Unterlassungsklage von Strauß-Sohn:Die wilde Geschichte des Zeugen K.

Landgericht Köln verhandelt Strauß-Klage

Max Strauß in Köln: Das Landgericht beschäftigt sich mit einer Unterlassungsklage von ihm, die sich gegen den Buchautor Wilhelm Schlötterer richtet.

(Foto: dpa)

300 Millionen Mark in bar abgehoben? Ein Ex-Banker berichtet vor Gericht über ein angebliches Erbe von Franz Josef Strauß und wie es nach Luxemburg geschafft werden sollte. Er erzählt von Todesdrohungen und ominösen Anrufen. Die Kinder des früheren CSU-Chefs und Ministerpräsidenten wehren sich.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Mit einiger Verspätung betritt Burkhard K. den Saal 222 des Kölner Landgerichts. Er wird schon sehnsüchtig erwartet. Der 60 Jahre alte Münchner Diplomkaufmann ist Zeuge in einem Zivilprozess, in dem es um ein Stück deutscher Geschichte geht, das im Nebel liegt. Im Mittelpunkt steht der 1988 verstorbene bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Die Frage, um die sich an diesem Freitag alles dreht, fasst die Vorsitzende Richterin in einem Beweisbeschluss zusammen: Habe der Wert des von Franz Josef Strauß hinterlassenen Vermögens 300 Millionen Mark betragen, oder weniger als zehn Millionen Mark? Angeblich kann der Zeuge K. zur Wahrheitsfindung beitragen.

Rechts von ihm sitzt Max Strauß und schaut ziemlich entschlossen drein. "Wir sind wie Eisbären. Die verteidigen ihre Familie gegen den Rest der Welt", hat seine Schwester, die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier einmal über sich und ihre Brüder Max und Franz Georg gesagt.

Der Feind - das ist jetzt ein pensionierter Beamter der bayerischen Finanzverwaltung, dem K. beistehen will und der mit seinem Anwalt ebenfalls Platz genommen hat. Ministerialrat a.D. Wilhelm Schlötterer, 73, befindet sich im ewigen Kampf gegen FJS und dessen Hinterlassenschaft. Schlötterer soll bei Veranstaltungen schon mal erklärt haben, Strauß habe riesiges Vermögen illegal erworben; das Geld lagere auf Schweizer Konten.

Max Strauß geht bei Gericht in Köln gegen acht Passagen aus Schlötterers Buch "Macht und Missbrauch" vor. Zudem ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen Schlötterer wegen "Verleumdung u.a.", nachdem die Strauß-Kinder Strafanzeige gestellt hatten. Schlötterer, der langjähriges CSU-Mitglied ist, soll der Anzeige zufolge bei einer Lesung behauptet haben, FJS habe illegal 400 Millionen Mark vereinnahmt. Strauß habe mit Waffenhändlern zu tun gehabt, die ihn mit Provisionszahlungen bedacht hätten.

In seinem Buch kommt Schlötterer auf ähnliche Summen, aber nicht aus eigenem Wissen. Er verweist auf Behauptungen, die in Büchern, Magazinen oder Zeitungen aufgestellt wurden. Aber das Kölner Gericht meint offenbar, der Buchautor habe in diesem Fall die Beweislast zu tragen. K. hat sich 2010 bei Schlötterer gemeldet, um ihm Beistand anzubieten. "Es gefiel mir, dass er sich des Themas angenommen hat" sagt der Zeuge K. vor Gericht. Nach seiner Ansicht ist der frühere Finanzbeamte Schlötterer bei den Vermutungen über das Strauß-Vermögen auf der richtigen Spur.

Vor der Pressekammer des Kölner Landgerichts erzählt K. eine Geschichte, in der es um ein angebliches früheres Strauß-Vermögen in Höhe von 300 Millionen Mark bei der Landesbank in München geht. Im Frühjahr 1992 habe er, K., als Kundenbetreuer in der Münchner Filiale der Großbank CitiCorp gearbeitet. Eine Luxemburger CitiCorp-Kollegin habe bei ihm angerufen und erklärt, ein Max Strauß habe sich bei ihr gemeldet. Strauß habe wissen wollen, ob es dem Geldhaus möglich sei, einen größeren Geldbetrag entgegenzunehmen.

Die Kollegin, so sagt K. aus, habe ihn gebeten, Kontakt mit Strauß aufzunehmen und ihm eine Telefonnummer gegeben. Er habe gleich dort angerufen und sei, vermutlich von der Sekretärin, zu einem Mann durchgestellt worden. Er gehe davon aus, mit Max Strauß gesprochen zu haben. Er, K., habe gefragt, woher das Geld stamme. Der Gesprächspartner habe ihm gesagt, es handele sich um das Erbe seines Vaters Franz Josef Strauß. Das Geld befinde sich in der Landesbank in München und solle bar nach Luxemburg geschafft werden.

