Süddeutsche Zeitung

Mitten in Unterammergau:Fliegender Schwarzbau

Ein Unternehmer hat im Skulpturengarten seiner Unterammergauer Kunsthalle schon zum zweiten Mal einen transportablen Turm errichten lassen, der vermutlich sogar den örtlichen Kirchturm überragt. Doch der Gemeinderat will von einer Genehmigung auf Dauer nichts wissen.

Von Matthias Köpf, Unterammergau

Für einen fliegenden Bau sind 70 Tonnen ein stolzes Gewicht. Aber darauf kommt es der Bayerischen Bauordnung ja nicht an. Diese definiert fliegende Bauten schlicht als "bauliche Anlagen, die geeignet und bestimmt sind, wiederholt an wechselnden Orten aufgestellt und zerlegt zu werden." Das klingt für ein Kunstwerk einerseits arg prosaisch, passt aber andererseits gut zu der Idee, die Hildegard Rasthofer und Christian Neumaier mit ihrer "Sichtung" verfolgen. Sie haben unter diesem Titel 13 Kuben aus Cortenstahl zu einem mehr als 30 Meter hohen Turm aufstapeln lassen, und das schon insgesamt fünfmal. Allein zwei dieser lateinisch durchnummerierten Sichtungen gab es in Unterammergau auf dem Gelände des Unternehmers, Hoteliers und Kunstsammlers Christian Zott, der das Werk gekauft hat. Wäre es nach Zott gegangen, so wäre sein Skulpturengarten schon für die Sichtung III im Jahr 2020 die Endstation gewesen, und jetzt stattdessen gern für Nummer V. Aber in Unterammergau geht es unter anderem nach dem Gemeinderat, und der sagt nun zum wiederholten Mal: Der Bau muss fliegen.

Denn so ein fliegender Bau hat nach drei oder - mit einmaliger Verlängerung vom Landratsamt - spätestens nach sechs Monaten weiterzuziehen. Sonst wird selbst ein begehbares Raum- und Klangkunstwerk, dessen Oberfläche eine auratische Patina aus rötlichem Rost ansetzt, zum schlichten Schwarzbau. Schon 2020 hatte Zott die sechs Monate ab Eröffnung seiner Unterammergauer Kunsthalle deutlich überzogen, die Räte lehnten einen späten Bauantrag ebenso ab wie eine Änderung des Bebauungsplans, welcher ein solch kirchturmhohes Bauwerk nicht vorsah. Die Unterammergauer diskutierten mit deutlichen Worten über Geschmacksfragen, doch ein Bürgerbegehren zog Zott nach amtlichen Zweifeln an der Zulässigkeit zurück, die Sichtung wanderte weiter in die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.

Pünktlich zu den Passionsspielen in Oberammergau aber ließ Zott die Sichtung mit der fliegenden Nummer V wieder in Unterammergau aufbauen, was auch schon deutlich länger als sechs Monate her ist. Einen neuen Antrag, das Werk als Immobilie zu legalisieren, hat der Gemeinderat aber gerade wieder mit großer Mehrheit abgelehnt. Also muss es wohl irgendwo anders zu Sichtung VI kommen. Eine dritten Versuch mit Sichtung VII will Zott erklärtermaßen nicht mehr unternehmen.

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