Seit gut einem Jahr stand ein aus Stahlblech geschnittener Greif auf einem Betonsockel an der Bundesstraße 289 und grüßte so zackig ins Land, wie ein Fabelwesen es nur kann. Das gut einen Zentner schwere und 1,60 mal 1,60 Meter große Kunstwerk war ein Geschenk des Straßenbauamts Bayreuth an die Gemeinde Untersteinach (Landkreis Kulmbach), die das Fabeltier in ihrem Ortswappen trägt. Seit einigen Tagen ist der an der Straße thronende Greif jedoch spurlos verschwunden. Unbekannte Täter haben ihn mit schwerem Werkzeug ausgehebelt und mitgenommen. Die Polizei ermittelt jetzt wegen besonders schweren Diebstahls und gemeinschädlicher Sachbeschädigung.
Die Diebe müssen schon deshalb besonders kaltblütig sein, weil sie sich vom Blick des Greifs partout nicht abschrecken ließen. Dessen Miene verrät Angriffslust, auch wenn er nicht die Zunge herausstreckt, was viele Wappentiere tun. Schließlich war es deren Aufgabe, potenzielle Gegner abzuschrecken, indem sie deutlich Zähne, Schnäbel und Klauen zeigen und dazu hämisch grinsen. Noch im späten Mittelalter glaubten viele Menschen ernsthaft an die Existenz von Fabelwesen wie dem Greif.

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Die meisten Wappentiere sind jedoch realer Natur. Man schätzte es, wenn sie heroisch und stark wirkten und wählte deshalb gerne Löwen, Panther und Adler aus. Das beliebteste Wappentier in Bayern ist der Löwe, den die Vorfahren für besonders kräftig hielten, wobei sie noch nicht wussten, dass er eigentlich ein fauler Geselle ist. Immerhin thront er schon seit 800 Jahren im bayerischen Wappen.
Der Greif prangt in vielen Wappen bayerischer Gemeinden
Was die Fantasiewesen in den Wappen betrifft, erfreut sich - neben dem Drachen - besonders der Greif einer erstaunlichen Beliebtheit. Im Grunde genommen stellt er ein aus verschiedenen Tierkörpern gebildetes Mischwesen dar. Häufig ist sein Leib von löwenartiger Form, darauf thront der Kopf eines Raubvogels, und Flügel hat er natürlich auch. Vor allem im Ostseeraum ist der Greif verbreitet, aber auch in Bayern haben ihn zahlreiche Gemeinden in ihr Wappen aufgenommen. Exemplarisch seien hier genannt die Orte Bruckberg bei Landshut, Esting bei Fürstenfeldbruck, Freystadt in der Oberpfalz, Kraftisried im Ostallgäu, Prem bei Weilheim und Reinhartshofen bei Augsburg.
Würdigt man den Hang der Bayern zum Fabeltier, kommt man um die Nennung des Wolpertingers nicht herum. Immerhin gilt er als Bayerns heimliches Wappentier. Im Gegensatz zum Greif schaffte er aber die Aufnahme in ein Gemeindewappen bisher noch nicht. Der Ursprung des Wolpertingers ist unklar. Wie der Greif wird er als ein variabel formatiertes Mischwesen beschrieben, zum Beispiel als Eichhörnchen mit Entenschnabel oder als Hase mit Entenflügeln. Schon vor 400 Jahren nahm Conrad Gesner eine Urform des Wolpertingers in Gestalt eines gehörnten Hasen in seine Naturgeschichte "Historia Animalium" auf. Karl Valentin zeigte in den 30er-Jahren in seinem Münchner Panoptikum ein Mischwesen, das quasi alle Fabeltiere summarisch in sich bündelte. Er verlieh ihm den treffenden Namen Fischgemsigeldackelentenelsterschlangenhasenkarpfenrollenhirschbartsaurus.