Süddeutsche Zeitung

Unter Bayern:Tierisch gemein

Journalisten sollten nie Böses über Tiere schreiben. Tierschützer dafür nie über Hubert Aiwanger

Kolumne von Nadeschda Scharfenberg

Regel Nummer eins für Journalisten: Schreibe nichts Böses über Tiere. Beziehungsweise nichts, was als böse verstanden werden könnte. In der SZ hieß es vor zehn Jahren - der Sommer war damals mies verregnet - in einer Eloge auf das Sauwetter (pardon, liebe Säue, war nicht diskriminierend gemeint): "Die Weinbergschnecken gedeihen in dieser Saison besonders gut, mit Butter und Knoblauch schmecken sie sehr sommerlich." Daraufhin füllte sich das Redaktionspostfach schneller als jede Regentonne.

Regel Nummer eins für Politiker lautet analog: Schreibe nichts Böses über Tiere. Beziehungsweise nichts, was als böse verstanden werden könnte.

Warum gemein zu Tieren sein, wo es doch die Grünen gibt?

Neulich hat Hubert Aiwanger, Stellvertreter des immer mehr ergrünenden bayerischen Ministerpräsidenten, auf Facebook das Foto einer verschrumpelten Gurkenscheibe gepostet, durch deren Mitte ein Grashalm als Mast gepikst ist, mit Buchenblatt-Segel oben dran. Begleittext: "#Habeck für deutsche Beteiligung an Marinemission im Persischen Golf. Wenn wir unsere Schiffe mit den Grünen Wehrdienstleistenden besetzen, reicht eine Nussschale." Nach dieser Boshaftigkeit krähte kein Hahn (pardon, liebe Hähne, war nicht diskriminierend gemeint).

Anders bei einem humoristischen Nagetierfoto-Posting von Aiwangers Großbritannienreise: "Englisches Eichhörnchen rennt durch London. Hat einen #Oachkatzlschwoaf und weiß es nicht. Hab's ihm gesagt." Prompte Belehrung im Kommentarfeld: "Das ist ein Grauhörnchen!"

Hätte er sich das mal eine Warnung sein lassen! Aber nein, Aiwanger wagte sich diese Woche auf tierisch gefährliches Terrain, besuchte eine Pferdeschau in Neumarkt und eine Westernshow in Pullman City und stellte, tief beeindruckt, Videos von einem Zehnspänner, zwei Quadrigen und diversen zotteligen Bisons ins Netz. Daraufhin füllte sich das Kommentarfeld schneller als jede Regentonne in diesem auch nicht unbedingt trockenen August: "Widerlich und dumm", "überflüssig", "Tierquälerei", "das sind BÜFFEL!"

Aiwanger schlug zurück mit seiner ganz eigenen Logik: Wenn der Mensch Pferde und Bisons nicht als Nutztiere halten würde, wären sie längst ausgestorben "und nur noch als versteinertes Relikt im Museum zu besichtigen".

Regel Nummer eins für Tierschützer: Schreibe nichts Böses über einen Aiwanger. Beziehungsweise nichts, was er als böse verstehen könnte. Sonst wird er wild wie eine Büffelherde. Oder doch Bisons?

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Quelle:
SZ vom 24.08.2019
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