Viele Fragezeichen

K. erzählt vor Gericht noch mehr. Ihn habe bereits eine Minute nach dem vermeintlichen Telefonat mit Max Strauß ein Spitzenbanker von CitiCorp angerufen und erklärt, das Geldhaus sei nicht an einer Geschäftsverbindung mit den Strauß-Erben interessiert. Firmenpolitik sei es, kein Geld von Politikern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens anzunehmen. K. will dann wieder die Nummer in München angerufen haben. Der Mann, von dem er ausgehe, dass es sich um Max Strauß gehandelt haben könnte, sei enttäuscht gewesen. K. sagt, so habe sich das abgespielt.

So kann sich das nach Darstellung von Max Strauß gar nicht abgespielt haben. Der FJS-Sohn sagt vor Gericht in Köln, er habe K. nicht gekannt und von ihm zum ersten Mal durch die heutigen Verfahren gehört. Im Verlaufe dieser Verfahren hat K. mal bei der Staatsanwaltschaft Bochum ausgesagt und dort erklärt, er halte die nordrhein-westfälischen Ermittlungsbeamten in dieser Angelegenheit für "neutraler" als die bayerischen Ermittler. Als K. das jetzt vor Gericht wiederholt, betrachtet ihn Max Strauß wie ein seltenes Fossil.

Der FJS-Sohn hat erlebt, mit welcher Härte ihm die bayerische Justiz nachstellte und ist in einem großen Verfahren in Augsburg erst in zweiter Instanz freigesprochen worden, weil er unschuldig war. K. wiederum berichtet vor Gericht in Köln, nachdem seine Geschichte publik geworden war, habe er eine anonyme E-Mail mit einer Todesdrohung erhalten, offenbar aus dem arabischen Raum. Max Strauß, der sich in Nahost auskennt, schüttelt den Kopf. Alles sehr merkwürdig. Ob es sich bei der Mail um einen Scherzanruf gehandelt haben könnte, will der Anwalt von Max Strauß wissen. Nun schüttelt K. den Kopf. "Nein, das war ernst, das war konkret."

Die Münchner Staatsanwaltschaft, die nach wie vor gegen Schlötterer wegen Verleumdung der Familie Strauß ermittelt, ist der Geldspur mit Rechtshilfeersuchen im Ausland nachgegangen. Dortige Zeugen widersprachen der Erzählung von K., oder bestätigen sie nicht. Die damalige Luxemburger Arbeitskollegin von K. sagte aus, sie habe nie Kontakt mit einem Büro Max Strauß gehabt. "Weder über Telefon noch persönlich." Als diese Aussage bei Gericht in Köln dem Zeugen K. vorgehalten wird, sagt der, er habe dafür "keine Erklärung".

Auch der seinerzeitige Spitzenbanker der CitiCorp, mit dem K. am Telefon über Max Strauß und Politikergeld gesprochen haben will, stützt diese Geschichte nicht. Der Spitzenbanker gab bei den Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft zu Protokoll, er könne sich an ein Telefonat mit K. über Max Strauß und 300 Millionen Mark nicht erinnern. Zur Familie des 1988 verstorbenen Franz Josef Strauß habe er "nie Kontakte" gehabt.

Eine wilde Geschichte mit vielen Fragezeichen. Wer kommt schon auf den Gedanken, 300 Millionen Mark in bar zu verschieben? Von wem und für was könnte FJS so viel Geld bekommen haben? Zwischen Politik und privaten Geschäften hat FJS nicht immer streng getrennt. "Der Mehrung seines Vermögens gibt er sich mit demselben Eifer hin, den er in der Politik walten lässt", stand in den siebziger Jahren in einer Werbebroschüre der CSU. Solche Aussagen wären heute wohl ein Skandal.

Strauß war heimlich Minderheitsgesellschafter einer Werbefirma, die staatliche oder halbstaatliche Aufträge erhielt. Das brachte ihm einige hunderttausend Mark ein. Für die Übernahme einer Testamentsvollstreckung erhielt er bis zu 300.000 Mark jährlich. Als Redner ließ er sich sehr gut bezahlen. Vieles, was er geschäftlich machte, roch streng. Aber 300 Millionen Mark würden ganz anders stinken.

Die Abhebung eines solchen Betrags hätte doch eine Spur hinterlassen, sagt die Vorsitzende Richterin in Köln. Zeuge K. entgegnet, vor gut zwanzig Jahren sei "wilder Westen" in diesem Milieu gewesen. Und Bayern sei der "wilde Süden" gewesen.

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