Unterfranken:Zwölfeinhalb Jahre Haft für Mord an Elfjähriger in Silvesternacht

Prozess wegen Mordes an Elfjähriger in Silversternacht 2015/2016

Ein Kreuz erinnert in Unterschleichach an die elfjährige Janina.

(Foto: dpa)
  • Das Landgericht Bamberg verurteilt den 54-jährigen Roland E. zu zwölf Jahren und sechs Monaten Haft.
  • In der Silvesternacht 2015 hatte er auf eine Gruppe von Personen geschossen, eine Kugel traf die elfjährige Janina M. in den Kopf und tötete sie.
  • Für Mord gibt es eigentlich nur eine Strafe - lebenslange Haft. Dass sie Roland E. erspart bleibt, liegt an seiner besonderen Lebenssituation.

Von Hans Holzhaider, Bamberg

Zwölf Jahre und sechs Monate Haft für den 54-jährigen Roland E. - das ist das Urteil des Landgerichts Bamberg in einem Prozess, der die Menschen weit über die Grenzen Frankens hinaus bewegt hat. In der Silvesternacht 2015 hatte der gelernte Maurer mit einem Kleinkaliberrevolver auf eine Gruppe von Personen geschossen, die neben seinem Anwesen in Unterschleichach (Landkreis Haßberge) fröhlich feierten. Eine Kugel hatte die elfjährige Janina M. in den Kopf getroffen. Die Verletzung war absolut tödlich; das Mädchen starb nur Stunden später in einer Schweinfurter Klinik. "Es war ein außergewöhnlicher, durchaus auch zu Herzen gehender Prozess", sagte der Vorsitzender Richter Manfred Schmidt.

Es war Mord - daran ließ das Gericht keinen Zweifel. Roland E. habe gewusst, dass sich an der Straßeneinmündung in unmittelbarer Nähe seines Wohnhauses Menschen aufhielten, er habe sie gesehen und gehört, auch wenn er nicht wusste, wer die Personen im Einzelnen waren. Er habe gewusst, dass ein Schuss aus dieser Waffe tödliche Wirkung haben könne. Auch wenn er sicherlich nicht gezielt auf das Mädchen geschossen habe, habe er doch dessen Tod billigend in Kauf genommen, und deshalb vorsätzlich, und nicht etwa nur fahrlässig gehandelt.

Er habe sich auch bewusst so im Schatten des Hauses postiert, dass er von den Personen nicht wahrgenommen werden konnte. "Es kann keinen Zweifel geben, dass er die Arglosigkeit des Mädchens bewusst ausgenutzt hat", sagte der Vorsitzende Richter. Damit sei das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt. Roland E. habe aber auch aus niedrigen Beweggründen gehandelt. Der Anlass für die Tat seien Wut und Verärgerung darüber gewesen, dass er durch den Lärm der Silvesterknallerei geweckt wurde. Es bestehe ein so krasses Missverhältnis zwischen diesem nichtigen Anlass und der Tat, dass sich allein schon daraus das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes ergebe, sagte der Richter.

Für Mord gibt es eigentlich nur eine Strafe - lebenslange Haft. Dass sie Roland E. erspart bleibt, liegt an seiner besonderen Lebenssituation. Er ist seit fünf Jahren schwer krank; eine Zwerchfelllähmung und eine chronische Bronchitis, beide ohne Aussicht auf Heilung, machen ihm das Leben schwer. Als Folge dieser Krankheiten hat sich eine mittelschwere Depression entwickelt. Seine Lebensgefährtin hat ihn verlassen und den Sohn, an dem er sehr hängt, mitgenommen.

Er ist vereinsamt; aus dem sozialen Leben des Dorfes hat er sich weitgehend zurückgezogen. Dazu kam in jener Nacht die Wut über die Ruhestörung durch die feiernden Leute auf der Straße. All dies zusammengenommen, hatte der psychiatrische Sachverständige im Prozess erläutert, könne zum Tatzeitpunkt zu einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit geführt haben. Staatsanwalt Otto Heyder hatte sich dieser Einschätzung nicht angeschlossen und eine lebenslange Freiheitsstrafe gefordert. Das Gericht sah es anders. "Im Zweifel für den Angeklagten" könne man die verminderte Schuldfähigkeit nicht ausschließen; deshalb komme nur eine zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe in Betracht.

Die liegt mit zwölfeinhalb Jahren allerdings nahe der oberen Grenze des Strafrahmens von drei bis 15 Jahren. Es seien zwei Mordmerkmale erfüllt, sagte Schmidt zur Begründung. Das Opfer habe keinerlei Anlas für den Angriff gegeben, und nicht nur das Leben eines Kindes sei ausgelöscht, sondern auch das Leben der Eltern zerstört worden.

Für den Angeklagten spreche, dass er ein weitgehendes Geständnis abgelegt habe, auch wenn man ihm "jedes Wort aus der Nase ziehen musste". Roland E. sei ein Mensch, dem es sehr schwer falle, über seine Gefühle zu sprechen. "Wir gehen aber nicht davon aus, dass er seine Tat nicht bereut", sagte der Richter. "Wir halten ihn nicht für einen eiskalten Menschen." Der Angeklagte sei nicht vorbestraft, er habe "ein rechtschaffenes Leben geführt", die Tat sei für ihn offensichtlich wesensfremd. Er sei auch durch seine Krankheiten besonders haftempfindlich, und als ehemaliger Angestellter in einer Justizvollzugsanstalt werde er es auch sonst in der Haft nicht leicht haben. "Wir hoffen, dass der Angeklagte die Strafe als gerechten Schuldausgleich akzeptiert, und dass das Urteil dazu beiträgt, dass die geschlagenen Wunden wieder heilen können", sagte Schmidt.

Oberstaatsanwalt Otto Heyder gab zu erkennen, dass er mit dem Urteil durchaus zufrieden ist - eine Revision von dieser Seite ist eher unwahrscheinlich. Roland E.s Verteidiger Thomas Drehsen wollte sich noch nicht äußern, aber zu vermuten ist, dass der Angeklagte froh ist, um die lebenslange Haft herumgekommen zu sein. Auch die Anwälte von Janinas Eltern äußerten sich zufrieden: "Hauptsache Mord, und Hauptsache zweistellig", sagte Rechtsanwalt Norman Jacob, der Janinas Vater vertritt. Eine Schwester des Vaters sah das offensichtlich anders: "Schmor in der Hölle", rief sie Roland E. nach, als er abgeführt wurde.

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