Unterfranken:Lohr am Main sollte Sieben-Zwerge-Stadt heißen

Unterfranken: Vier der sieben Zwerge und das Schneewittchen hatten die Street-Art-Künstler JPS und PZY in Lohr am Main bis Montagnachmittag bereits vollendet.

Vier der sieben Zwerge und das Schneewittchen hatten die Street-Art-Künstler JPS und PZY in Lohr am Main bis Montagnachmittag bereits vollendet.

(Foto: privat)

Zumindest führt man dort die hitzigsten Debatten über eine etwas hässlich geratene Schneewittchen-Skulptur - und die bekommt jetzt märchenhafte Gesellschaft.

Von Olaf Przybilla, Lohr

Vielleicht muss man sich einfach einen verzweifelten Marketingmenschen vorstellen. Man hat ihm gesagt, er solle Lohr am Main groß herausbringen und jetzt schaut er sich an, was es da so gibt in diesem unterfränkischen Städtchen: ein bisschen Fachwerk, recht hübsch, aber das hat man schon romantischer gesehen; viel Wald außenrum, das aber haben auch andere im Spessart; auch ein gut beleumundetes Weißbier mit originellem Bügelverschluss, dieses Bier jedoch verbinden - der Markt ist kompliziert - inzwischen viele eher mit Würzburg als mit Lohr.

Ach ja, und dann noch so ein Schild an der Autobahn, das mit "Schneewittchenstadt" wirbt. Haben sich irgendwelche Freaks ausgedacht. Und klingt ja durchaus witzig. Wenn jemand wüsste, was das soll.

Der Künstler Peter Wittstadt ist - nach allem, was man weiß - keine Idee eines Marketingmenschen. Wäre er aber eine, so müsste man diesen mit Preisen bewerfen. Seit Wittstadt die Stadt mit einem Schneewittchen beehrt hat, das nur verhaltensauffällige Spiegel für die "Schönste im Land" halten können, ist Lohr am Main als deutsche Sieben-Zwerge-Metropole ein Begriff. Beziehungsweise als Heimat des Horrorwittchens.

Wie das alles gekommen ist, werden Marketing-Historiker analysieren müssen: Arglose Kunstjurymitglieder und wütende Leserbriefschreiber spielten dabei ebenso eine Rolle wie ein fixer Lohrer Schüler, der aus der Not einen Kult machte, indem er ein hässliches Wittchen an die Wand warf, und ein leibhaftiger Kunstakademiepräsident, der auf den Künstler Wittstadt losging, als hätte der gerade die Biennale versemmelt. Wie gesagt: arg undurchsichtig das alles, aber sehr wirkungsvoll.

So wirkungsvoll, dass inzwischen jede Horrorwittchenweiterdrehe interessiert. Da gibt es in Lohr tatsächlich einen "Arbeitskreis Schneewittchen". Den gab es, so versichert Leiterin Katja Bundschuh, zwar schon vor dem ganzen Wittstadt-Wittchen-Horror. Nur interessiert haben sich nur Insider dafür. Dieser Kreis hat nun dafür gesorgt, dass zwei Street-Art-Künstler namens JPS und PZY der Stadt eine weitere Variation auf das Thema beschert haben. Schneewittchen und die Zwerge, allesamt aus dem Spessart, standen dafür Modell, wurden fotografiert, die Bilder in Schablonen übertragen und mit Farbdosen an Wände gesprüht. Graffiti-Kunst in der Kleinstadt wäre normalerweise Graffiti-Kunst in der Kleinstadt. Und also von überschaubarem Interesse. Passiert das in Lohr, will sogar die Deutsche Presse-Agentur etwas darüber wissen. Und ja, die SZ auch.

Man darf daran erinnern, dass der Künstler Wittstadt vor Kurzem - als Lohr noch Lohr war und nicht Zwerge-City - übel beschimpft wurde im Städtchen. Aber alles hat eben seine Zeit. Ein neues Werk von Wittstadt könnte demnächst in Würzburg zu sehen sein, auf der Landesgartenschau soll es stehen und "Waltraud von der Vogelweide" heißen. Waltrauds Liebhaber namens Walther soll in Würzburg angeblich begraben sein. Und ja, nach allem, was man so sieht, ist diese Waltraud ebenfalls kein klassisch schönes vrouwelin. Könnte ein Erfolg werden.

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