dass die Unterbringung Gustl Mollaths noch verhältnismäßig ist. Gerade die Dauer von dessen Unterbringung werfe Fragen auf, erklärte Merk. Sie habe ihre Stellungnahme dazu genutzt, um zu unterstreichen, "dass die Dauer der Unterbringung mit zunehmendem Zeitablauf" bei jeder weiteren Überprüfung "immer stärker ins Gewicht fallen" müsse. Es gehe ihr aber nicht darum, "eventuell falsche gerichtliche Entscheidungen zu verteidigen" oder "rechtlich zutreffende, aber als ungerecht empfundene Urteile zu kritisieren".

Das Landgericht Nürnberg habe festgestellt, dass Mollath seine Frau geschlagen, gebissen, mit Füßen getreten, bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und in der gemeinsamen Wohnung festgehalten, sowie Fahrzeuge verschiedener Personen beschädigt haben soll. Betrachte man diese sogenannten "Anlasstaten" - Körperverletzung und Sachbeschädigung - nähere man sich nach nunmehr sieben Jahren "Schritt für Schritt einer möglichen Unverhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung". Allerdings müsse man auch die von Mollath laut rechtskräftiger Entscheidungen ausgehende Gefahr berücksichtigen.

Eine Gefährlichkeitsprognose werde durch die fehlende Bereitschaft Mollaths, sich erneut begutachten zu lassen, erschwert. Für seinen Fall könne jedoch eine Rolle spielen, "dass Herr Mollath in der Öffentlichkeit großen Zuspruch und Unterstützung erfahren" habe. Es sei zu klären, "ob und inwieweit diese bestärkenden Geschehnisse positiven Einfluss" auf ihn hätten. In ihrer Stellungnahme würden ausdrücklich Gesichtspunkte für und gegen die Fortdauer der Unterbringung vorgetragen, erklärte Merk.

Im Streit hat unterdessen der Untersuchungsausschuss des Landtags zum Fall Mollath seine Arbeit beendet. Sowohl Regierungs- als auch Oppositionsparteien legten eigene Ausschussberichte vor, auf einen gemeinsamen konnte man sich nicht einigen. Für CSU und FDP ist demnach die wichtigste Erkenntnis, dass die Behauptungen einer Verschwörung von Banken, Politik und Justiz zuungunsten Mollaths eindeutig widerlegt worden seien. Diese These sei in sich zusammengebrochen, sagte der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU).

Wie Ermittler mit Mollaths Anzeigen von 2003 und 2004 umgegangen seien, habe sich als nachvollziehbar und vertretbar herausgestellt. Zweifel könne man laut CSU aber anmelden, ob beim Gerichtsverfahren 2006 alles korrekt abgelaufen sei. Dieses Verfahren - "mit allen Unzulänglichkeiten" - sei aber die Angelegenheit der Justiz, nicht die eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Überdies habe Justizministerin Merk den Ausschuss stets korrekt informiert, Rücktrittsforderungen seien daher nicht haltbar.

Zu einem anderen Ergebnis kommt die Opposition. SPD, Freie Wähler und Grüne wollen "zahlreiche und gravierende Fehler aller beteiligten Behörden" festgestellt haben. So habe die Staatsanwaltschaft trotz konkreter Anhaltspunkte in den Strafanzeigen Mollaths keine Vorermittlungen eingeleitet.

Es sei keine ordnungsgemäße Prüfung dieser Anzeigen erkennbar. Auch habe die Staatsanwaltschaft gegen ihre Pflicht zur Objektivität verstoßen. Während Mollaths Anzeigen nie ernsthaft geprüft worden seien, seien die Anzeigen gegen ihn sehr wohl weiterverfolgt worden. Die Staatsanwaltschaft habe einseitig zulasten Mollaths ermittelt.

Die Ermittlungen, die 2012 aufgenommen wurden, hätten viel früher aufgenommen werden können, Mollaths Anzeige von 2003 und dessen Verteidigungsschrift hätten dafür ausgereicht. Inzwischen seien mehr als 20 Strafverfahren eingeleitet worden, Mollaths Hinweise hätten überdies zu zwei Banken-Razzien geführt. Weil Mollath von diversen Behörden nie persönlich gehört worden sei, wertet die Opposition den Aufritt Mollaths im Juni vor dem Landtag als "Sternstunde des Parlaments".

Erstmals habe sich eine staatliche Institution "ernsthaft mit der Position Mollaths auseinandergesetzt". Dass nun Verschwörungstheorien von der CSU bestritten würden, sei ein Ablenkungsmanöver. Solche seien im Ausschuss nie behauptet worden. Zu erkennen glaube man aber ein "Schweige-, Lügen und Vertuschungskartell" zuungunsten Mollaths, sagte der Grünen-Abgeordnete Martin Runge.

Die Opposition versah ihren Abschlussbericht zusätzlich mit Schlussfolgerungen, die aus der Causa zu ziehen seien: Für Juristen sollte "der Fall Mollath Ausbildungsgegenstand werden", heißt es im Bericht. Auch von Richtern und Staatsanwälten dürfe "eine gewisse Empathie für Sorgen und Nöte der Bürger" erwartet werden. Das Vertrauen in die Justiz gründe sich darauf, dass sich Bürger ernst genommen fühlten. Insgesamt müsse Bayerns Justiz reformiert werden.

Dort gebe es "weder eine institutionelle noch personelle Unabhängigkeit". Die Abhängigkeit der Karrieren von Richtern und Staatsanwälten von "Entscheidungen der politischen Spitze" habe auch im Fall Mollath negative Auswirkungen gehabt. Die enge Verzahnung stärke "Korpsgeist, eine mangelnde Kultur der Korrektur eigener Fehler und vor allem die Tendenz zu vorauseilendem Gehorsam".

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SZ vom 10.07.2013
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