Unterallgäu:89-Jähriger bestreitet tödliche Schüsse auf seinen Sohn

Prozess wegen Mordes an Sohn

Der 89-jährige Sportschütze soll seinen Sohn erschossen und den Mann seiner Enkeltochter angeschossen haben.

(Foto: dpa)
  • Der 89-jährige Hans K. muss sich vor dem Memminger Landgericht wegen Mordes und Mordversuchs verantworten.
  • Der Sportschütze soll seinen Sohn erschossen und einen weiteren Mann dreimal angeschossen haben.
  • Vor Gericht legt er dann ein Teilgeständnis ab. Er bestreitet, seinen Sohn getötet zu haben.

Von Christian Rost, Memmingen

Als ein 42-Jähriger in einer Garage in Westerheim (Kreis Unterallgäu) von einem betagten Sportschützen ins Visier genommen wird, hat er unglaubliches Glück. Dreimal feuert der 89-jährige Hans K. auf den Mann seiner Enkelin. Ein Projektil trifft ihn am Oberkörper - und bleibt in seinem Mobiltelefon in der Brusttasche stecken. Eine Kugel erwischt ihn am rechten Oberschenkel - und prallt am Schlüsselbund in der Hosentasche ab. Eine weitere durchbohrt lediglich die Jacke, die das Opfer trägt. Der 65-jährige Sohn des Schützen indes hat keine Chance. In die Brust getroffen, bricht er zusammen und stirbt kurze Zeit später im Krankenhaus.

Seit diesem Dienstag muss sich Hans K. wegen Mordes und Mordversuchs verantworten. Er wird nicht in Handschellen zum Memminger Landgericht gebracht. Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes schiebt den im Rollstuhl sitzenden Hans K. am Dienstagmorgen in den Saal des Schwurgerichts. Mittlerweile ist er so gebrechlich, dass er nicht mehr laufen kann. Eine schwarze Mütze hat er sich tief ins Gesicht gezogen, um auf den Bildern der Pressefotografen nicht erkannt zu werden.

Ein Revolver steckte in der Manteltasche, eine Pistole in der Hosentasche

Vor Gericht legt er dann ein Teilgeständnis ab, wobei er vehement bestreitet, seinen Sohn getötet zu haben. "Wieso soll ich auf ihn schießen?", fragt der Angeklagte. Diese Frage stellen sich auch seine Angehörigen auf den Zuhörerplätzen. Die Aussage quittieren sie mit Kopfschütteln.

Im Februar vorigen Jahres ist der Familienstreit in der Garage eines Anwesens in der 2200 Einwohner zählenden Gemeinde eskaliert. Der Mann der Enkelin von Hans K. und sein Sohn treffen sich, um Autoreifen abzuholen. Hans K. sieht dabei zu und hat auch nichts dagegen, dass die Männer aus der Garage noch eine Gasflasche zum Betrieb eines Schweißgerätes mitnehmen. Als der 42-Jährige aber am Schweißgerät selbst hantiert, zieht der 89-Jährige laut Anklage unvermittelt seine Waffen. Ein Revolver steckte in seiner Manteltasche, eine Pistole der Marke Beretta in der Hosentasche.

Abwechselnd mit beiden Waffen schießt er auf seinen Verwandten, der hinter einem dreirädrigen italienischen Kleintransporter Deckung sucht. Die Kugeln, abgefangen vom Handy und Schlüsselbund, hinterlassen bei ihm lediglich Prellungen auf der Haut. In seiner Not wirft er ein Warndreieck auf Hans K., das ihn am Kopf trifft und eine blutende Wunde hinterlässt. Dennoch soll er noch einmal gefeuert haben - auf seinen Sohn -, ehe er über einen Gartenzaun auf das Nachbargrundstück flüchtet. Der 42-Jährige alarmiert die Polizei. Ein Hubschrauber stöbert Hans K. in einem Gebüsch hockend auf. Es dauert eine Weile, bis ihn die Beamten zur Aufgabe überreden können. Die Waffen, die er als Sportschütze legal besitzt, hat er noch bei sich.

Der Vorsitzende Richter Jürgen Hasler versucht, das Motiv des Angeklagten zu ergründen. Und das ist merkwürdig banal: Hans K. deutet an, dass er den Mann seiner Enkelin nicht leiden kann. Von ihm sei er einmal im Streit grob zu Boden gestoßen worden. "Der ist mir überlegen", sagt der Rentner, deshalb habe er sich am Tattag auch bewaffnet. Er befürchtete, dass der 42-Jährige nicht nur die Reifen und die Gasflasche, sondern auch das Schweißgerät abtransportiert. Das wollte K. auf keinen Fall dulden: "Das ist mein Eigentum", sagt er und wiederholt etliche Male, dass er das Gerät gekauft habe. Tatsächlich wollte es der Verwandte gar nicht mitnehmen. Er wickelte lediglich die Kabel des Geräts ordentlich auf.

"Ich habe geschossen, damit sie weggehen", sagt der Angeklagte. Er habe dabei aber nicht gezielt. Seinen Verwandten habe er lediglich einmal am Oberschenkel erwischt. Auf den Sohn will er überhaupt nicht gefeuert haben. "Mein Sohn war nicht anwesend", behauptet K. Der Prozess wird fortgesetzt.

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