Bahnverkehr in Unterfranken:Kein Halt im Steigerwald

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Da ist schon lange kein Zug mehr gefahren: Die Schienen der ehemaligen Bahnlinie sind stark überwachsen und führen westlich des Steigerwalds durch die Landschaft. Obwohl sie Steigerwaldbahn heißt, führt die Trasse nicht direkt durch den Steigerwald. (Foto: Claudia Henzler)

Während viele Kommunen in Bayern stillgelegte Nebenstrecken gerne reaktivieren würden, formiert sich in Unterfranken der Protest. Eine Bürgerinitiative hält die Bahnlinie zwischen Schweinfurt und Kitzingen für unnötig.

Von Claudia Henzler, Gochsheim

In der Gemeinde Gochsheim kann man ortsfremde Autofahrer leicht erkennen. Nur sie gehen vom Gas, wenn sie das Verkehrsschild 151 sehen - ein rotes Dreieck mit schwarzem Zug, das vor einem Bahnübergang warnt. Von denen gibt es im Gemeindegebiet mehrere, doch die Einheimischen wissen, dass hier längst keine Züge mehr unterwegs sind und rauschen unbekümmert vorbei. Gerd Frackenpohl ist einer von ihnen. Er hat vor einigen Monaten eine Bürgerinitiative gegründet, um eine Reaktivierung der auch als Steigerwaldbahn bekannten Bahnstrecke Schweinfurt-Kitzingen zu verhindern.

Viele Gemeinden und Landkreise in Bayern kämpfen darum, dass einige der vielen Nebenstrecken, welche die Deutsche Bahn stillgelegt hat, wieder bedient werden. Weil die Zuständigkeit für den Betrieb nach der Bahnreform 1994 wechselte, ist es in erster Linie Sache der Bundesländer, ob die verwaisten Gleise wieder benutzt werden. Die derzeitige Regierung aus CSU und Freien Wählern hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das Angebot auf der Schiene zu verbessern: "Stillgelegte Eisenbahnstrecken wollen wir dort reaktivieren, wo es sinnvoll und möglich ist", heißt es in dem 60-seitigen Papier.

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Allerdings betreibe der Freistaat "grundsätzlich keine Reaktivierungen von Schienenstrecken aktiv von sich aus", erklärt Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU). Der Wunsch müsse von der Region an den Freistaat herangetragen werden. "Was uns besonders wichtig ist: Es muss auch einen deutlichen ökologischen Nutzen einer Reaktivierung geben. Bei einer nur geringen Anzahl von Fahrgästen können Busse oftmals einen kleineren ökologischen Fußabdruck haben."

Zwei Linien sollen demnächst laut Ministerium wieder in Betrieb gehen (siehe Kasten), weitere acht Nebenstrecken würden derzeit konkret geprüft, darunter zum Beispiel die Verbindungen Passau-Freyung und Aschaffenburg-Großostheim.

Gerd Weibelzahl, der sich beim Verkehrsclub VCD ehrenamtlich mit dem bayerischen Schienenverkehr beschäftigt, kennt noch deutlich mehr Reaktivierungswünsche. Er kritisiert, dass der Freistaat nicht von sich aus tätig wird und fordert ein bayernweites Reaktivierungskonzept. Momentan bräuchten die Kommunen schon sehr viel Enthusiasmus, um die Sache durchzuziehen.

"Die Leute schütteln hier nur den Kopf", sagt Gerd Frackenpohl. Er engagiert sich gegen die Steigerwaldbahn. (Foto: Claudia Henzler)

Bisher sind die Ergebnisse aus Sicht des VCD-Experten mager. Gerade mal fünf Regionalbahnen seien in den vergangenen 20 Jahren wiederbelebt worden. "Wenn's hochkommt, haben wir etwa 60 Kilometer reaktiviert." Das Verkehrsministerium selbst nennt nur vier Nebenstrecken, weil die Verbindung von Gotteszell nach Viechtach in Niederbayern nur im Probebetrieb läuft.

