Unterfranken:Ein altes Winzerdorf wird wiederbelebt

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Sylvia Peter und Michael Junginger haben den alten Winzerhof in mehrjähriger Bauzeit saniert und in ein Wohnhaus mit Galerie, Atelier und Café umgewandelt. (Foto: Florian Hammerich)

Ein Ehepaar aus Unterfranken saniert einen 400 Jahre alten Hof. Nicht nur ein privater Traum geht damit in Erfüllung. Es ist ein großer Beitrag zum Wandel eines von Leerstand geplagten Ortes.

Von Claudia Henzler, Thüngersheim

Schmale Gassen und schmucke Winzerhöfe, die zum Teil noch aus dem späten Mittelalter stammen, sanft geschwungene Weinberge und die Nachbarschaft zum Main: Die kleine Gemeinde Thüngersheim, zwölf Kilometer von Würzburg entfernt, ist das Musterbeispiel eines fränkischen Weinbaudorfs. Allein der Grundriss des Ortskerns, der im 16. Jahrhundert mit einer Mauer umfasst wurde, kann Denkmalpfleger in Entzücken versetzen. Es gibt zwei parallel verlaufende Hauptstraßen, zwischen denen sieben enge Gassen wie Sprossen einer Leiter liegen. Eine städtebauliche Besonderheit.

In der Oberen Hauptstraße dieses Vorzeigedorfs lädt ein Anwesen zum Besuch ein, das gut in Hochglanzmagazine für scheinbar unerfüllbare Wohnfantasien passen würde. Ein 400 Jahre alter Winzerhof, den das Ehepaar Sylvia Peter und Michael Junginger in mehrjähriger Bauzeit saniert und in ein Wohnhaus mit Galerie, Atelier und Café umgewandelt hat. Mit hellen Räumen, geschmackvollen alten Möbeln, liebevoll gestalteten Details.

Die Substanz des 1618 erbauten Anwesens war besser, als die Fassade vermuten ließ. (Foto: privat)

Die beiden haben sich damit nicht nur einen privaten Lebenstraum erfüllt, sondern auch einen großen Beitrag zum Wandel Thüngersheims geleistet. Das hat der Bezirk Unterfranken gewürdigt, als er dem Paar 2006 für seine Verdienste zum Erhalt historischer Bausubstanz einen Preis verlieh: "Mit der Sanierung des Anwesens gaben die Eigentümer eine Initialzündung zur Sanierung des Altortes von Thüngersheim", hieß es in der Begründung.

Denn Anfang des Jahrtausends sah die kleine Gemeinde noch ganz anders aus. Winzer, Handwerker und junge Familien waren in Neubaugebiete abgewandert, immer mehr Häuser und Höfe standen leer. Gemeinderat und Bürgermeister machten sich ernsthaft Sorgen. Sie beschlossen, dass sich Thüngersheim an einem Städtebauförderungsprogramm beteiligen müsse. Denn so können private Investoren zusätzlich zu Mitteln der Denkmalpflege weitere Zuschüsse bekommen.

Im Jahr 2002 wurde der sogenannte Altort zum Förderungsgebiet. Außerdem wurde die Gemeinde selbst aktiv. Sie gestaltete die Straßen neu, vor wenigen Jahren sanierte sie ein verfallenes Baudenkmal und machte es zum Kultur- und Veranstaltungszentrum der Gemeinde. Thüngersheim zeigte, was die Kombination von politischem Gestaltungswillen und persönlichem Engagement bewirken kann.

Sylvia Peter, 48, und Michael Junginger, 46, waren unter den ersten, die sich mit Unterstützung der Städtebauförderung an die Wiederbelebung des Winzerdorfes gemacht haben. Die beiden gebürtigen Allgäuer hatte es aus beruflichen Gründen an den Main verschlagen. Michael Junginger, studierter Forstwirt, war damals bei einem Forstbüro in Würzburg eingestiegen, seine Frau war als selbständige Künstlerin ortsunabhängig und Mainfranken zugeneigt. So suchten sie im 30-Kilometer-Radius um Würzburg nach einer Mietwohnung und verliebten sich recht schnell in Thüngersheim.

Anfang 2005 kauften sie den leer stehenden Winzerhof, um dort ihr "Forum für botanische Kunst" einzurichten. Nach einer langen Planungsphase, die hauptsächlich durch einen Architektenwechsel verursacht wurde, ging es drei Jahre später los mit der Sanierung. Im September 2009 eröffneten sie schließlich die Galerie mit Café im Erdgeschoss, ein Jahr später waren auch die Wohnräume im ersten Stock fertig. 2011 bekam das Paar die bayerische Denkmalschutzmedaille verliehen.

Im kleinen Atelier im Innenhof malt Sylvia Peter selbst. Im Gebäude existiert eine Galerie. (Foto: Florian Hammerich)

Der Umbau war von Anfang an ein ungewöhnlich öffentliches Projekt. Das lag an den freundlichen Neueigentümern, die schon während der Bauzeit zu Veranstaltungen in die spätere Galerie luden, aber auch an der jüngeren Vergangenheit des ehemaligen Winzerhofs: Der war von 1927 bis 1955 als Metzgerei und Gaststätte "Zum Stern" genutzt worden, wurde also von den Alteingesessenen nicht zwingend als Privathaus empfunden. Zur Erinnerung an diese Vergangenheit haben Sylvia Peter und Michael Junginger ihr Haus "Alter Stern" genannt.

Wo die beiden heute mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn im Wohnzimmer sitzen, war früher der Nebensaal der Gaststätte. "Wir haben Leute getroffen, die da drin das Tanzen gelernt haben", erzählt Sylvia Peter. Im Treppenhaus steht noch der Holzverschlag mit dem herzförmigen Guckloch, in dem das erste Münztelefon des Dorfes installiert war. Heute dient er als Besenkammer. Durch die Galerie gibt es bis heute kaum Schwellenängste.

"Es trauen sich viele Leute rein und fragen, wie war das bei euch?", sagt Junginger. Und die Eigentümer geben gerne Auskunft. Sie erzählen nicht nur, welche Materialen und Techniken sie verwendet haben, sie wollen Nachahmern explizit Mut machen: Viele Leute seien ja der Meinung, dass eine Denkmalsanierung ein finanzielles Abenteuer sei, bedauert Junginger. Doch das Gegenteil sei der Fall. Wegen der hohen Zuschüsse müssten Bauherrn eine äußerst genaue Planung vorlegen, bevor es losgeht. Dadurch könne die Sache eigentlich nicht aus dem Ruder laufen. Nicht wenige Bauwillige haben sich davon schon inspirieren lassen.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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