Der öffentliche Nahverkehr soll bis zum Jahr 2024 deutlich dichter und besser werden

Problematisch ist offenbar vor allem, dass die Schienen in der Regel immer noch der Bahn gehören, das Unternehmen aber in den vergangenen Jahrzehnten kein Geld in die stillgelegten Strecken gesteckt hat. Nun verlangt der Freistaat von den möglichen Betreibern der Bahnlinien, die Trassen zu ertüchtigen. Sie müssten also finanziell in Vorleistung gehen und die Investitionen später durch die Infrastrukturgebühren, die der Freistaat jährlich für den Zugbetrieb überweist, wieder reinholen. Weil der Freistaat die Verträge mit den Betreibern aber jeweils für zwölf Jahre abschließe, so Weibelzahl, lohnten sich große Investitionen für diese kaum.

Bei der knapp 50 Kilometer langen Steigerwaldbahn, die von Schweinfurt durch die Felder und Wiesen des Steigerwaldvorlands in Richtung Kitzingen führt, sind allerdings nicht nur die Investitionskosten im hohen zweistelligen Millionenbereich ein Problem. Gemeinden und Landkreise sind sich in diesem Fall noch nicht einmal einig, ob sie die Reaktivierung wollen. Während die Kreistage in Schweinfurt und Kitzingen ernsthaft darüber nachdenken, halten das in den Anrainergemeinden wenige für sinnvoll. Und Verkehrsminister Reichhart hat kürzlich im Landtag erklärt, dass er für den Freistaat keinen Handlungsbedarf sieht, solange die Kommunen nicht an einem Strang ziehen.

Der Landkreis Schweinfurt hat die Diskussion um die Zukunft der Steigerwaldbahn ausgelöst, weil er an einem Mobilitätskonzept arbeitet: Der öffentliche Nahverkehr soll bis zum Jahr 2024 deutlich dichter und besser werden. Die alte Zugtrasse könnte dabei eine Rolle spielen. Aufgeschreckt davon trafen sich im Herbst die Bürgermeister der Anrainergemeinden und beantragten anschließend, die Bahnstrecke entwidmen zu lassen - jedoch ohne die Städte Schweinfurt und Gerolzhofen. Während die Entwidmungsverfahren noch laufen, hat die Angelegenheit an Dringlichkeit gewonnen: Die Bahn bietet die Trasse zum Verkauf an.

Schweinfurts Landrat Florian Töpper (SPD) hofft nach wie vor, die Bürgermeister und den Freistaat davon zu überzeugen, dass die Bayerischen Eisenbahngesellschaft als zuständige staatliche Behörde offiziell prüft, ob die Bahn eine Zukunft haben könnte - mit offenem Ausgang, wie er betont. "Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, die Schienen abzureißen", sagt er. Noch seien nicht alle Fragen beantwortet.

Warum aber formiert sich Widerstand entlang der Trasse? Die letzten Personenzüge waren hier Ende der Achtzigerjahre unterwegs, danach ratterten nur sporadischen Güterzüge vorbei. "Hier ist in 40 Jahren viel entstanden", sagt der Gochsheimer Gerd Frackenpohl. Er fährt an Wohngebieten vorbei, die nahe der Bahn errichtet wurden, lenkt über die neue Umgehungsstraße, die die Gleise zweimal ohne Brücke oder Unterführung kreuzt, und deutet auf das Logistikzentrum, das eine Supermarktkette in einem der Gochsheimer Gewerbegebiete angesiedelt hat.

Eine ganze Lastwagenflotte starte von hier zur nahegelegenen Autobahn: "Hier ist jeden Morgen der Teufel los." Jenseits der Autobahn wartet eine weitere neuralgische Stelle: Die Zufahrt zum Schweinfurter Hafen. Dass der ganze Verkehr hier wie dort künftig von geschlossenen Schranken aufgehalten würde - für Frackenpohl nicht vorstellbar. Deshalb engagiere er sich, sagt er. Und bisher kenne er keine Bürger, die sich die Bahn zurückwünschen. Die Busverbindung sei gut und viele, die in Schweinfurt arbeiten, bildeten Fahrgemeinschaften. Wie wenig die Gochsheimer mit einer Reaktivierung rechnen, zeigt er an einer offenen Bahnschranke: Dort wurden die Gleise beidseits der Straße einfach abgesägt.

© SZ vom 24.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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